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Die Kunst mit der Kunst

Sicherungstechnik in Museen
Die Kunst mit der Kunst

In Museen sind Güter hohen materiellen und kulturellen Werts versammelt, die der Allgemeinheit zugänglich sein sollen. Ein Museumsbetreiber muss damit dem schmalen Grat folgen, diese öffentlich zu präsentieren und sie zeitgleich gegen Gefahren unterschiedlicher Ausprägung zu schützen. Die Umsetzung dieser komplexen Aufgabe sollte möglichst durch eine an den Zielen »Präsentation von Kunst« und »Sicherung von Objekten« ausgerichteten Architektur gestützt werden. Der bestmögliche Schutz ist dabei nur durch die Kombination verschiedener Maßnahmen zu realisieren.

Text: Paulus Vorderwülbecke, Fotos: Duccio Malagamba, VdS

In relativ kurzer zeitlicher Abfolge berichteten die Medien über Einbrüche oder Diebstähle in und aus Museen. Besonders erschreckend sind zum einen die Dreistigkeit der Täter, zum anderen aber auch die Tatsache, dass es ihnen mitunter nicht besonders schwer gemacht wird: So wurden im Musée d’ Art Moderne in Paris vor rund zwei Jahren gleich mehrere Meisterwerke entwendet. Der Wert wurde auf ca. 100 Mio. Euro geschätzt [1]. Besonders dramatisch dabei war, dass eine defekte Alarmanlage »vermutlich den schwersten Kunstdiebstahl aller Zeiten« in einem Pariser Museum ermöglicht hat [2]. Und leider geht es nicht immer so (relativ) gut aus wie beim Schrei von Munch, der drei Jahre, nachdem er in Oslo gestohlen wurde, – wenngleich nicht unbeschädigt – wieder auftauchte [2].
Nun erscheint es wenig sinnvoll, mit dem Finger auf nicht mehr zu ändernde Ereignisse zu zeigen. Stattdessen sollten Planer und Fachexperten gemeinsam überlegen, wie eine hochwertige Sicherung aussehen kann. Ein Grundlagenpapier zu diesem Thema wurde vor knapp vier Jahren veröffentlicht [3]. Diese Sicherungsrichtlinien für Museen und Ausstellungshäuser bieten Hilfestellung, wenn es darum geht, das richtige Maß zwischen gesicherter Verwahrung und möglichst uneingeschränkter Präsentation zu finden.
Risiken
Ein Planer sollte sich zunächst mögliche Risiken für die Ausstellungsstücke vor Augen führen. Hier sind v. a. zu nennen: Raub (Diebstahl unter Gewaltandrohung), Diebstahl (einfache Wegnahme), Einbruchdiebstahl, Vandalismus, Brand und Rauch, Feuchtigkeit und – oft vergessen – Elementarrisiken wie Sturm, Starkregen und Überschwemmungen oder auch Erdbeben. Auch wenn wir uns in Deutschland mit Letzterem eher wenig befassen müssen (wenngleich die niederrheinische Bucht als »aktiv« gilt), sind Sturm und Starkregen durchaus brisante Themen. Das schwere Hochwasser in Dresden ist beispielsweise noch gut in Erinnerung. Seinerzeit konnte nur schnelles Handeln enorme Verluste der Staatlichen Kunstsammlung Dresden verhindern. Bei Museen in hochwassergefährdeten Gegenden sollte daher überlegt werden, Depoträume in gegen Hochwasser geschützten Kellern oder besser noch in höher gelegenen Bereichen unterzubringen. Als Sofortmaßnahme kann es unter Umständen schon hilfreich sein, wenn wasserempfindliche Gegenstände auf Paletten (das bringt immerhin rund 12 cm) gelagert werden. Aber auch die ganz alltäglichen Gefahren müssen sorgfältig ermittelt werden. Dass etwa wasserführende Leitungen potenziell riskant sind, liegt auf der Hand. Eine Wasserleitung durch das Depot, also durch die Räumlichkeiten zu führen, in denen ein Museum die meisten seiner Besitztümer und Leihgaben lagert, ist daher nicht nur unglücklich, sondern nahezu fahrlässig zu nennen – auch wenn das Kulturgut durch eine Zwischendecke offenbar »geschützt« sein sollte. Falls die Bedingungen vor Ort keine vorteilhaftere Lösung zulassen, ist zumindest auf entsprechende Überwachungstechnik Wert zu legen.
Schutzkonzept
Generell ist es fast immer sinnvoll, bei der Absicherung der Idee des Zwiebelschalenprinzips zu folgen. Danach werden Art und Umfang der konkreten Sicherungsmaßnahme, eingebettet in ein durchdachtes Gesamtkonzept, individuell variiert. Die Sicherungen können beispielsweise im Außenbereich, im sogenannten Perimeterbereich, mit optischen oder elektronischen Überwachungsmaßnahmen beginnen. Zur Perimetersicherung zählt auch, wenn der Zuweg so gestaltet wird, dass Täter nicht ohne Weiteres mit großen und/oder schnellen Fluchtfahrzeugen vorfahren können [4]. An den Gebäudeeingängen sollte eine Zutrittskontrolle erfolgen; die Sicherungsmaßnahmen sollten sich weiter über Raumabsicherungen bis zum individuellen Objektschutz fortsetzen.
Besonders empfindliche Bereiche erfordern eine höherwertige Absicherung, weshalb es in der Regel sinnvoll ist, das Zwiebelschalenprinzip nicht nur für das gesamte Gebäude, sondern z. B. auch für besonders herausragende Exponate oder für das Depot zu berücksichtigen. Der Zugang zum Depot oder zu Restaurierungswerkstätten ist dabei natürlich anders auszugestalten als der Besuchereingang.
Das optimale Schutzkonzept rekrutiert sich aus baulichen und mechanischen Sicherungen, aus elektronischen und optischen Überwachungsmethoden sowie aus organisatorischen und personell gestützten Sicherungsmaßnahmen. Den ›
› organisatorischen Maßnahmen ist auch und v. a. die Planung und Festschreibung entsprechender Vereinbarungen zur Intervention in einem – wie auch immer gearteten – Ernstfall zuzurechnen. Eine nicht funktionierende Interventionskette führt auch die beste Einbruchmelde- und Videoüberwachungsanlage (EMA und VÜA) – oder besser noch deren geschickte Kombination – fast zwangsläufig ad absurdum. Maßnahmen im Alarmfall sollten unbedingt mit einer Notruf- und Serviceleitstelle, die Verantwortung für Notfall-Schutzmaßnahmen übernehmen kann (oft auch als Wach- und Sicherheitsunternehmen »WuS« bezeichnet), vereinbart werden. Eine solche Stelle ist ständig erreichbar und kann einen Einsatz unmittelbar koordinieren.
Baulich und mechanisch
Die mechanische Sicherungstechnik beginnt bei gut gesicherten Zugängen, d. h. bei einbruchhemmenden Türen und Fenstern, denn ungesicherte Türen und Fenster können mit leichtem Hebelwerkzeug in wenigen Sekunden geöffnet werden. Von unabhängigen Prüfstellen zertifizierte Produkte bieten hier einen um ein Vielfaches höheren Schutz. Bei der Produktauswahl sollte auch der Sachversicherer des Hauses hinzugezogen werden, um die Klasse, d. h. die Güte der Sicherungsqualität von Türen oder Fenstern, zu besprechen. Diese werden beispielsweise von VdS Schadenverhütung, einer Nachfolgeorganisation des Verbands der Sachversicherer, in die vier Klassen N, A, B und C eingeteilt (wobei C die höchste Stufe darstellt). So ist z. B. eine Tür der Klasse N geeignet, ein privat genutztes Gebäude zu schützen. Bei Museen jedoch sollte mindestens die Klasse B als Maßstab angelegt werden. Auch eine europäische Norm, DIN EN 1627, befasst sich mit dem Thema der einbruchhemmenden Fenster, Türen usw. Hier wird allerdings in sechs Klassen (mit zwei weiteren Abstufungen), von den Stufen RC1N bis RC6, unterschieden. Die unteren Klassen der in der DIN beschriebenen Produkte sollten bei der Sicherung von Museen jedoch nicht in die engere Wahl kommen, sondern mindestens die Stufe RC4 Anwendung finden.
Für Verglasungen können spezielle Schutzeigenschaften attestiert werden: Diese reichen vom Schutz gegen einen geworfenen Pflasterstein (Durchwurfhemmung nach DIN EN 356 bis Klasse P5A) bis hin zum Standhalten gegen ambitionierte Durchbruchversuche mit Axt und schwerem Hammer (Klasse P6B bis P8B). Bei Museen sollten Fenster sowie Verglasungen von Türen, sofern von einem potenziellen Eindringling erreichbar, mindestens der Klasse P6B entsprechen. Bei einbruchhemmenden Fenstern und Türen ist das alles aber bereits »im Paket« enthalten, da diese als eigenständiges Element bzw. System immer die Gesamtheit des Produkts, also die Qualität von Türblatt, Verglasung, Schlössern, Scharnieren usw. beschreiben.
Inwieweit eine nachträgliche Aufwertung von Zugängen oder Verglasungen machbar ist, hängt wie immer vom Einzelfall ab und sollte mit einem Errichter für mechanische Sicherungstechnik besprochen werden. Insbesondere, wenn auch Denkmalschutzaspekte gegeben sind und z. B. Türen oder Fenster nicht durch einen Austausch gesichert werden können, lässt sich unter Umständen eine Schleusenlösung realisieren, bei der eine zweite, innenliegende Tür die Sicherungsaufgaben übernimmt.
Elektrisch, optisch, organisatorisch
In machen Ausstellungen können Bilder, insbesondere natürlich kleine Bilder, einfach abgehängt werden. Wenn das unbemerkt bleibt, ist der Schaden programmiert. Erkannt werden kann die Entfernung eines Bildes z. B. mithilfe spezieller Leinwandmelder. Diese halten Kontakt zur Bildrückseite. Wird das Bild oder auch nur die Leinwand entfernt, gibt es einen Alarm. Wenn der Wachdienst dann jedoch mehr als einige Sekunden benötigt, um einzugreifen, ist der Täter unter Umständen schon längst beim nächsten Notausgang, dessen Fluchttür er mit einem Handgriff in voller Breite öffnen kann. Eine pragmatische Maßnahme wäre, keine besonders wertvollen und leicht zu transportierenden Exponate in Notausgangsnähe auszustellen, aber zufriedenstellend ist diese Lösung sicherlich nicht. Besser ist es, Wachpersonal in unmittelbarer Nähe verfügbar zu halten. Die Verantwortlichen sollten auch nicht der Idee verfallen, dass eine effektive Bewachung ausschließlich über den Einsatz von Videotechnik erfolgen kann (Bei Videotechnik wird daher auch nicht von Bewachung, sondern von Überwachung gesprochen.). Die richtige Projektierung der VÜA vorausgesetzt, ist die Wachzentrale in der Lage, Interventionskräfte zu alarmieren – andernfalls kann sie lediglich zusehen, wenn ein Ausstellungsobjekt, um beim obigen Beispiel zu bleiben, durch die Fluchttür abtransportiert wird.
Bei Ausstellungen, die eine große Anzahl v. a. kleinerer Bilder zeigen, ist es zusätzlich sinnvoll, die Stelle der Wand, die normalerweise vom Bild verdeckt wird, deutlich zu kennzeichnen. So kann ein Wachmann das Fehlen eines Bildes schneller wahrnehmen.
Ausreichend Wachpersonal hat zudem den Effekt, dass sich die Besucher »besser benehmen«. Die Gefahr, dass sie z. B. versuchen, Kunstwerke zu berühren, wird verringert. Das Wachpersonal muss aber nicht jedes Bild im Blick behalten, weitere Technik kann sie unterstützen: Spezielle Melder (»kapazitive« Sensoren) bauen um das zu schützende Objekt ein elektromagnetisches Feld von einstellbarer »Größe« auf und informieren durch einen Alarm bei der Leitstelle und/oder ein akustisches Signal vor Ort, wenn eine Person durch Annäherung das Feld beeinflusst.
Unsichtbare Sicherheit
Dass Sicherungstechnik Geld kostet, ist im Grunde klar, dennoch wird oft versucht, am falschen Ende zu sparen. So gibt es etliche Stimmen, die eine Ausweitung von Videotechnik propagieren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Dies jedoch unmittelbar an die Verringerung von personellen Bewachungsmaßnahmen zu koppeln, dürfte in vielen Fällen eine falsche Entscheidung sein. Dennoch bietet Videotechnik viel Potenzial – mit moderner Sensorik lässt sich z. B. deutlich mehr machen als bloß Filmsequenzen aufzuzeichnen.
Auch der Perimeterbereich, die Schutzzone im unmittelbaren Umfeld des Museums, sollte in Zukunft mehr Beachtung finden. Wenn die Sicherungs- und Überwachungstechnik, Elektronik und Organisation aufeinander abgestimmt sind, ist es nur logisch, auch Zugänge sowie potenzielle Fluchtwege in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Die Planung und Umsetzung eines Museums ist dann gelungen, wenn die Ausstellung vom Besucher positiv wahrgenommen wird und zugleich ein angemessenes Maß an Sicherheit sowohl für Besucher und Angestellte als auch für die Exponate gewährleistet ist. All dies macht es erforderlich, dass personelle, technische und bauliche Maßnahmen zusammenspielen. Die Architektur des Museums legt hierfür den Grundstein. •
[1] s. www.zeit.de und Kultur
[2] s. focus.de unter Kultur und Panorama
[3] Die Sicherungsrichtlinien für Museen und Ausstellungshäuser, VdS 3511, stehen auf der VdS-Homepage, der Webseite des Verbands »Vertrauen durch Sicherheit«, zum kostenfreien Download bereit. Bestellt werden kann dort auch der VdS-Tagungsband zur Fachtagung »Sicherheit in Museen und Ausstellungshäusern« vom 7. April 2009. Die nächste Tagung zu diesem Thema wird voraussichtlich Mitte November in Bonn stattfinden, genauere Informationen folgen zu einem späteren Zeitpunkt über www.vds.de
[4] vgl. Sicherungsleitfaden Perimeter, VdS 3134

Technik aktuell (S. 74)
Paulus Vorderwülbecke
Handwerkliche Ausbildung im Metallbereich, Maschinenbaustudium. Berufliche Tätigkeit im Qualitätsmanagement in der Profilzylinderherstellung. Seit 1995 Tätigkeit in der VdS Schadenverhütung mit den Schwerpunkten mechanische/elektronische Sicherungslösungen und technische Regelwerke; Leitung der Abteilung Konzeptentwicklung.
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