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Unaufdringlich elegant

servicegebäude Sportzone St. Martin im Ahrntal (Südtirol)
Unaufdringlich elegant

Seine Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit, mit der es sich in die Umgebung einfügt, seine Klarheit und Ablesbarkeit, die sorgfältige Detaillierung und Ausführung, all das macht die Qualität des Servicege-bäudes der Sportzone aus. Eine verhältnismäßig kleine Bauaufgabe, bewältigt mit einem spürbar großen Engagement und einer ruhigen eigenen Architektursprache, verwurzelt im Geist der Tiroler Moderne. Eine Entdeckung im nördlichen Südtirol zum Urlaubsende, die begeisterte, Fragen aufwarf – und einige Zeit später einen erneuten Besuch und eine vertiefte Betrachtung einforderte.

  • Architekten: Stifter + Bachmann Tragwerksplaner: Stefano Brunetti
  • Kritik: Elisabeth Plessen Fotos: Lukas Schaller
Es war eine dieser, zugegeben seltenen, Entdeckungen aus dem Augenwinkel auf der Rückfahrt aus dem Herbsturlaub. Ein Anblick, der zum Umkehren aufforderte. Ein quer zum Tal liegender, flacher, lang gestreckter, silbern schimmernder Baukörper inmitten von Weiden und Feldern. Vier weithin sichtbare Flutlichtmaste verrieten seine Bestimmung als Sportanlage. Der »Umweg« hat sich gelohnt. Was aus der Ferne silbern vor der beeindruckenden Kulisse der steilen Bergwiesen und des Felsmassivs glänzte, zeigte sich beim Näherkommen als die geneigte rückwärtige Holzfassade eines insgesamt sehr transparenten Tribünengebäudes, das auf einer Geländeaufschüttung ruhend, über dem Fußballfeld zu schweben scheint. Gegen dessen intensiv grünen Kunstrasen hebt sich der auf einer Betonmauer von etwa hundert Metern Länge gesetzte Holzrahmen des Gebäuderiegels ab. In ihm sind Umkleide- und Sanitärräume für die Sportler, ein Klubraum mit Café und Barbereich, Nebenräume sowie Besucher-WCs untergebracht. Das weit auskragende Dach bildet außerdem eine geschützte Tribüne für etwa vierhundert Zuschauer.
Am Abend verstärkt sich der transparente Eindruck noch, wenn das erleuchtete Gebäude des SSV Ahrntal einen Lichtstreifen vor dem Bergmassiv bildet. Wobei der Name den Ortsunkundigen ein wenig irreführt, besteht die Verwaltungsgemeinde Ahrntal mit ihren insgesamt fast 6000 Einwohnern doch aus sechs sehr eigenständigen Orten. Dass nun nicht einer von diesen, sondern St. Martin, ein kleiner Weiler mit knapp dreihundert Einwohnern, zur Teilgemeinde St. Johann gehörend, sich seit Kurzem mit der wohl attraktivsten Sportanlage des gesamten Tales schmücken kann, hat einen be- sonderen Reiz. ›
Stringenz, ein Budget und Brüche
Ein schmaler Betonsteg geleitet unter das auskragende hölzerne Dach, unter das sich das eigentliche Gebäude zurückzieht. Aus der zum Spielfeld hin als abgetreppte Tribüne ausgebildeten, auskragenden Bodenplatte mit ihrem leuchtend roten Betonestrich scheint die rahmenlose gläserne Fassade gleichsam herauszuwachsen, so nahtlos ist der Übergang zu dem hinter der Glasfläche mit Kunstharz in gleicher Farbe beschichteten Bodenbelag, der sich konsequent durch das gesamte Innere zieht. Mit der gleichen Konsequenz geht die umlaufende Glasfassade in die holzverkleidete Decke über, die, im Inneren fortgeführt, als rückwärtige Wandverkleidung endet.
Für alle Ansichtsflächen aus Holz wurde Lärche gewählt, für die der Witterung ausgesetzten Fassaden- und Dachflächen als sägeraue Bretterschalungen, um eine schnelle, gleichmäßige Vergrauung des Gesamtkörpers zu erreichen und ihn mit der Landschaft verschmelzen zu lassen. Im Innenraum sowie an der nach außen weitergeführten Decke als gehobelte Lärchenschalung, deren rötlicher Ton gemeinsam mit dem des roten Bodenbelags dem Inneren eine seiner Bestimmung entsprechende Vitalität verleiht. Überall zeigt sich die sorgfältig durchdachte Konzeption dieser verhältnismäßig kleinen Bauaufgabe, die mit dem bescheidenen Budget von insgesamt 1,2 Millionen Euro (inklusive Mehrwertsteuer) ausgestattet war – das Architektenhonorar eingeschlossen.
Der kommunalen Direktbeauftragung gingen viele Studien seitens der Architekten voraus, was innerhalb des engen finanziellen Rahmens möglich wäre und welche Konzessionen gestalterischer und haustechnischer Art hinnehmbar seien. So entschieden sie sich beispielsweise für den kompletten Verzicht auf eine Heizungsanlage und ordneten stattdessen, wo benötigt, einzelne Elektroheizkörper an. Diese konnten im Gang vor den Mannschaftsumkleiden unauffällig in Nischen integriert und mit wandhohen, weißen Holzpaneelen verkleidet werden. Im Eingangsbereich vor dem vollverglasten Klubraum aber mussten sie direkt auf die Lärchenschalung montiert werden. Dafür wurde in seinem gläsernen Inneren zugunsten einer ebenfalls elektrischen Fußbodenheizung vollständig auf ihre störende Anwesenheit verzichtet.
Der Hausanschlussraum sowie die Lager für die zur Platzpflege benötigten Geräte wurden unterhalb des Gebäudes auf kleinstem Raum in den Erdwall verlegt. Sie sind vom Obergeschoss über eine Treppe erreichbar und bilden gleichzeitig den Zugang zum tiefer liegenden Spielfeldbereich. Ein kleiner Einschnitt in den Wall ermöglicht das Betreten des Untergeschosses von der rückwärtigen Gebäudeseite aus, was bei Turnieren den gegnerischen Mannschaften einen ungestörten Zugang gewährt.
Die hölzerne Rahmenkonstruktion (siehe Detailbogen S. 104) stellt nicht nur eine Reminiszenz an die lokale Bautradition dar, sondern empfahl sich auch als kostengünstigste Bauweise mit einem hohen Vorfertigungsgrad und erlaubte es zudem, alle Gewerke an Handwerker in der Region zu vergeben.
Es sind die Stringenz in Entwurf und Planung und die wohlüberlegten Details, die die Qualität des Bauwerks ausmachen – und der dem kargen Budget an manchen Stellen kalkuliert abgerungene gestalterische »Luxus«. Seien es die dezenten, durchgehenden Edelstahlprofile, die die Hirnhölzer des oberen Abschlusses der geneigten Holzfassadenverkleidung schützen, oder die unterschiedlich ausgebildeten hölzernen Verkleidungen der Übergänge von der Bodenplatte in die Wand und den Übergang ins Dach (siehe Bild 8), die das Gebäude an den Stirnseiten akzentuieren.
Lichte Leichtigkeit
Dem Wunsch nach Transparenz und Leichtigkeit sind die schmalen, weißen Stahlstützen (120 mm x 120 mm) hinter der Glasfassade geschuldet, die statt größer zu dimensionierender Holzstützen die Lasten des Dachs aufnehmen und von außen mit dem Weiß der Einbauten verschmelzen.
Um diese Leichtigkeit bis in die rückwärtigen Räume und Gänge zu tragen, sind in die Dachfläche gezielt elf Lichtkuppeln gesetzt. Und auch hier zeigt sich die planerische Sorgfalt: Eigens gefertigte, weiße Lamellengitter – deckenbündig unter den Kuppeln in die Holzverschalung integriert – streuen ›
› das Licht und lenken es gleichmäßig in die Räume. Verstärkt wird die lichte Wirkung durch die nach oben hin verglasten Raumabschlüsse aller abgeschlossenen Bereiche. Wie in der Fassade gleiten ihre geklebten Gläser profillos in die Holzdecke über und nehmen den eingestellten Volumina ihre Schwere. Unterstützt wird diese Leichtigkeit durch die puristische Beschränkung auf wenige, klar gegeneinander abgesetzte Materialien. Und der aus dem Tribünenbereich scheinbar ins Innere »fließende« rote Bodenbelag lässt die Übergänge zwischen draußen und drinnen verschwimmen. Selbst in den Nassbereich der Mannschaftsumkleiden wurde er weitergeführt, wo eine schmale, entlang der Wand in den Boden eingelassene Edelstahlrinne als Abfluss der Duschen dient. Bei so viel Leichtigkeit tritt auch die dort montierte, konventionelle Sportstättenmöblierung optisch in den Hintergrund.
Es mag die Architekten schmerzen, dass die hellen Elektroheizkörper sich an einigen Stellen deutlich von den Wänden abheben, aber unter anderem dank der reduzierten Haustechnik konnten viele über Standards hinausgehende gestalterische Extras realisiert werden, die das Gesamtgebäude über diese Brüche hinwegtragen. ›
was bleibt
Die Durchgängigkeit der Materialien, die Transparenz der Gesamtanlage und die Selbstverständlichkeit, mit der sich der Baukörper in die Landschaft einfügt und in ihr behauptet, sind seine Hauptmerkmale. Selbst der scheinbar ein wenig brummelnd durch das Gebäude führende »Hauswart« – dem die Anzahl der zu putzenden Fensterflächen nicht behagt – kann seinen Stolz auf die Sportzone nicht verhehlen. Nach anfänglicher Skepsis in der Bevölkerung ist das Gebäude in der Gemeinde »angekommen«. Mehr noch, durch den großen Zuspruch weit über die Region hinaus, als Veranstaltungsstätte für Fußballturniere soll es schon im kommenden Sommer erweitert werden.
Ernsthafte Leichtigkeit ist vielleicht das treffendste Wort, um die Arbeit der beiden Architekten zu beschreiben. Ernsthaft im Streben nach der angemessenen Form und Konstruktion und leicht und unaufdringlich-eindringlich in deren Ausprägung; authentisch für den jeweiligen Ort. Wenn man nach einer stilistischen Einordnung suchen würde, dann wäre ihre Architektur am besten mit »Neuer regionaler Tiroler Moderne« zu fassen. Es ist schwer, sich ihrer im Gespräch zutage tretenden Begeisterung für ihre Bauaufgaben zu entziehen – und vielleicht auch gar nicht notwendig. •
  • Bauherr: Gemeinde Ahrntal, Steinhaus (I) Architekten: Stifter + Bachmann, Dr. Arch. Helmut Stifter, Dr. Arch. Angelika Bachmann, Pfalzen (I) Mitarbeit: Waldtraud Rieder Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Stefano Brunetti, Bruneck (I) Haustechnik/Brandschutz: Ekon GmbH, Bruneck (I) Planung: 2004–05 Ausführung: 2006–07 Gesamtvolumen: 1400 m³ Überbaute Fläche: 650 m² Nettonutzfläche: 350 m² Gesamtkosten: 1,2 Mio. Euro (inkl. MwSt.)
  • Beteiligte Firmen: Bauunternehmen: Holzer GmbH, Sand in Taufers (I) Holzbau: Zimmerhofer AG, Sand in Taufers (I) Schlosserarbeiten: Schlosserei Lanz OHG, Toblach (I) Ausbau Holz: Tischlerei Kiebacher, Gerhard Großgasteiger, Sterzing (I) Elektroanlage: Alfred Zöschg Elektrotechnische Anlagen, Meran (I) Seilnetz (Geländer): Carl Stahl GmbH, Süßen (D), www.carlstahl.com Sanitärausstattung: Keramag, Keramische Werke Aktiengesellschaft, Ratingen (D), www.carlstahl.com Zubehör: Keuco GmbH & Co. KG, Hemer (D), www.carlstahl.com Armaturen: Rubinetteria Cisal, Pella Frazione Alzo (I), www.carlstahl.com Hartschaumdämmungen: Jackson Insulation GmbH, Steinhagen (D), www.carlstahl.com Zellulosedämmungen: Isocell Vertriebsges.mbH, Neumarkt am Wallersee (A), www.carlstahl.com Gipskarton: Knauf – Sistemi Costruttivi, Castellina Marittima (I), www.carlstahl.com Downlights: Zumtobel Illuminazione GmbH, Vahrn (I), www.carlstahl.com Strahler: iGuzzini illuminazione spa, Recanati (I), www.carlstahl.com Lichtkuppeln: JET Tageslicht & RWA GmbH, Hüllhorst (D), www.carlstahl.com Fußbodenheizung: DEVI GmbH, Salzburg (A), www.carlstahl.com
  • 1 Klubraum
  • 2 Sanitär Zuschauer
  • 3 Umkleide Sportler
  • 4 Lager/Sportgeräte
  • 5 Zugang Trainingsspielfeld
Weitere Informationen finden Sie auf dem Detailbogen Seite 104
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