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Seehotel Ambach in Kaltern von Walter Angonese

... in die Jahre gekommen
Seehotel Ambach in Kaltern (I)

Dieses Hotel macht glücklich und seh-süchtig. Wie kaum ein anderes Gebäude erschließt es die großartige Landschaft am Kalterer See in vielen verschiedenen Facetten. Das Seehotel Ambach ist Architektur, Skulptur und durch die spannungsvoll ineinandergreifenden, verschwenkten Ebenen und Buchten selbst Landschaft, die von den Gästen entdeckt werden will. Vor 45 Jahren hat der Brixener Architekt Othmar Barth (der in Deutschland leider nur Insidern bekannt ist) ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das dank kontinuierlicher Fürsorge und einer respektvollen Modernisierung seine phänomenale Ausstrahlung behalten hat.

Architekten: Othmar Barth; Walter Angonese mit
Flaim Prünster Architekten

Kritik: Ira Mazzoni
Fotos: Klaus Peterlin, Jürgen Eheim, Luca Meneghel, Helmuth Rier

1970–73

Es gehört zu den seltenen Glücksfällen, wenn eine Hotelarchitektur samt Ausstattung die Jahrzehnte wechselnder Moden überdauert und in ihrer Einzigartigkeit respektiert und geliebt wird.

Die Bauherrin und Eigentümerin Anna Ambach hat bis zu ihrem Tod 2014 selbst in einer Suite im Hotel gewohnt. Ihr Architekt Othmar Barth (1927-2010) machte, kaum eine Fahrstunde von seinem Heim entfernt, regelmäßig Urlaub in dem Hotel, das er für sein bestes Werk hielt. So gab es immer zwei »Kümmerer«, die für die Pflege ihres persönlichen und geistigen Eigentums lebenslang Verantwortung trugen. Und es gab Stammgäste, die nicht nur die einmalige Lage am See, sondern eben auch die einmalige Architektur schätzten, für die der gelernte Schreiner Barth auch die Einbaumöbel mit handwerklicher Sorgfalt entworfen hatte. Jede modische Veränderung verbot sich von selbst.

Denkmalschutzwürdig werden in Italien nur Bauten, die mindestens 50 Jahre alt sind. Ein einziges Werk von Barth konnte bisher von der Denkmalschutzbehörde des Landes Südtirol gegen große Widerstände unter Schutz gestellt werden: Die 1961-62 gebaute Cusanus-Akademie in Brixen, eine großartig konzentrierte, gemeinschaftsbildende, urbane Anlage aus Sichtbeton und Sichtziegeln, mit der Barth quasi den Grundstein für die Südtiroler Nachkriegsmoderne legte.

»Denkmalpflege ohne Denkmalpfleger«

»Denkmalpflege ohne Denkmalpfleger« lautete entsprechend das Konzept von Walter Angonese, als er 2014 von Klaus Maran, dem Neffen und Erben Anna Ambachs, den Auftrag für die dann doch notwendige Renovierung übertragen bekam. Angonese weiß wie so etwas geht, schließlich hat er selbst als Architekt nach seinem Studium zwei Jahre im Bozener Denkmalamt gearbeitet. Aus Achtung vor dem Werk des Doyen der Südtiroler Schule sind alle Veränderungen im Seehotel unmerklich. Das Apartment von Anna Ambach-Weis wurde in eine Suite umgebaut; die ehemaligen Personalzimmer im EG sind nun auch Gästezimmer. Alle Bäder mussten allein schon wegen maroder Installationen erneuert werden. Die neuen, bewegungsfreundlichen Duschen wurden in das Rund der ehemaligen Toilettenanlagen gesetzt, mit dem Effekt, dass für die schmalen weißen Fliesen ein Layout entworfen werden musste, das der Quadratur des Kreises gleichkam. Die Zimmer wurden klimatisiert.

Ein ortsansässiger Schreiner/Restaurator arbeitete die Nadelholz-Möbel in den Zimmern – Bettgestelle, Wandpaneele und Borde, Schreibtisch und Schränke – sorgfältig auf. Die holzsichtigen Zimmertüren wurden so umgebaut, dass sie alle Brandschutzauflagen erfüllen und mit einer elektronischen Schließanlage versehen werden konnten. Abgelaufene Teppiche wurden durch neue der Original-Marke ersetzt. Der Büffet-Bereich des Restaurants wurde neu organisiert, die Terrasse zum See hin um eine Ebene erweitert.

Dank Walter Angoneses Konzept ist Othmar Barths mutiges Meisterwerk heute wie damals zu erleben. Das Seehotel Ambach liegt am Nordost-Ufer des Kalterer Sees mitten in einem Obst- und Weinbaugebiet. Parallel zur Hangkante und zur Erschließungsstraße verläuft eine hohe Schildmauer als eine Art Rückgrat der Anlage. Sie leitet den Ankommenden sanft hinab zum Eingang, der im Zwickel des östlich ausschwingenden Gebäudetrakts liegt, in dem Rezeption, Verwaltung und gut abgeschirmt die Küche untergebracht sind.

Wendet sich der Gast von der Rezeption nach rechts, öffnet sich die Schildmauer mit großem kreisförmigen Bogen und gibt den Blick frei in den südwestlichen Hotelflügel. Von diesem Punkt aus lässt der Architekt die Gäste das erste Mal das See-Panorama genießen. Der Blick gleitet über die runden frischbezogenen Polsterbänke der Lounge und die neuen Sofas einer unteren Ebene hinweg durch die hochliegenden Holzfenster hinaus auf die Uferwiese mit den alten Weiden, hinaus auf die glitzernde Wasserfläche und die Berge.

Es gibt wenige Hotelanlagen, in denen der Weg der Gäste so lustvoll architektonisch gestaltet ist. Am Fuß der Schildmauer setzt die angenehm flach gestufte Himmelsleiter an, die hinauf zu den mit Holzgittern bekleideten, bogenförmig ausschwingenden Galerien mit den Zimmern führt. Durch das Fensterband auf der Mauerkrone und das gläserne Segment im Dach ist diese Treppenhalle taghell und die Sonne legt ein wanderndes Schattengitter auf die weiße Spritzputzwand, die die Licht-Reflexion noch erhöht. Ist der Zielpunkt am Ende der Treppe erreicht, belohnt der Architekt die Mühe mit dem Blick durch das Glasdach hinauf zur Leuchtenburg, dem Wahrzeichen des Kalterer Sees.

Auf den geschwungenen Galerien werden jeweils zwei Zimmereingänge von den ausbuchtenden Dusch-Erkern flankiert, sodass ein zurückgezogen privater Zugangsbereich entsteht. Die leicht keilförmig geschnittenen Zimmer sitzen auf dem nach Südwesten ausgerichteten Kreissegment des Grundrisses ähnlich wie Kristallkegel im Facettenauge einer Libelle. Die Ortbetonbalkone vor den zimmerhohen Glasfronten gleichen der Wabenform einer Chitinlinse. Wie beim Insektenauge ergibt sich durch die Biegung der Fassade von jedem Zimmer (Einzelauge) aus ein geringfügig anderes Bild. Durch eine hohe ums Eck geführte Mauer jeweils auf der rechten Balkonseite hat der Architekt verhindert, dass der Nachbar Einblick nehmen kann.

Da die Balkonwaben in den beiden OGs unterschiedlich facettiert sind, ergibt sich der Eindruck des Verspringens der Achsen und eine unglaublich vielfältige, durch Schattenbildung verstärkte, plastische Wirkung der Fassade.

Gibt es Humor in der Architektur? Bei Barth findet man auch dies: Im nördlichen Spitz, dort wo der Kreisbogen der Südwestfassade die Gerade der Schildmauer schneidet, fehlt Platz für das obligate WC-Halbrund auf der Galerie. So drückt sich dieser Baukörper ab der ersten Etage aus der Schildmauer heraus, wie der Aborterker bei einer mittelalterlichen Burg. In der obersten Etage durchdringt dann auch die Ecke des letzten Zimmers die Schildmauer. Diese merkwürdigen Durchdringungen der Volumina an der Spitze des Gebäudes wecken die Neugier des Ankommenden, der in der Folge mit einer Vielzahl räumlicher Bilder beglückt wird, die mit der Landschaft und dem Licht in stetem Austausch stehen.

Angebotserweiterung

Als Klaus Maran das Seehotel übernahm, war ihm bewusst, dass das Haus in eine Kategorie gehört, von der Reisende heute etwas mehr erwarten als nur gute Architektur. Ein Wellness-Bereich sollte hinzukommen. Angonese und seine Kooperationspartner Flaim Prünster Architekten entschieden sich für den Typus des klassisch-modernen Pavillons, den sie aber in gebührender Entfernung zu Barths Hotelanlage unter hohen Bäumen am westlichen Grundstücksrand platzierten. Die Verlandungszone des Sees ist ein schwieriger Baugrund. So steht der aus gebürstetem, dunkel geöltem Schiffsholz konstruierte Bade-Pavillon auf Pfählen. Dabei scheint die auskragende Bodenplatte über dem Grün des Ufers zu schweben. Eine Hochwasserschutzmaßnahme. Die dunkle Farbgebung ist bewusst im Kontrast zum strahlenden Weiß der Hotelanlage gewählt. Die Architekten sprechen von einem »Schattenbau«, einem Bau im Schatten der Bäume und im Schatten des respektierten Landschaftsbauwerks Othmar Barths.

Der polygonale Pavillon ist mit seinen drei weit geöffneten Armen genauso landschaftsorientiert wie Barths Bauwerk: Jede Gebäudeachse nimmt ein bestimmtes Motiv ins Blickfeld: Das Hotel mit seiner Terrassenanlage, das Schilfufer und die Berge. Im Glaspavillon sind drei fünfeckige raumhohe Boxen um den zentralen von oben belichteten Whirlpool eingestellt, je eine Box für das Dampfbad, die Finnische Sauna und den Regenraum.

Weil die letzten Sommer so heiß waren, dass sich im wärmste Badesee Südtirols Stachelalgen verbreiteten, bat Maran die Architekten auch noch ein Pool zu entwerfen. Die Architekten mussten noch einmal die Positionen, Sichtachsen und Wegeverbindungen überdenken. Für die Landschaftsplanung holten sie sich den portugiesischen Landschaftsarchitekten João Nunes von PROAP mit ins Boot. Das Ergebnis ist überzeugend und doch verändern Badehaus und der 20-m-Pool den Charakter des Seeufers, das jetzt weniger als Biotop denn als Park wirkt.

Grundriss 1. OG: Walter Angonese mit Flaim Prünster Architekten
Grundriss EG: Walter Angonese mit Flaim Prünster Architekten

  • Standort: Seehotel Ambach, Klughammer 3, I-39052 Kaltern

    Bauherr: Familie Klaus Maran, Kaltern
    Architekten: walter angonese architekt, Kaltern,
    mit flaim prünster architekten, Bozen
    Mitarbeit: jacopo vantini und vg13
    Landschaftsarchitektur: Proap, Lissabon (Joao Nunes)

Unserer Kritikerin Ira Mazzoni war das Glück beschert, im Hotel Ambach ein zwei Tage zu verbringen. … das sie vorher nicht kannte und entsprechend als eine echte Entdeckung erlebte.

Ira Mazzoni
Literatur- und Kunsthistorikerin. Freie Journalistin und Fachbuch-Autorin, u. a. mit Schwerpunkt Baukultur (Denkmalpflege, Architektur, Städtebau, Landschaftsplanung). 2004 Journalistenpreis Deutsches Nationalkomitee für Denkmalpflege, 2011 Literaturpreis DAI.

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