Architekten: gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Krentel
Kritik: Anke Geldmacher
Fotos: Christian Gahl
Theater sind repräsentativ und oftmals opulent gestaltet: Schmuckreiche Fassaden, Vorplatz, großer Eingang, Foyer, viel Tamtam. So auch beim Deutschen Theater (DT) in Berlin, erbaut 1849-50 von Eduard Titz. Die dazugehörigen Probebühnen führen ein Dasein in zweiter Reihe. Sie liegen versteckt und sind kaum zu finden – von einem großen Vorplatz und großem Aufsehen ganz zu schweigen. Aber das brauchen sie ja auch nicht. Im Grunde ist das neue Probebühnenzentrum des Deutschen Theater wie eine Souffleuse: Es hält sich verdeckt am Bühnenrand, aber ohne gerät das Stück ins Stocken. Hier spielt die Musik, bevor auf der großen Bühne der Vorhang fällt. Hier werden Texte gelesen, Bühnenbilder ausprobiert und natürlich die Stücke geprobt. Dazu kommt der beachtliche Teil an Lager und Logistik: Um dem anspruchsvollen Theaterpublikum ausreichend Abwechslung bieten zu können, wechseln die Stücke innerhalb einer Spielzeit mehrfach munter durch. Mit nur einem Stück, das über die gesamte Saison gespielt wird, kann sich kaum ein Haus mehr sehen lassen – schon gar nicht in der Hauptstadt mit annähernd 100 Spielstätten. Dadurch müssen Kulissen häufig auf- und abgebaut sowie gelagert werden. Zudem benötigt das Theater einen Ort, an dem Bühnenbilder entwickelt und ausprobiert werden können. Das muss nicht zwangsweise in direkter Nachbarschaft passieren, doch je näher dies zur Spielstätte ist, desto komfortabler und einfacher gestalten sich die Arbeitsabläufe. Das neue Probebühnenzentrum des DT bietet genau diesen Komfort und führt erstmals den gesamten Probenbetrieb des Theaters an einem zentralen Ort zusammen.
Werkstattcharakter
Bis auf die Höhe und die geringere Größe der Kammerspielbühne sind alle drei Probebühnen gleich ausgestattet: Hochwertiger Bühnenboden, Wandbekleidungen aus Multiplex, darüber schwarze Heraklithplatten für die Raumakustik sowie umlaufende schwarze Vorhänge und eine schwarze Gitterdecke bzw. der Schnürboden der oberen Bühne. Alle Bühnen verfügen über eine Drehscheibe, wie sie auch auf den Originalbühnen eingebaut ist. So lassen sich die Bühnenbilder unkompliziert bewegen und die Abläufe während der Aufführung originalgetreu ausführen. Aus Kostengründen sollte zunächst auf eine der Drehscheiben verzichtet werden, eine großzügige Spende des Fördervereins ermöglichte auch die dritte. Die beiden großen Bühnen verfügen zudem über eine umlaufende Galerie für Scheinwerfer und Tontechnik. Viele Probebühnen sind große schwarze Räume, in denen man schnell die Tageszeit und den Außenbezug vergisst. Hier sorgen die schmalen, vertikalen Fensterbänder für Tageslicht. Besonders beliebt sind die Fenster auch, um sich zwischendurch eine Zigarette anzuzünden, wenn es beim Proben einmal emotionaler wird. In den Räumen ist der Nutzer der Chef: Mit nur wenigen Handgriffen lässt sich der helle Raum mit freien Holzoberflächen und Tageslicht in eine fast völlig schwarze Umgebung verwandeln, die sich gestalterisch zurücknimmt. Die Wände müssen robust sein, da oft geschraubt, gehämmert und getackert wird. In der bereits vorhandenen Probebühne 1 in einem der Nebengebäude des DT sind die Wände mit OSB-Platten bekleidet. Diese reißen leicht aus und sehen schnell nicht mehr schön aus. Multiplex war hier eine verhältnismäßig günstige und attraktive Alternative. Sollten die Platten irgendwann zu abgenutzt sein, können sie einfach abgeschraubt und ausgetauscht werden. Wie praktisch, dass sich die Holzwerkstatt nur wenige Meter entfernt befindet.
Insgesamt sind die Räume sehr flexibel und funktional. Sie bieten Nutzern viele Möglichkeiten, ordnen sich unter und unterstützen die Kreativität der Theaterschaffenden. So wurden z. B. die Teeküchen und Garderoben, die sich auf jeder Etage befinden, vom DT selbst ausgestattet. »Wir haben uns bemüht, ein sehr stabiles Haus zu bauen, das dies alles aushält. Das Deutsche Theater ist nicht zimperlich mit dem Gebäude und darf das auch«, sagt Architekt Christian Hellmund zum gewollten Werkstattcharakter. Aufgrund der Materialien und der klaren Gestaltung ist das Probebühnenzentrum eine vergleichsweise schicke Werkstatt.
In den Treppenhäusern rückten die Architekten ein wenig vom Werkstattcharakter ab: Hölzerne Brüstungen und roter Boden verleihen ihnen ein elegantes Erscheinungsbild. Die Farbe kommt nicht von ungefähr: Bodenbeläge, Wandfarben und Innentüren sind im Corporate Design des DT festgelegt und gelten auch für das Probebühnenzentrum. Dies unterstreicht die Wertschätzung und zeigt, dass der Neubau eben doch etwas mehr als ein Funktionsbau ist.
- Standort: Schumannstraße 13A, 10117 Berlin
Bauherr: Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Architekten: gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Berlin
Entwurf: Meinhard von Gerkan und Stephan Schütz mit Nicolas Pomränke
Projektleitung: Christian Hellmund, Stephanie Brendel
Mitarbeiter: Madeleine Kindermann, Philipp Buschmayer, Florian Illenberger, Ivanka Perkovic, Markus Busch, Chris Hättasch, Xiaoan Hu, Stefan Both, Sonja Kautz, Johannes Waldschmidt
Bauleitung: Christopher Rohner, Mario Roßner, Frank Julius Hüpeden
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Krentel, Berlin
Projektsteuerung: Strempel & Große Ingenieurgesellschaft, Berlin
Bauphysik und -akustik: Ingenieurgesellschaft BBP Bauconsulting, Berlin
Gebäudetechnik: Ingenieurgesellschaft W33, Berlin
Bühnentechnik: Theater- und Versammlungsstättenbau Wibbeke & Penders, Berlin
Brandschutz: hhpberlin – Ingenieure für Brandschutz, Berlin
BGF: 4 426 m²
BGF Probebühnen: Kammerspiele: 223 m² , DT 1: 493 m² , DT 2: 469 m²
Baukosten: 12,5 Mio. Euro
Bauzeit: 2013 bis 2018 - Beteiligte Firmen:
Metallfassade: Schüco International, Bielefeld, www.schueco.com
Beschichtung Lisenen: IGP Pulvertechnik , Wil, www.igp-powder.com
WDVS/Putz: Sto, Stühlingen, www.sto.de
Fassade Betonfertigteile: Hemmerlein Ingenieurbau, Bodenwöhr, www.hemmerlein-sichtbeton.de
Bodenbelag Flur/Treppenhaus: Gerflor DLW, Delmenhorst, www.dlw.de
Bei der Besichtigung nutzten db-Redakteurin Anke Geldmacher und Architekt Christian Hellmund die Gelegenheit, die mittlere Probebühne zu entern – mit freundlicher Genehmigung des Bühnenbildners. Dieser bestätigte auch gerne die guten Arbeitsbedingungen, auch wenn er die Bühne im obersten Geschoss aufgrund der Höhe klar bevorzugt.
gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner



Meinhard von Gerkan
1965 Bürogründung mit Volkwin Marg. 1974 Professur an der TU Braunschweig. 2007 Gründung der Academy for Architectural Culture (aac). U. a. Ehrendoktorwürde und Ehrenprofessur an zwei chinesischen Universitäten, Großer Preis des BDA, Bundesverdienstkreuz.
Stephan Schütz
Studium der Architektur. Seit 2006 Partner im Büro von Gerkan, Marg und Partner. Leitung der gmp-Büros Berlin, Peking und Shenzhen.
Nicolas Pomränke
Studium der Architektur. Seit 2010 assoziierter Partner im Büro von Gerkan, Marg und Partner. Projektleitung u.a. in China und am Kulturpalast Dresden.