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Öffentlicher Raum in privater Hand

Das Überseequartier
Öffentlicher Raum in privater Hand

Ein Wald von Baukränen entlang des Magdeburger Hafens kündigt ein weiteres ehrgeiziges Großprojekt an: Das Überseequartier wird die City der »neuen Stadt«. Anstelle eines geschlossenen Einkaufszentrums als offener Straßenverlauf angelegt, wie ein Stück »normale Innenstadt«, werden hier die Prinzipien einer Mall auf 13 Einzelbauten übertragen – inklusive der privaten Entwicklung des Quartiers aus einer Hand.

Text: Gisela Schütte

Das Überseequartier ist mit rund 275 000 Quadratmetern Fläche und einem Investitionsvolumen von rund 800 Mio. Euro die bislang größte Tranche der HafenCity. Als gewerbliches Zentrum des gesamten Entwicklungsgebietes soll es die Quartiere im Westen und Osten ebenso wie die Innenstadt mit der Elbe verbinden. Die Vergabe in einem Stück an ein niederländisch-deutsches Konsortium aus drei Investoren ist sehr umstritten. Der Hamburger Senat hatte diesen Schritt 2003 beschlossen, weil »die erfolgreiche Belegung der Einzelhandelsflächen in einer Hand liegen sollte«. Anders als einzelnen Händlern sei es nur einem großen Investor möglich, in einem festen Zeitrahmen eine »Adresse« zu entwickeln, die schnell die erforderliche Frequenz von Passanten anziehe, begründet der Hamburger Oberbaudirektor Jörn Walter unter anderem diesen Schritt. So könnten die Geschäfte parallel eröffnet und die Belegungen aufeinander abgestimmt werden. Ein über 1000-seitiges Vertragswerk regelt die Auflagen der Stadt. Zudem schloss der Verkauf der Filetstücke entlang des Magdeburger Hafens die Realisierung des Kreuzfahrtterminals samt Hotel und des von Rem Koolhaas entworfenen Science Centers mit Aquarium ein, die zum Vergabe-Paket gehörten.
Wo sich heute noch eine riesige Baugrube befindet, nur einen Steinwurf vom Kaispeicher B entfernt, entsteht ein Ort für 1000 Bewohner (450 Wohnungen), bis zu 7000 Beschäftigte und angestrebte 40 000 Besucher täglich. Als Ergänzung zur Hamburger Innenstadt soll der Einzelhandel im Überseequartier jedoch mehr den touristischen und Freizeit-Bedarf decken und somit zusätzliche Passanten anziehen, anstatt dem kränkelnden Einzelhandel der Innenstadt weitere Konkurrenz aufzubürden.
Hafencity Boulevard
Das Konzept für das Projekt unterscheidet sich gleich in mehrfacher Hinsicht vom Auftakt der HafenCity im Westteil: Wurden am Sandtorkai Einzelbauten addiert und am Kaiserkai neben der zukünftigen Elbphilharmonie kleine Gebäudegruppen formuliert, so soll das Überseequartier mit seinen 13 Einzelgebäuden zu einem dichten Stadtviertel mit zentralem »Boulevard« verschmelzen: gestalterisch durch Blockrandbebauung und klar gefasste Straßenzüge und inhaltlich durch das Konzept einer innerstädtischen Nutzung im Sinne der europäischen Stadt mit einer Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Läden, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen. Bis 2011, wenn auch die neue U-Bahn-Linie U4 in die HafenCity fährt, soll alles fertig sein.
Die jetzige Realisierung basiert auf einer ganzen Kaskade von Wettbewerben, die über den Städtebau, die einzelnen Bauvorhaben und die Freiraumgestaltung entschieden. Durch die Entwicklung aus einer Hand und den übergreifenden städtebaulichen Entwurf soll hier am Magdeburger Hafen nach dem Wunsch der Stadtplaner ein Viertel aus einem Guss entstehen – trotz der Vielzahl der beteiligten Architekten und ihrer höchst gegensätzlichen Auffassungen und Arbeitsweisen: Da baut ein eher auf Opulenz versessener Erick van Egeraat im Herzen des Quartiers ein Wohnhaus mit einer splittrigen Fassade, die wie die Renaissance der Backsteingotik wirkt, neben einem Wohn- und Geschäftshaus der geradlinigen Hamburger nps tchoban voss.
Vielversprechend erscheint die Tatsache, dass die Planer im Norden des Quartiers über das Material Backstein den optischen Anschluss an die Speicherstadt suchen. Brückenkopf ist ein Wohn- und Geschäftshaus der Arbeitsgemeinschaft Trojan+Trojan und Dietz Joppien, auch dieses in hanseatischem Backstein. Damit soll die städtebauliche Verbindung zwischen dem gründerzeitlichen Speicherquartier, das Anwärter auf das Weltkulturerbe ist, und der aktuellen Vision der europäischen Innenstadt geschaffen werden. Genau diese Verknüpfung hatte das Entree in die HafenCity, die Häuserzeile am Sandtorkai versäumt, die mit Einzelbauten im gleichen Umriss und einem Material- und Stilmix wie aus dem Musterbuch gegen den übermächtigen Gründerzeitbackstein in seiner harmonischen Überzeugungskraft zu konkurrieren versucht.
Am Elbufer wird das Überseequartier seinen Höhepunkt erreichen: Hier wird Erick van Egeraat zwei Türme mit wabenartigen Fassadenstrukturen bauen, flankiert von Massimiliano Fuksas Kreuzfahrtterminal und Luxushotel – ein Gebäude wie eine getuschte Welle auf einem kantigen Sockel – und Koolhaas’ Riesenrad der Wissenschaft – eine Wasserfront mit dem Auftritt von Solisten. •
Bauherr: ING Real Estate, SNS Property Finance, Groß & Partner
  • 1–3 Gebäudeblöcke Arabica, Java und Ceylon: Trojan, Trojan Wendt, Darmstadt und Dietz Joppien, Frankfurt / Main
  • 4 Gebäudeblock Pacama: nps tschoban voss, Hamburg
  • 5 Gebäudeblock Cinnamon und Hafenamt: Bolles + Wilson, Münster
  • 6 Gebäudeblock Sumatra: Erick van Egeraat, Rotterdam
  • 7 Gebäudeblock Virginia: Böge Lindner, Hamburg
  • 8 Gebäudeblock Silk: Léon Wohlage Wernik, Berlin
  • 9 Gebäudeblock Linnen: BDP, London
  • 10 Gebäudeblock Palisander: KSP Engel & Zimmermann, Frankfurt / Main; Ortner & Ortner, Wien; Allies and Morrison, London
  • 11 Science Center: OMA, Rotterdam
  • 12 Waterfront Towers: Erick van Egeraat, Rotterdam
  • 13 Cruise Center mit Hotel: Massimiliano Fuksas, Rom
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