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…in die Jahre gekommen – Musikhochschule

Musikhochschule Köln, 1973 – 77
…in die Jahre gekommen – Musikhochschule

Die Musikhochschule Köln ist ein Werk jener Generation, der Architektur sowohl als Ausdruck als auch Förderinstrument sozialer und städtischer Prozesse war. Das Miteinander zu gewähren, den Bestand nicht zu verachten, das Neue zu wagen – diese Haltungen werden im Bau repräsentiert. Doch hat bei aller Achtung vor Mensch, Umwelt und sozialem Kontext die Architektur als Objekt eine Eigenständigkeit bewahrt, die sie über die Zeit, in der sie entstand, hinaus wertvoll macht. Cologne’s High School for Music is a product of that generation for which architecture was an expression of, as well as promotional instrument for, social and urban processes. The furtherance of a mixture – tolerance of the existing and creation of a new form – is the approach represented in this building. By all respect for people, environment and social context, the architecture has retained an originality which makes it valid beyond the time in which it was conceived.

Text: Olaf Winkler

Fotos: Wilfried Dechau u. a.
Konservierte Zeit, die Pforte ein Wieder-Eintritt? Jedenfalls verblüfft, wie wenig sich hier verändert hat: Noch immer jenes leuchtende Grün, Gelb, Rot der Türen, Trennwände und Sitzbereiche vor den Sichtbetonsäulen der geduckten Foyerlandschaft, noch immer das Labyrinthisch-Belebte eines Raums, der in flachen Winkeln aus dem Blickfeld fließt. Dieser Bau scheint ein Kokon, seiner Umgebung verwandt und fremd zugleich, gerade weil er sich so erstaunlich einfügt in das enge Viertel rundum. Der Innenstadtring ist so nah wie der Rhein, das Kunibertskloster nur Schritte entfernt; der südlichen Gasse Unter Krahnenbäumen, die zum einst verruchten Eigelstein hinüber läuft, hat die Chargesheimer Gesellschaft mit einem Fotoband ein Denkmal gesetzt. All das sind Indizien einer komprimierten Stadtidentität– im Innern aber, wenn man im Studentenalltag lauscht, klingen Englisch und Deutsch durcheinander, Koreanisch zuweilen, keinesfalls Kölsch. Und das seit rund drei Jahrzehnten.
Haltung gegenüber Mensch und Stadt Bereits 1969 gewann eine Gruppe junger Kölner Architekturbüros, just vereint unter dem Namen Bauturm, den Wettbewerb für die Musikhochschule Köln; bis 1977 hat sie, nun als Werkgruppe 7 und Bauturm, ihre Pläne in zwei Abschnitten realisiert. Seitdem hat sich der von der damaligen Aufbruchstimmung geprägte Bau für die ihm innewohnende Institution erstaunlich bewährt, mehr als etwa das der gleichen Epoche entstammende Philosophikum der Universität, auch weil er gerade in der Dichte der Stadt bis heute als hochdifferenzierte Entität erscheint. Tatsächlich sind das – trotz der zuweilen brutalistischen Materialität und Geometrie – moderate äußere Bild und seine Innenwelt unmittelbar verwandt. Der Entwurf wurde von innen heraus entwickelt, und das meint auch: in dezidierter Ablehnung eines Solitärs, der das Quartier gesprengt hätte. Stattdessen hat sich, unter Herausarbeitung der historischen Gassenprofile, ein zerklüftetes Körperensemble rund um einen erhöhten Innenhof in die Blockumrisse eingefunden, das sich als Übersetzung der umgebenden Kleinteiligkeit lesen lässt: humaner Städtebau als Maßstabsfrage – nicht historisierend, sondern gemäß eigener Notwendigkeiten. Thema war weder die Anbiederung noch eine artifizielle Autonomie, sondern die Relation sozial verstandener Orte.
Was sich im Äußeren also verbot, weil es zur Wuchtigkeit geraten wäre, wurde im Inneren zum Initial: die Ausformung relativ klarer, weil zweckmäßiger Raumtypen für die einzelnen (Teil-)Funktionen, in fließenden Flächen derart platziert, dass sie ablesbare Identitäten innerhalb eines nahezu stadtgleichen Gefüges werden. Zusammenhalt stiftet eine sprachverwandte Gestaltung bis ins technische Detail, zu der beispielhaft auch die frühe, durch den Kontakt Peter Busmanns angeregte Einbindung des Künstlers Barna von Sartory beigetragen hat. Nachdrücklich wandte sich die Planung damit in der Hoch-Zeit der Studentenproteste gegen jede durch traditionelle Autoritäten geprägte Hierarchie. So bilden der hochgestemmte Bibliotheksquader im Süden mit anschließendem Verwaltungstrakt, das klar gegliederte »Übehaus« im Westen oder der sechseckige Kammermusiksaal differenzierte, doch gleichwertig verschränkte Raum- und Körperfolgen. Im Zentrum aber ruhen die eingesenkte Aula als Konzert- und Opernsaal, darüber ein offener, als Pausen- und öffentlicher Konzertraum gedachter »Markt«.
Architektur, nicht Hülle oder Programm Tatsächlich sei für ihre Vorstellungen, so Erich Schneider-Wessling im Rückblick, die Musikhochschule mit ihrer per se relativ großen Nähe zwischen Studenten und Professoren ideal gewesen. Dennoch war es eben nicht das Programm, sondern die Architektur selbst, die schon durch die Dopplung im Kern der öffentlichen Aufführung eine zweite soziale Funktion gleichwertig zur Seite stellte: das durch Kommunikation geprägte Miteinander. Neben jener zentralen Konstellation, die später bei der Kölner Philharmonie von Busmann & Haberer prägend wiederkehrte, rückt damit auch die Foyerlandschaft zurück ins Blickfeld. Nur auf den ersten Blick Restraum, wird sie als bewegte »Straße« zum eigenständigen Vermittler, der, im Osten hinaufreichend bis in den zweiten Stock, Rückzüge für die halbprivate Zusammenkunft bereithält. Sie führt an die damals »skandalösen«, ungewohnte Einblicke bietenden Panoramascheiben zur Aula und zum Kammermusiksaal ebenso heran, wie sie die sich in alle vier Himmelsrichtungen öffnenden Eingänge des Gebäudes verbindet und damit den inneren mit dem äußeren Stadtraum verwebt. Die Stadt sollte hineinfließen können, im Lehr-Alltag und zu den noch heute stattfindenden Konzerten, wie auch der Bau in das Viertel ausstrahlte: Ein Spielplatz wurde angelegt, die südliche Gasse mit Bäumen bepflanzt, der »Markt« zum öffentlichen Ort deklariert. Oder, wie Peter Trint es heute fasst: »Wir wollten die Fläche zurückgeben, die wir für den Bau genommen hatten.«
Erfüllt haben sich diese Zielsetzungen allerdings nur zum Teil. So wurde der Spielplatz nicht angenommen und musste wieder entfernt werden, den ersten Konzerten im Hof folgten wirksame Proteste der Anwohner. Vor allem aber wurden aus Sicherheitsgründen bis auf das Hauptportal schnell alle Zugänge verschlossen, selbst Versuche, die Windfänge als Überäume zu annektieren, längst wieder unterbunden. Am kleinen Platz im Norden stehen heute öfter kiffende Jugendliche der Nachbarschaft, und während selbst die weiten Scheiben des Foyers vor dem dunklen Inneren eher als Spiegel denn als Einladung wirken, hat sich der Passagengedanke nicht einlösen können. Umso erstaunlicher daher, dass die Aura des Gebäudes dennoch fortwirkt; die Ideale, die ein mündiges Stadtbürgertum imaginierten, aber nicht zu implementieren vermochten, haben doch wirksame Spuren hinterlassen. Feindseligkeit geht von dieser Institution nirgends aus, sie wirkt, trotz allem, nicht nur bei öffentlichen Aufführungen eigenartig zugänglich und hat die Identität des Viertels gefestigt. Vom Inneren profitieren, trotz mancher Unzulänglichkeiten, die Studenten; der Städtebau offenbart sich weniger als eine Frage tatsächlicher Verquickung, denn als Haltung, die dieses Gebäude repräsentiert.
Die Justierung der Wahrnehmung Das also wäre die eigentliche Veränderung im Laufe von dreißig Jahren, während bauliche Eingriffe fast ausblieben. Die integrierten Sitzlandschaften wichen – etwas unbequemen – Gitterschalen, als die Stoffbezüge nicht mehr zu reinigen waren. Die Betonfassade des Übehauses wurde ohne Rücksprache mit den Architekten verputzt, und die Verwaltung ist in Proberäume im Westtrakt umgezogen. Schallschutzaufwendungen dort sind somit praktisch verschwendet; dies und Überlegungen, einen Raum der Stille einzurichten, hatten vor wenigen Jahren auch zu ersten Erweiterungsskizzen geführt, die mittlerweile wieder vom Tisch sind. Heute würde man andere Formen und Farben, dabei keineswegs weniger reduzierte Materialien bevorzugen und sich schlicht mehr Licht, mehr Raum statt Fläche wünschen. Die städtische Tauglichkeit des Entwurfs aber hat sich über die Zeit erwiesen – vielleicht auch, weil die Nutzung selbst eine so eigene Balance zwischen konzentriertem Rückzug und urbaner Relevanz hält. Ähnliches gilt übrigens für die Struktur der verantwortlichen Büros. Alle blieben autonom und doch freundschaftlich verbunden, jene, die wie Peter Trint als Werkgruppe 7 mehr Distanz wählten, ebenso wie Peter Busmann, heute Busmann + Haberer, und Erich Schneider-Wessling im Bauturm. Samt Café und zugehörigem Theater bezeichnet dieser Name heute einen Kölner Ort, über den Manfred Sack schrieb: »Und wenn schon keine fusionierte Bürogemeinschaft, so hatte den Beziehern des Hauses auf jeden Fall die Gemeinsamkeit des Denkens und der Haltung und das – frei gewählt, nach Bedarf in Anspruch genommene – Miteinander vorgeschwebt. […] Die Idee vom Bauturm hat funktioniert. Jeder bliebe er selbst, nur im Programm war man sich einig.« Noch immer darf man dies auch als bedenkenswerte städtische Metapher lesen. O. W.
Bauherr: Land Nordrhein-Westfalen Oberleitung: Staatshochbauamt Köln Planung und Bauleitung: Werkgruppe 7 und Bauturm, Köln, mit den Architekturbüros: Peter Busmann, H. P. Hachenberg, Jürgen Pahl, Walther Ruoff, Erich Schneider-Wessling, Peter Trint, Erwin H. Zander Federführung: Peter Trint Projektleiter: Herbert Karrasch Oberleitug: Karlernst Vetter Örtliche Bauleitung: Klaus Pfeil Mitarbeiter: Monika Adolphi, Eduard Burger, Norbert Hanzen, Rainer Krick, Dalia Lapidot Beleuchtung: Dinnebier, Wuppertal Bau- und Raumakustik: Graner, Bergisch-Gladbach Bühnentechnik: Münter und Biste, Berlin Gartenarchitekt: Georg Penker, Neuss Integrierte künstlerische Gestaltung: Barna von Sartory, Berlin
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