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Hotel Schgaguler in Kastelruth Peter Pichler Architecture

Alpenpanorama
Hotel Schgaguler in Kastelruth

Ziemlich cool, aber dabei zu clean? Das jüngst erneuerte und erweiterte Hotel Schgaguler in Kastelruth punktet mit grandioser Aussicht, formidabler Einrichtung und erstklassigem Service. Das von Glasflächen und Gitterstrukturen dominierte Erscheinungsbild indes wirft die Frage auf, ob solch eine kreideweiß leuchtende, der Reduktion huldigende Architektur ins alpine Umfeld passt.

Architekten: Peter Pichler Architecture
Tragwerksplanung: Baucon

Kritik: Klaus Meyer
Fotos: Oskar Dariz, Martin Schgaguler, René Riller

Ein Wald von Giebeln, und alle recken sie sich zur Sonne: So begrüßt das Dorf den Besucher, der von Südwesten auf der Landesstraße 24 anreist. Die schiere Masse der Häuser, dazu ihre Größe, ihre einheitliche Ausrichtung, v. a. aber das strahlende Weiß der Putzflächen und das glänzende Braun der lackierten Holzbalkone vermitteln den Eindruck, dass man sich nicht auf ein beschauliches Südtiroler Bauerndorf zubewegt, sondern auf eine krass beliebte Feriendestination. Und so ist es ja auch. Kastelruth lebt fast ausschließlich vom Tourismus, was nicht verwundert, denn die hoch über dem Eisacktal zwischen Brixen und Bozen gelegene Marktgemeinde hat ihren Gästen aus aller Welt einiges zu bieten: atemberaubende landschaftliche Schönheiten wie etwa die Seiser Alm oder den Naturpark Schlern-Rosengarten, kulturgeschichtlich bedeutende Schätze wie etwa die Burg des spätmittelalterlichen Dichterkomponisten Oswald von Wolkenstein, musikalische Schmankerl etwa von den »Kastelruther Spatzen«, der Supergroup des volkstümlichen Schlagers, und vieles mehr. Solch ein Ort glänzt selbstverständlich auch mit Beherbergungsbetrieben, die keine Wünsche offen lassen. Allein zwölf Vier-Sterne-Hotels liegen auf dem Kastelruther Gemeindegebiet, eines davon ist das kürzlich renovierte und erweiterte Hotel Schgaguler.

Man muss nicht lange danach suchen. Die drei rückwärtigen Giebelfronten des erneuerten Hotels sind unmöglich zu übersehen. Dabei ist es nicht so sehr die Größe der Anlage, die ins Auge springt. Wie die ebenfalls hoch aufragenden Nachbargebäude steht auch das Hotel an einem Steilhang und tritt nur an der Südseite als fünfgeschossiger, auf einem breiten Sockel errichteter Koloss in Erscheinung. Nein, spektakulär sind die Glasfassaden mit ihrem vorspringenden Gitterwerk und den Loggien in den Zwischenräumen. Die Frage, wie gut solch eine demonstrativ coole Glaskastenarchitektur in die Südtiroler Berglandschaft passt, steht sofort im Raum.

Sie verliert allerdings deutlich an Schärfe, wenn man sich das Hotel von vorne anschaut. Zwar weisen die Nordfassaden eine ähnliche Gitterstruktur auf, doch ragen die zur Dolomitenstraße blickenden Giebelfronten nur um drei Geschosse auf, und allein die geringere Höhe nimmt der Rasterfigur viel von ihrer schneidenden Dominanz. Hinzu kommt, dass die Eingangsseite nicht durch gleichförmige Waben gegliedert wird, sondern durch unterschiedlich große Glasflächen, die teils mit Vorhängen bestückt sind, teils aber auch einen freien Einblick ins Innere gewähren.

Times change

Dort erwartet den Besucher ein Ambiente, in dem neben hellem Holz und modernem Mobiliar die Freundlichkeit der Hoteliersfamilie Schgaguler den Ton angibt. Die Geschäfte führen nach wie vor die Eheleute Elisabeth und Gottfried, doch die jüngste Modernisierung des alteingesessenen Betriebs haben v. a. deren erwachsene Kinder, die Geschwister Sandra, Martin, Tobias und Peter initiiert und vorangetrieben. Bereits zuvor hat das Schgaguler einige bauliche Veränderungen erfahren. Dem heutigen dreigliedrigen Komplex liegt ein 1986 errichtetes Gebäude zugrunde, das um ein Geschoss niedriger war. 2002 erneuerten die Inhaber den Aufzug und erweiterten das Stammhaus im Westen um einen Anbau, in dem ein Restaurant und ein Spa-Bereich untergebracht wurden. Erst dank dieser neuen Angebote entwickelte sich das Schgaguler allmählich von einer Apartment-Residenz zum Hotel. Anfangs hatte die Familie lediglich Ferienwohnungen vermietet, doch dieses Geschäftsmodell geriet mit den Jahren ins Wanken, weil die Urlauber immer mehr dazu neigten, sich auf Bauernhöfen einzuquartieren. Nachdem sich die Schgagulers 2014 entschlossen hatten, die Verwandlung ihres inzwischen schon recht noblen Beherbergungsbetriebs in ein erstklassiges Hotel durch eine konsequente bauliche Erneuerung des Stammhauses zu krönen, luden sie sieben Architekturbüros zu einem Gestaltungswettbewerb ein. »Einige Planer wollten uns einen Stadel-Look verpassen«, sagt Tobias Schgaguler, »aber hier im Ort dominieren steinerne Häuser, und wir wollten keinen Kitsch, sondern etwas Echtes.« Am Ende entschied man sich für den Entwurf von Peter Pichler, der aus Bozen stammt und gut mit Martin Schgaguler befreundet ist.

Die Bauarbeiten begannen im März 2018 und dauerten lediglich drei Monate. Der westliche Anbau, das Sockelgeschoss mit der Tiefgarage und der Aufzug blieben von der Skelettierung des Stammhauses ausgenommen. Der Neubau entstand in Massivbauweise, lediglich das aufgestockte DG wurde in Leichtbeton und Brettsperrholz (KLH) gefertigt. Auch die Tragstruktur der dem Baukörper vorgelagerten Loggien ist aus Brettsperrholz, das mit Aluminiumblech und Fiberglas umfasst und anschließend verputzt wurde. Dass die Hotelzimmer hinter den Loggien ungewöhnlich lang sind, hat mit der Grundrissgliederung des Vorgängerbaus zu tun. »Das Stammhaus wurde 1986 ja nicht als Hotel gebaut, sondern als Residenz mit voll eingerichteten Ferienwohnungen«, erklärt Tobias Schgaguler. Diese lang gestreckten Einheiten mit Küche, Bad und Schlafzimmer in einer Reihe blieben der Struktur nach erhalten und nehmen die Hotelzimmer auf.
Doch auch Umstrukturierungen wurden vorgenommen. Im Parterre etwa entstand ein offener Großraum, der repräsentative, ökonomische und soziale Funktionen optimal in sich vereinigt. Er umfasst das Entrée, das Foyer, die Rezeption sowie die um ein halbes Stockwerk tiefer liegende zweigeschossige Bar, von der aus man auf eine weitläufige Terrasse gelangt. Auch das Restaurant im Westflügel erhielt einen neuen Zuschnitt. Hinter der Nordfassade schließlich, ehemals ein Potpourri aus Rundbögen, Holzbalkonen und Türmchen, liegen nun die Erschließungsgänge, die sich mit geschosshohen Fenstern zur Straße hin öffnen.

Eigenes und Erlesenes

Ohnehin spielen große Glasflächen eine gewichtige Rolle bei der Neugestaltung des Hotels. In praktisch jedem Raum gewähren sie teils grandiose Ausblicke auf das Dorf oder den Hausberg Schlern, außerdem erzeugen sie eine Atmosphäre von Transparenz und Modernität. Dazu passt das Interiordesign bestens. Bei der Ausstattung konzentrierten sich Peter Pichler und Martin Schgaguler, der als Designer und Fotograf tätig ist, auf wenige Materialien. Dielenböden, Wandbekleidungen und Einbaumöbel sind aus Kastanienholz. Wo die Wände nicht vertäfelt sind, präsentieren sie sich mit einem Strukturputz in verschiedenen Weiß- und Grautönen. Wo keine Dielen verlegt wurden, bilden Kunstharzböden eine ebenso ansprechende Alternative.

Erlesene Möbel wie etwa Hans J. Wegners »Wishbone Chair« oder der japanische Stahlrohrsessel »NychairX« unterstreichen den puristischen Ausdruck der Räumlichkeiten. Künstlerische Akzente setzen groß gezogene Fotos von Martin Schgaguler, der in der Serie »Saxum« Impressionen aus der Bergwelt der Dolomiten eingefangen hat.

Die erste Wintersaison nach der Neueröffnung sei gut gelaufen, berichtet Tobias Schgaguler. Besonders deutsche Gäste würden den »nordischen Touch« des Hotels schätzen. Aber auch im Ort habe es viel positives Feedback gegeben. Offenbar sehen die Einheimischen die Sache mit der Glaskastenarchitektur weit weniger kritisch als manch ein Tagesausflügler aus der Großstadt. Und wahrscheinlich haben sie recht. Schließlich ist Kastelruth schon lange kein Bergbauerndorf mehr. Zwar findet man dort noch den ein oder anderen urtümlichen Stadel, zwar gibt es die prachtvolle barocke Kirche St. Peter und Paul, das frühneuzeitliche Rathaus und viele altehrwürdige Gebäude wie die Gasthöfe »Turm« oder »Goldenes Rössl« – außerdem das vom ortsansässigen Büro Senoner Tammerle Architekten erneuerte »Hotel Lamm«, das völlig zu Recht für den Architekturpreis Südtirol 2019 nominiert wurde, aber es gibt auch viele Belanglosigkeiten, Bizarrerien, Bausünden. In diesem bunten Allerlei macht das Hotel Schgaguler mit seinem von ferne an Berggipfel erinnernden Giebelensemble eine recht passable Figur – und wenn man die inneren Werte des Hauses mit bedenkt, muss man sagen: Kastelruth ist um eine Attraktion reicher geworden.


Nichts gegen helles Holz, große Fenster und schöne Fotos! Unser Kritiker Klaus Meyer mag das puristische Ambiente im Hotel Schgaguler gern, doch am meisten hat ihn die nette Atmosphäre beeindruckt, die Elisabeth Schgaguler und ihre Familie den Hotelgästen bereitet.


Grundriss EG: Peter Pichler Architecture
Grundriss 2. OG: Peter Pichler Architecture
Schnitt: Peter Pichler Architecture

  • Standort: Dolomitenstraße 2, I-39040 Kastelruth

    Bauherr: Hotel Schgaguler
    Architekten: Peter Pichler Architecture, Mailand, Peter
    Pichler, Silvana Ordinas
    Mitarbeiter: Simona Alu’ (Projektleitung); Giovanni Paterlini, Daniele Colombati, Cem Ozbasaran, Gianluigi D’Aloisio, Ugo Licciardi
    Tragwerksplanung: Baucon, Dr. Ing. Simon Neulichedl, Bozen
    Innenarchitektur: Peter Pichler Architecture und Martin Schgaguler
    Bauleitung: HGV, Bozen
    HLS-/Brandschutzplanung: Studio Contact, Brixen
    Lichtplanung: Lichtstudio Eisenkeil, Marling
    Akustikplanung: Solarraum, Bozen
    Landschaftsfotografie: Martin Schgaguler
    BRI: 16.405 m³
    Baukosten: keine Angabe
    Bauzeit: (Wettbewerb: 2015) März 2018 bis Juli 2018

Peter Pichler Architecture

Peter Pichler

1982 in Bozen (I) geboren. Architekturstudium an der Universität für angewandte Kunst, Wien, und der University of California, Los Angeles. 2008 Master in Wien. Mitarbeit bei Zaha Hadid Architects. Seit 2015 eigenes Büro mit seiner Frau Silvana Ordinas.


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