1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Kultur | Sakral »

Umbau und Erweiterung der Heilig-Kreuz-Kirche in Grebenau

Heimat in der Fremde
Umbau und Erweiterung der Heilig-Kreuz-Kirche in Grebenau

Die kleine katholische Kirche war im Jahre 1954 von der Gemeinde in Eigenleistung errichtet worden und bedurfte dringend einer Auffrischung. Der hinzugezogene Architekt erweiterte den Eingangsbereich um einen präzise geschnittenen Sichtbetonkubus und verlieh dem Innenraum durch klare Neuordnung und geschickte Lichtführung heitere Würde.
The small Catholic church was erected in 1954 by the parish community under its own initiative and now urgently needed renovation. The architect commissioned extended the entrance area with a precisely executed cube of fair-faced concrete and gave the interior by means of a new disposition and skilful daylighting a serene dignity.


Architektur und Tragwerk: Kollmann Architekten, Saarbrücken

Text: Achim Geissinger
Fotos: Markus Kollmann

Grebenau im Vogelsbergkreis ist über gleich mehrere Autobahnen bequem zu erreichen. An den öffentlichen Nahverkehr hingegen ist es so schlecht angebunden, dass der Reisende auf diesem Wege schnell den Eindruck gewinnt, sein Ziel sei fernab der Welt gelegen und nur unter Strapazen zu erreichen. Die ruhige Gemeinde hat ihren ländlichen Charakter und die Einteilung ihrer Bewohner in »von hier« und »nicht von hier« bewahrt – und wirkt dadurch tatsächlich ein wenig wie eine eigene kleine Welt für sich. Den meist katholischen Heimatvertriebenen mag es in den fünfziger Jahren bei ihrer Ankunft im durch und durch vom Protestantismus geprägten Ort kaum weniger so vorgekommen sein. Oberzentrum der Region ist zwar das erzkatholische Fulda, trotzdem leben die zugezogenen Katholiken in der Diaspora; der für sie zuständige Bischof residiert im weit entfernten Mainz.
Durch die gemeinsame Anstrengung, ein Gotteshaus für die am Ort neu entstandene katholische Gemeinde zu errichten, konnten die Vertriebenen ein Stück Heimat in der Fremde schaffen.
Hundert Meter abseits der Hauptstraße errichteten sie in Eigenleistung, leicht erhöht auf einem Geländesporn, einen bescheidenen Kirchenbau, der jüngst im Zuge der Öffnung Osteuropas neue Gemeindemitglieder empfangen durfte.
Seit jeher standen dem Einbau einer Orgel die Raumnot auf der Empore und die nur unzureichend regulierbare Heizung im Wege. Um dem Abhilfe zu schaffen und auch den gesamten Kirchenbau zu sanieren, wurde der Saarbrücker Architekt Markus Kollmann beauftragt, ein neues Raumkonzept zu erarbeiten.
Licht im Dunkel Dieses Konzept machte nicht bei der technischen Aufrüstung und der Öffnung des Dachstuhls Halt, sondern bezog auch die Wirkung von Licht und Material mit ein. Die Fenster wurden zugemauert, das gesamte Dach mit der dunklen Decke abgetragen und die neue Holzkonstruktion mit einer Lichtfuge über dem bestehenden Gesims von den Seitenwänden abgesetzt. Das Licht streicht nun aus unsichtbarer Quelle am Fichtenholz des Dachstuhls entlang und taucht den Innenraum in einen hellwarmen Ton, der mit den hölzernen Bildern des Kreuzwegs harmoniert.
Leicht hätte die im Dach massiv auftretende Astlochästhetik ins Volkstümliche abgleiten können, doch zusammen mit den homogen verputzten Wänden beschwört sie die positiven Aspekte des Begriffes Gemütlichkeit – der Raum wirkt, im allerbesten Sinne, wohnlich. Sakrale Überhöhung erfährt er durch die Apsis. Sie ist in helles Tageslicht getaucht, das von oben durch das an dieser Stelle verglaste Dach und durch ein wandfüllendes Seitenfenster in den Raum fällt und dabei Kruzifix, Altar, Ambo und Sedilen plastisch hervorhebt.
Selbstbewusstes Zeichen Die nach außen hin augenfälligste Veränderung besteht in einem zweiteiligen Anbau, der im Bezug auf das angrenzende Einfamilienhaus-Wohngebiet zwar fremdartig wirkt, mit seiner eigenwilligen Sprache jedoch die Präsenz der zugezogenen Gemeindemitglieder selbstbewusst versinnbildlicht.
Eine breiter werdende Freitreppe führt hinauf und weitet sich zu einem kleinen Platz vor der Eingangsfront. Ein griechisches Kreuz teilt nicht nur die Schauseite in vier Felder sondern bleibt als Teil der räumlichen Struktur auch im Inneren erlebbar.
Der präzise Kubus ist innen wie außen in Sichtbeton gehalten und erweitert den ursprünglichen Kirchenraum um ein helles Entree mit Taufbereich und einen Treppenaufgang.
In einem weiteren, durch das Material deutlich abgesetzten Baukörper befindet sich der Beichtstuhl. In diesem hölzernen Kasten hat der Gläubige die Wahl, sein Anliegen entweder mit dem Pfarrer an einem Tisch sitzend zu erörtern oder die Beichte – klassisch kniend – vor einem Holzgitter abzulegen.
Der Erweiterungsbau forderte das ganze Können des örtlichen Betonbauers und stellt das gestalterische Vermögen des Architekten unter Beweis. Beton, Glas, Holz und Stahl sind zu einem gleichermaßen harmonischen wie würdigen Vierklang zusammengefügt.
Fast schon selbstverständlich erscheint, dass Betonkubus und Altbau durch eine gläserne Fuge voneinander getrennt sind. Die Glasbilder aus den zugemauerten Fenstern des vormals auf konventionelle Weise beleuchteten Kirchenraums fanden hier ihren Platz.
Obwohl viele der Ausstattungstücke übernommen wurden, haben sich einige Gemeindemitglieder mit ihrer neuen alten Kirche noch nicht recht anfreunden können. Offenbar sind ihnen die über die Jahrzehnte angesammelten persönlichen Erinnerungen, die sie mit dem (selbst erarbeiteten) Zustand vor der Sanierung verbinden, wertvoller als die Vorzüge der jetzigen Form, mit denen der Architekt den Bau aufwertete. Mit der Zeit wird sich sicher zeigen, dass die Kirche nach dem Umbau mehr Möglichkeiten des spirituellen wie auch des sozialen Erlebens bietet und die Gemeinde ihr Gotteshaus mit Stolz präsentieren kann. ge

Bauherr: Katholische Kirchengemeinde Grebenau
Architektur und Tragwerk: Kollmann Architekten, Saarbrücken
Haustechnik: IB Scholz, Regensburg
Nutzfläche: 190 m²
Bruttorauminhalt: 1350 m³
Kosten: 501000 Euro
Fertigstellung: September 2003


Aktuelles Heft
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de