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Von 440 auf 160

Energieeffizienz von Nichtwohngebäuden
Von 440 auf 160

Inwiefern sich eine energetische Sanierung lohnt, demonstrieren die beiden im Rahmen des Forschungs-programms »Energieoptimiertes Bauen« sanierten Gebäude, die Remscheider Entsorgungsbetriebe und die KWF-Verwaltung in Frankfurt. Sie machen deutlich, welche baulichen und gebäudetechnischen Maßnahmen sinnvoll sind – und dass eine Sanierung nicht nur viel Energieeinsparpotenzial besitzt, sondern v. a. auch der Architekturqualität und der Behaglichkeit zugute kommt.

Text: Peter Engelmann, Michael Kleber, Karsten Voss, Andreas Wagner Fotos: AC Müller Schlüter, Carsten Costard, KfW, Tomas Riehle

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderte Programm »Energieoptimiertes Bauen« (EnOB) unterstützt Projekte mit minimalem Primärenergiebedarf bei gleichzeitig hohem Nutzerkomfort und verhilft Eigentümern so auch zur Reduktion von Betriebskosten. Die im Rahmen einer integralen Planung entwickelten Energiekonzepte führen in den meisten Fällen dazu, dass die im Förderprogramm definierten Ziel- werte für den Primärenergieverbrauch erreicht werden. Ende 2009 befanden sich 26 Sanierungsprojekte in der Förderung. Ein großer Teil davon ist bereits saniert und das Monitoring abgeschlossen, so auch die beiden nachfolgend dargestellten, 2006 fertiggestellten Demonstrationsprojekte, das Gebäude der Remscheider Entsorgungsbetriebe (REB) sowie der Verwaltungsbau der KfW-Bank in Frankfurt am Main [1]. Bei beiden ließ sich durch die Sanierung der Primärenergiebedarf um über die Hälfte verringern (Abb. 3) – auch wenn teilweise zunächst Schwierigkeiten auftraten, die in den ersten Betriebsjahren nach der Sanierung dem gewünscht niedrigen Energieverbrauch entgegenstanden. Denn neben Defiziten in der Ausführungsqualität, die dem hohen Kostendruck am Bau geschuldet sind, verhindern bei der Inbetriebnahme oft nur mit Standardparametern eingerichtete und nicht aufeinander abgestimmte Regelungsstrategien einen optimalen Betrieb von Neu- oder Umbauten. Gerade hier zeigt sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der Kennwerte im laufenden Betrieb sowie einer andauernden, kritischen Analyse zentraler Betriebsparameter.
Beispiel 1: REB
Das viergeschossige und 1968 errichtete Gebäude der Remscheider Entsorgungsbetriebe beinhaltet Verwaltungsflächen (1 830 m²) und Umkleide- und Sanitärräume (510 m²) für die Arbeiter von der Müllabfuhr und vom Kanalbetrieb sowie Abstellflächen für den Fuhrpark (2 200 m²). Ursprünglich stand die Sanierung, die sich nicht allein auf eine Mängelbeseitigung und energetische Verbesserung beschränken sollte, in Konkurrenz zu einem Neubau. Im Planungsprozess wurde aber nachgewiesen, dass sich eine umfangreiche Sanierung ökonomisch und ökologisch vorteilhaft darstellt.
Aus Gas- und Stromverbrauchsmessungen im Vorfeld war ein Primärenergiekennwert von etwa 440 kWh/m²a bekannt. Dabei lag allein der Wärme-verbrauch bei rund 370 kWh/m²a. Der rechnerische Energiekennwert gemäß DIN V 18 599 bestätigte diese Zahlen. Ursachen des hohen Verbrauchs waren neben dem schlechten baulichen Zustand des Gebäudes der ganz-jährig hohe Warmwasserverbrauch für den Duschbetrieb (ca. 1 000 l/Tag) sowie regelungstechnische Fehler (Sommerheizbetrieb in den Garagen). Hinsichtlich des sommerlichen Raumklimas fiel insbesondere das 4. OG negativ auf. Für die Aufstockung des zunächst dreigeschossig geplanten Gebäudes kam damals nur eine Leichtbauweise in Frage, so dass die bauliche Masse zur Dämpfung der Temperaturamplituden fehlte.
Um den Energiebedarf zu senken und gleichzeitig den Komfort am Arbeitsplatz zu steigern, waren umfangreiche konstruktive und gebäudetechnische Maßnahmen notwendig. U. a. erhielt das Bauwerk eine vollständig neue Fassade aus vorgefertigten Holz-Leichtbauelementen mit Dämmdicken zwischen 16 und 24 cm. Auch Dach und Trennwände zu den Garagen wurden neu gedämmt. Außenliegende Jalousien mit Lichtlenkfunktion sorgen auf der Südseite für Sonnen- und Blendschutz. Im Bürotrakt wurde eine zentrale Abluftanlage realisiert, die Luft strömt über verstellbare Außenluftdurchlässe in den Fensterlaibungen nach. Im Sozialtrakt (Umkleide und Sanitärräume) hingegen wurde eine Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung eingesetzt. Die Wärme der Abluft aus den Büros wird im Winter genutzt, die Garagen der Fahrzeugflotte frostfrei zu halten. Im OG, wo thermische Masse zur Speicherung fehlt, kamen Gipskartonplatten mit Phasenwechselmaterialien (Phase Change Material, PCM) zum Einsatz. Den hohen Bedarf an warmem Wasser deckt eine 30 m² große Solarkollektoranlage auf dem Dach.
Die intensive Planungsarbeit und die große Bereitschaft von Bauherrn und Planern zur kritischen Variantenanalyse haben dazu beigetragen, eine ganzheitlich überzeugende Gebäudesanierung zu vertretbaren Kosten zu er-stellen. Die 2009 erreichten Energiekennwerte – Heizwärme 76 kWh/m²a, 166 kWh/m²a Primärenergie – sind angesichts der hohen Werte vor der Sanierung sehr niedrig, jedoch mit Blick auf die angestrebten Werte von 50 kWh/m²a für Heizwärme und 130 kWh/m²a für Primärenergie noch immer verbesserungsfähig. Hierzu ist v. a. ein optimierter Betrieb der Lüftungsanlage der Sozialräume entscheidend: Der erforderliche, hohe Luftwechsel in Duschen, Umkleiden und Trockenräumen verursacht einen hohen Stromverbrauch der Lüftungsanlage. Trotz Wärmerückgewinnung bezieht diese ganzjährig zu hohe Wärmemengen. Hier ergeben sich v. a. durch die Anpassung von Laufzeiten an die tatsächliche Nutzung erheb- liche Einsparungen, die im Rahmen von Optimierungsmaßnahmen bereits teilweise erfolgt sind [2].
Von Vorteil: Passiv statt aktiv
Das Maßnahmenpaket der passiven Kühlung in den Büros ist auf die Sanierung vieler, insbesondere öffentlicher Gebäude übertragbar. Hierbei geht es um die Frage, wie sich wesentliche Verbesserungen beim sommerlichen Raumklima ohne Einbau einer aktiven Kühlung erreichen lassen. Abluftanlagen mit dezentraler Nachströmung der Außenluft über fassadenintegrierte Außenluftdurchlässe (ALD) leisten sowohl einen Beitrag zur Verbesserung der Lufthygiene während der Arbeitszeit (geringer Luftwechsel) als auch zur sommerlichen Nachtlüftung (hoher Luftwechsel zur Kühlung tagsüber eingespeicherter Wärme). Durch den Verzicht auf dezentrale Ventilatoren treten keine Schallemissionen auf und durch Wegfall der Zuluftfilterung ist der Wartungsaufwand gering. Ein besonders wichtiger Faktor ist aber nicht nur die Dichtheit der gesamten Gebäudehülle, sondern auch der dichte Abschluss der in das Nachtlüftungskonzept eingebundenen Zone: Nur so ist sichergestellt, dass die Nachströmung der Luft dort erfolgt, wo es planerisch vorgesehen und für die nächtliche Auskühlung im Sommer wirksam ist. Mit einem n50-Wert (Luftwechselrate) in der Größenordnung von 1,2/h wurde dieses Ziel aber noch immer nicht komplett erreicht. ›
beispiel 2: KfW
Das sogenannte Haupthaus der KfW Bankengruppe befindet sich im Frankfurter Westend in unmittelbarer Nähe zum Palmengarten und besteht aus vier miteinander verbundenen, 1968 erbauten Bürotürmen unterschied- licher Höhe. Der Komplex wurde von 2002 bis 2006 umfassend saniert und bietet heute 575 Mitarbeitern Platz (21 875 m² NGF). Ausschlaggebend für die Sanierung waren zunächst Mängel gegenüber heutigen Brandschutzauflagen sowie ein nicht mehr zeitgemäßer Arbeitsplatzkomfort. Zusätzlich wollte der Bauherr im Rahmen einer konsequenten integralen Planung nach dem Neubau der Ostarkade [3] mit dieser Sanierung ein weiteres Beispiel für die eigenen Förderziele im Umwelt- und Klimaschutz setzen. Im Rahmen der EnOB-Vorgaben sollte der Primärenergieverbrauch für Heizen, Lüften, Kühlen und Beleuchten dabei von 245 kWh/m²a vor der Sanierung auf maximal 123 kWh/m²a gesenkt werden. Da das Gebäude schon vor der Maßnahme aus einem Kraft-Wärme-Kälte-Verbund versorgt wurde, war bereits der Ausgangswert vergleichsweise niedrig und die Zielsetzung deshalb sehr ambitioniert.
Auffallend beim Bestandsgebäude war der mit 134 kWh/m²a sehr hohe Anteil des Stromverbrauchs für das Kunstlicht am Gesamtkennwert. Die Büros wurden ausschließlich über Fenster belüftet und besaßen keine aktive Kühlmöglichkeit. In Kombination mit einem hohen g-Wert der Verglasung führte dies zu Problemen beim sommerlichen Wärmeschutz, was Messungen vor Planungsbeginn bestätigten: Bereits bei niedrigen Außenlufttempera-turen (zwischen 16-24 °C) betrug die Raumluft mehr als 26 °C, an sehr warmen, sonnigen Tagen sogar 30 °C.
Bei der Sanierung wurden der Dämmstandard der Gebäudehülle deutlich verbessert (mittlerer U-Wert 0,59 W/m²K), im Kraft-Wärme-Kälte-Verbund zwei alte Gaskessel durch neue Brennwertkessel ersetzt und eine durchgängige Gebäudeautomation mit Einzelraumregelung umgesetzt. Den erforderlichen Luftwechsel in den Büros gewährleistet nun eine zen-trale Abluftanlage: Pro Büroturm entlüftet ein Abluftventilator die Büro- flächen, über Durchlässe in jeder zweiten Fensterachse kann Außenluft nachströmen. Eine präsenz- und außentemperaturabhängige Regelung vermeidet unnötige Wärmeverluste im Winter bzw. Wärmeeinträge im Sommer. Zusätzlich zur Tageslichtoptimierung (»Putz«-Balkone wurden entfernt und Fensterstürze minimiert) reduziert heute eine tageslicht- und präsenzabhängige Regelung den Stromverbrauch für das Kunstlicht, das aufgrund effizienterer Leuchtmittel den geplanten Zielwert sogar unterschreitet, der spezifische Verbrauch liegt bei 40 kWh/m²a (Primärenergie). Die verbleibenden Kühllasten für die Kühldecken in den Büros werden tagsüber durch einen automatischen Sonnenschutz und nachts durch eine automatische Nachtlüftung gemindert.
Erfahrungsschatz
Das sanierte Gebäude präsentiert sich heute sowohl außen als auch innen als modernes, zeitgemäßes Gebäude von hoher gestalterischer Qualität, architektonisches Erscheinungsbild und Arbeitsplatzkomfort sind deutlich verbessert. Bei einem realistisch angenommenen Betrieb des Kraft-Wärme-Kälte-Verbunds läge der Primärenergieverbrauch heute bei ca. 165 kWh/ m²a [4] und damit um mehr als 30 % geringer als im Bestand. Doch da dieser Verbund bisher nicht wie geplant betrieben werden konnte, waren die effektiven Primärenergiefaktoren bei der Wärme- und Kälteerzeugung deutlich höher als prognostiziert. Grund dafür war ein Defekt der BHKW und zweier Absorptionskältemaschinen.
Grundsätzlich ist die Energieversorgung eines Gebäudes oder einer Liegenschaft aus einer Kombination verschiedener Energieerzeuger ein sinnvolles Konzept, da je nach Bedarfssituation (Nutzung, Klima) der primärenergetisch effizienteste Prozess gewählt werden kann. Bei Bedarf an Kühlenergie sollte über den Einsatz von Absorptionskältemaschinen nachgedacht werden, die Wärme als Antriebsenergie für die Kälteerzeugung nutzen. Bezüglich solcher Netze sind jedoch die höheren Investitionskosten, hohe Anforderungen an die Regelung und bei größeren Dimensionen auch die hydraulischen Aspekte unbedingt zu beachten.
Zusätzlich wurde im realen Betrieb ein höherer Heizwärmebedarf gegenüber der Planung festgestellt, der durch Unregelmäßigkeiten bei der Regelung der zentralen Abluftanlagen im Winter und durch eine höhere Luftundichtheit der Gebäudehülle verursacht wurde. Bei reinen Abluftanlagen ist eine korrekte Regelung besonders wichtig, da Lüftungswärmeverluste nicht durch eine Wärmerückgewinnung kompensiert werden können. Das Projekt hat auch gezeigt, dass eine Überprüfung der Gebäudedichtheit durch einen Blower-Door-Test sinnvoll ist und bei einer Nachbesserung wiederholt ausgeführt werden muss, um eine tatsächliche Verbesserung zu belegen.
Der jährliche Primärenergieverbrauch für Lüftung und Kühlung konnte von 40 kWh/m²a (Bestand) auf 30 kWh/m²a (2009) gesenkt werden. Diese Einsparung durch effiziente Anlagentechnik, konsequente Kühllastreduktion und bedarfsabhängige Regelung ist umso bemerkenswerter, als die aktiv gekühlten Bereiche nach der Sanierung deutlich zugenommen haben.
Temperaturmessungen in sechs exemplarischen Büroräumen haben gezeigt, dass bis zu Außenlufttemperaturen von 23 °C nur noch selten eine Raumlufttemperatur von 26 °C überschritten wird. Nach DIN EN 15 251 [5] bewertet, lagen im Jahr 2007 92 % der Raumlufttemperaturen während der Arbeitszeit in Kategorie A bzw. fast 95 % in Kategorie B. Auch die ebenso in sechs exemplarischen Büros gemessene Raumluftqualität bewies, dass die CO2-Konzentration nahezu durchgängig in einem sehr guten Bereich liegt. Der Wert von 1 000 ppm wurde nur zu 0,5 % der Zeit leicht überschritten. Messungen der relativen Raumluftfeuchte ergaben allerdings, dass die Luft im Winter tendenziell eher zu trocken ist – ein weiterer Punkt, der bei der Planung von Abluftkonzepten zu beachten ist. Eine Anhebung der relativen Feuchte ist bei Abluftkonzepten mit Außenluftdurchlässen nur durch verringerten Luftwechsel zu erreichen, eine dezentrale Befeuchtung der Luft ist energetisch nicht sinnvoll.
Die KfW Bankengruppe hat die Notwendigkeit und das Potenzial der energetischen Betriebsoptimierung erkannt und unabhängig von einer Förderung ein weiteres Monitoring des Haupthauses beauftragt. Man ist zuversichtlich, dadurch die Kennwerte in Zukunft weiter in die Nähe des Zielwertes bringen zu können. •
Weitere Informationen: [1] Bildmaterial, Pläne und ein detailliertes Portrait beider Gebäude sind im Internet unter www.enob.info abrufbar. Zu den Autoren, zum Förderprogramm EnOB und zu Bewertungs-maßstäben für Energieeffizienz siehe auch: db 3/2010, Energie, »Eine Frage des Maßstabs«, S. 66 [2] Engelmann, Peter, Experimental Results and Experience from the Retrofit of an Office Building with Passive Cooling, AIVC, Berlin 2009 Voss, Karsten, Peter Engelmann u. a.: Energetische Sanierung von Gebäuden – Beispielhafte Erfahrungen und Ergebnisse aus Demonstrationsprojekten des Nichtwohnungsbaus, Bauphysikkalender 2010, Ernst & Sohn [3] Kleber, Michael, Thomas Gropp und Andreas Wagner, Abschlussbe- richt Neubau Ostarkade der KfW Bankengruppe, Frankfurt a. M. – Monitoring und Betriebsoptimierung im Rahmen von SolarBau, Teilkonzept 3 [4] Kleber, Michael und Andreas Wagner, Abschlussbericht Revitalisierung des Haupthauses der KfW Bankengruppe in Frankfurt – Monitoring und Betriebsoptimierung im Rahmen von EnSan, Teilkonzept 3 [5] DIN EN 15 251 Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik
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