1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » db-Archiv »

Zeitgenössische Architektur in Südkorea

db-Archiv
Zeitgenössische Architektur in Südkorea

Zeitgenössische Architektur in Südkorea
Der Han-Fluss trennt Seouls Stadtteile Dongjak-Gu im Süden und Yongsan-Gu im Norden. Auf dem Google-Earth-Bild sind die mehrspurigen Autobahnen entlang der Ufer und die für Koreas Städte typischen »Hilbersheimer«-Wohnblöcke erkennbar Impressionen von Seoul: Eine Seitenstraße im Stadtteil Gangnam-Gu (oben); Blick in die Gangnam Dae Ro Straße, im Hintergrund gerade noch erkennbar: Bottas »Kyobo«-Hochhaus (unten links); das »renaturierte« Cheonggyecheon-Flüsschen in Seoul (Mitte rechts); Leuchtreklame dominiert in vielen Straßen das nächtliche Stadtbild (unten Mitte); Blick von Namsan Park auf den Stadtteil Myeong-dong, den Zentrumsbezirk Seouls (unten rechts) Changdeokgung Palast in Seoul: Reich verziertes und aufwändig konstruiertes Dachgebälk gehört zu den Kennzeichen alter koreanischer Repräsen- tationsbauten Die schönste Toröffnung Koreas findet man im malerischen Haeinsa Tempel, der seit 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt
Die Beschäftigung mit japanischer Architektur hat in Europa bereits Tradition, und auch an Berichten über das boomende China hat es in letzten Jahren wahrlich nicht gefehlt. Aber Korea? Dieses Land steht immer noch im Schatten seiner (bisweilen übermächtigen) Nachbarn und ist auf der architektonischen Weltkarte für die meisten Europäer ein weißer Fleck. Immerhin gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Ausstellungen der Aedes Galerie, Berlin, die (süd)koreanischen Architekten und dem Bauen in diesem Land gewidmet waren. Sie vermittelten eine Ahnung davon, dass sich in Korea eine bemerkenswerte Architekturentwicklung vollzogen hat.

Text: Mathias Remmele Fotos: Mathias Remmele, Jürgen Volkwein

Die aktuelle Entwicklung der koreanischen Architektur ist nur vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Geschichte des Landes in den letzten gut hundert Jahren zu verstehen, die einerseits von Besatzung und Kriegen und andererseits von einer unglaublichen Dynamik gekennzeichnet ist. Korea, das auf eine bis ins siebte Jahrhundert reichende eigenständige staatliche und kulturelle Tradition zurückblicken kann, verlor Anfang des 20. Jahrhunderts seine Unabhängigkeit und geriet zwischen 1907 und 1945 unter japanische Herrschaft. Von einer systematischen kulturellen Unterdrückung durch die Japaner einmal abgesehen, war die schlimmste Folge der Besatzungszeit nach der Kapitulation der Japaner im Zweiten Weltkrieg 1945 die Teilung des Landes durch die Allierten. Während der Norden unter sowjetische Verwaltung kam, gehörte das Gebiet südlich des 38. Breitengrades zum amerikanischen Einflussgebiet. Innen- und weltpolitische Konflikte eskalierten bald und wurden im Koreakrieg von 1950–53 gewaltsam ausgetragen, der die bis heute andauernde Teilung des Landes weiter verfestigte. Am Ende dieses Krieges war Südkorea ein politisch instabiles, ökonomisch verarmtes, agrarisch geprägtes Land mit weitgehend zerstörter Infrastruktur.
Wirtschaftliche aufholjagd
Anfang der sechziger Jahre etablierte sich eine vom Militär geförderte Entwicklungsdiktatur, die erst Ende der achtziger Jahre von einer demokratischen Regierungsform abgelöst wurde. Während der Diktatur begann die staatlich gelenkte, wirtschaftliche Aufholjagd Südkoreas. Das Land, das schon bald zu den asiatischen »Tigerstaaten« gezählt wurde, schaffte es, in einem beispiellosen Kraftakt innerhalb von nur vier Jahrzehnten zu den führenden Industrienationen der Welt aufzuschließen. Im Zuge des atemberaubenden Wirtschaftswachstums wuchsen auch die koreanischen Städte in rasantem Tempo. Die Hauptstadt Seoul, die im Koreakrieg weitgehend zerstört wurde, zählte 1952 kaum mehr als eine halbe Million Einwohner. Heute gehört die Stadt mit rund 10,3 Mio Einwohnern (Großraum Seoul: 20 Mio) zu den größten Metropolen der Welt. Von den »Millionenvororten« im Umkreis Seouls einmal abgesehen, gibt es im Land mit Busan (3,7 Mio), Daegu (2,5 Mio), Daejeon (1,4 Mio) und Gwangju (1,4 Mio) eine Reihe weiterer Millionenstädte.
Im Zuge des Wachstums entstanden auch die für die südkoreanische Wirtschaft charakteristischen riesigen Firmenkonglomerate – so genannte Jaebeols –, die von Familienclans kontrolliert werden und in vielen Wirtschaftsbereichen gleichzeitig tätig sind. Weltkonzerne wie Samsung oder Hyundai beispielsweise, in Deutschland lediglich als Elektronik- oder Automobilhersteller bekannt, sind in Korea auch als Bauunternehmen und Immobilien-Entwickler tätig.
Mit der Demokratisierung des Landes in den achtziger Jahren ging auch eine kulturelle Öffnung einher. Bei den Olympischen Spielen von 1988 und noch deutlicher bei der gemeinsam mit Japan ausgerichteten Fußball-Weltmeisterschaft 2002 präsentierte sich Südkorea als ein wirtschaftlich prosperierendes, weltoffenes Land und konnte damit sein internationales Renommee erheblich steigern. Zum wirtschaftlichen Erfolg gesellte sich, zumindest im asiatischen Raum, auch ein kultureller: Kino-, TV- und Musikproduktionen aus Korea erfreuen sich in den Nachbarländern einer derartigen Popularität, dass man dafür den Begriff der »Korean Wave« geprägt hat.
suche nach einer neuen architektur
In Folge der japanischen Okkupation und des Koreakrieges waren im Bereich der Architektur und des Bauens fast alle wesentlichen Traditionslinien und damit auch die Basis für eine eigenständige Entwicklung zerstört. Der Wiederauf- und Ausbau Südkoreas war lange Zeit davon geprägt, schnell und effizient den steigenden Bedarf an Wohnraum zu erfüllen. Dabei orientierte man sich weitgehend an westlichen, meist US-amerikanischen Vorbildern, oder, anders gesagt, an einer oberflächlich verstandenen Moderne. Diese wurde kritik- und fantasielos übernommen, um dem Land ein »modernes« Antlitz zu verleihen. Einzelne Versuche einer Synthese von traditionellen und modernen Architekturformen, wie man sie bei einigen repräsentativen Staatsbauten der sechziger und siebziger Jahre beobachten kann, vermochten nicht wirklich zu überzeugen. Eine Diskussion über eine eigenständige, adäquate moderne Architektur setzte erst in den späten sechtziger Jahren ein. Eine der Schlüsselfiguren dieser Diskussion war der Architekt Kim Soo Geun – Erbauer des Olympiastadions von 1988 und Gründer der Architekturzeitschrift »Space« –, der für die Entwicklung der südkoreanischen Baukultur eine bedeutende Rolle spielte. ›
› Die Architekturausbildung in Korea war lange Zeit vorwiegend technisch ausgerichtet. Wer eine umfassende Ausbildung anstrebte, musste fast zwangsweise ins Ausland gehen. Die Tatsache, dass die meisten der heute bedeutenden Architekten des Landes ihr Studium ganz oder teilweise im Ausland, vor allem in den USA absolvierten, belegt dies auf eindrückliche Weise.
Der für Korea mit Sicherheit folgenreichste Architektur-Import ist das mehrstöckige, vorwiegend in Zeilenform organisierte Apartmenthaus. Seit seinem Aufkommen in den sechziger Jahren hat dieser Gebäudetypus, in verschiedenartiger Qualität und Ausprägung, seinen bis heute andauernden Siegeszug fortgesetzt. Mittlerweile beherrscht er nicht nur das Antlitz koreanischen Städte, sondern ist sogar in den ländlichen Raum vorgedrungen. Zur Verbreitung der »Apates«, wie diese nicht zuletzt in städtebaulicher Hinsicht problematischen Gebäude im Koreanischen genannt werden, haben die großen Baukonzerne einen wesentlichen Beitrag geleistet. Deren fast ausschließlich unter Renditegesichtspunkten entwickelten Planungen lassen nur in den seltensten Fällen einen gestalterischen Anspruch erkennen. Die alles überragende Stellung der »Apathes« im Wohnungsbau dokumentiert eine Statistik: 98 Prozent aller aktuell gebauten Wohnungen gehören zu dieser Kategorie. Individuelle Wohnbauten sind eine Besonderheit, die nur für Superreiche (1 Prozent) und ein paar versponnene Bildungsbürger (1 Prozent) in Frage kommen.
eine neue architektengeneration
Seit gut zehn Jahren geht nun gleichsam ein Ruck durch die koreanische Architektur. Ausgelöst durch den wirtschaftlichen Wohlstand, die zunehmende kulturelle Verflechtung mit der Welt und nicht zuletzt durch die Erfahrungen und Erkenntnisse von jungen Architekten, die im Ausland ausgebildet wurden und sich jetzt darum bemühen, die dort erlebten Standards und Qualitäten in ihrer Heimat zu etablieren. So entstand eine dynamische Architekturszene, die auch im internationalen Maßstab bestehen kann und für die Zukunft einiges erhoffen lässt. Geografisch konzentrieren sich die bemerkenswerten neuen Bauten noch immer stark auf Seoul und Umgebung, wo praktisch auch alle wichtigen Architekten des Landes ansässig sind. Obwohl diese über das gesamte gigantische Stadtgebiet verteilt zu finden sind, lassen sich doch sehr genau zwei Orte ausmachen, an denen sie gleichsam in geballter Form vorkommen: Die Paju Book City, das neu errichtete Zentrum des koreanischen Verlagswesens und das Heyri Art Village, eine Art Künstlerkolonie, beide an der Peripherie Seouls gelegen. Diese sowohl in städtebaulicher als auch in gestalterischer Hinsicht ambitiösen Großprojekte dürfen als Katalysatoren der jüngeren Architekturentwicklung gelten und stellen gleichzeitig eine Art Leistungsschau der zeitgenössischen koreanischen Architektur dar. Das spiegelt sich auch an den in diesem Heft vorgestellten Bauten wider. •
Für alle, die sich mit dem Thema weiter beschäftigen möchten, sei an dieser Stelle auf eine Ausstellung, die am 8. Dezember im DAM in Frankfurt eröffnet wird, verwiesen. Unter dem Titel »Megacity Network« wird sie zeitgenössische Architektur aus Korea präsentieren. Auch einige der in diesem Heft vertretenen Architekten wird man dort, wenngleich mit anderen Projekten, wiederfinden.
Tags
Aktuelles Heft
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de