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Wie gemalt - Realschule mit Sporthalle in Dachau von Dietzinger & Kramer

Realschule mit Sporthalle in Dachau
Wie gemalt

Aus den Wirren des grauen Alltags gelangen die Kinder dieser staatlichen Realschule schrittweise in eine klar strukturierte Welt angenehm warmer Farbtöne. Deren Präsenz macht unwillkürlich neugierig; und so haben nach anfänglicher Skepsis letztlich auch alle beteiligten Behörden den Mut gefasst, sich für dieses Farbkonzept und damit für eine Schule mit unverwechselbarer Identität zu entscheiden – Rektorin, Lehrer und Schüler waren ohnehin sofort begeistert.

    • Architekten: Diezinger & Kramer
      Tragwerksplanung: TBU Ingenieurbüro

  • Kritik: Roland Pawlitschko Fotos: Stefan Müller-Naumann
Der rechtwinklige Baukörper an einer der Landstraßen zwischen Dachau und München gibt sich zunächst eher schweigsam und spröde. Dunkelgraue Faserzementplatten und pastellfarbene Blechpassepartouts um großformatige Fenster geben jedenfalls nicht ohne Weiteres preis, dass es sich hierbei um eine Realschule handelt. Letztlich kommen aber selbst bei nur sporadisch zum Elternabend erscheinenden Vätern keine Zweifel auf, sich an der richtigen Adresse, und nicht etwa vor einem Hotel oder einem Bürogebäude zu befinden. Dafür sorgt das benachbarte Nebeneinander aus Wohngebäuden, Kindergarten, Montessori-, Grund- und Berufsschule – vor allem aber die von außen nach innen zunehmende Farbigkeit und räumliche Vielschichtigkeit des Neubaus.
Pausenhalle als Architekturgewordene Schnittstelle
Den unübersehbaren Haupteingang definiert ein in den Baukörper eingeschnittener und im EG zu Wohngebiet und Schulcampus durchlässiger Eingangshof. Dessen Raumvolumen entspricht ziemlich genau jenem der hiervon nur durch eine leichte Glasfassade getrennten Pausenhalle. Für die gut 1 000 Schüler und Lehrer der Dr.-Josef-Schwalber-Realschule spielt dieser dreigeschossig hohe Raum allein aufgrund seiner Nutzung als Aula und Veranstaltungsfläche eine zentrale Rolle. Eine übergeordnete Bedeutung erhält er in seiner Eigenschaft als architekturgewordene Schnittstelle zwischen innen und außen, als Ort, an dem sich zwei farblich und gestalterisch unterschiedliche Welten verzahnen.
Die hellgrauen Faserzementplatten des Innenhofs und der Pausenhalle bilden dabei den gediegenen Hintergrund für die warme Farbigkeit der verputzten und gestrichenen Verkehrs- und Erschließungsflächen im Innern. Hinzu kommt, dass nirgendwo sonst im Gebäude das Konzept der räumlichen Verflechtungen und Blickbeziehungen deutlicher spürbar ist. Der nach außen etwas trutzig wirkende Baukörper ist nämlich keineswegs eine unwirtliche Bastion des Lernens, sondern bietet ein sinnliches und inspirierendes Wechselspiel aus Räumen und Leerräumen. Von der Pausenhalle sind tatsächlich fast alle Unterrichts-, Pausen- und Erschließungsbereiche der Schule einzusehen. Im Osten erweitert sie sich in Richtung der nach Schulschluss auch von Vereinen genutzten Dreifach-Sporthalle, unter der sich, halbgeschossig versetzt, das Parkdeck der Lehrkräfte befindet. Im Süden liegen der große Pausenhof, die Mensa und die Klassenzimmer.
Farbe als tragendes Gestaltungselement
Im Schulbetrieb erinnert die Aula an ein Theaterfoyer, in dem die Schüler und Lehrer während der Pausen flanieren, um zu sehen und gesehen zu werden. Besonders beliebt sind die Plätze an den großen Wandöffnungen der beiden oberen »Galerieebenen«, die gleichsam als Logenplätze fungieren. Hinter den grauen Rahmen mit leuchtend gelben Laibungen erscheinen die satt orange und roten Flurwände zunächst wie Tafelbilder. Gelangt man, unter den südlichen Galerieebenen hindurch, aber erst einmal zur großen Haupttreppe, wird deutlich, dass Farbe hier weit mehr als nur Dekoration ist. Der dreigeschossige Treppenraum mit orangefarbenen Wandflächen, Geländern und Deckenverkleidungen sowie einer frei stehenden Himmelsleitertreppe und Brücken zu den Schulfluren kennzeichnet die Farbigkeit des Gebäudes vielmehr als wesentliches und tragendes Element des Entwurfskonzepts. Davon zeugt nicht zuletzt auch das mit breiten vertikalen Farbstreifen gestaltete überdimensionale »Wandbild« des Münchener Farbkünstlers Herbert Kopp, der das Farbkonzept aller inneren und äußeren Oberflächen der Schule in enger Abstimmung mit den Architekten entwickelte. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass für die Farbgestaltung keine zusätzlichen Geldmittel zur Verfügung standen – etwa aus dem Kunst-am-Bau-Budget, das in einem am Rand der Pausenhalle aufgehängten Kunstwerk aufging. ›
NCS-Farbblätter statt Renderings
Ein Blick in das Portfolio der Diezinger & Kramer Architekten verrät eine glühende Leidenschaft insbesondere für den großflächigen und dennoch wohldosierten Einsatz warmer Farbtöne. Mit diesem verhältnismäßig günstigen Mittel zur Raumgestaltung – irgendeine Farbe ist ohnehin immer zu wählen – erzeugen sie emotionalisierende Räume, stellen aber auch Orientierung, Raumbezüge oder Abgrenzungen her. Im siegreichen Wettbewerbsprojekt, noch ohne konkrete Überlegungen zum Farbkonzept, standen räumlich-funktionale Aspekte klar im Vordergrund. Mit seinen klar abgegrenzten Raumvolumina trug der Entwurf jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt all jene Möglichkeiten in sich, die schließlich nach der Beauftragung und im Zusammenspiel mit dem Farbkünstler und den Gremien der Schule bzw. den Genehmigungsbehörden zur Entfaltung kamen.
Grundsätzlich stehen den zurückhaltenden Außenfarben vier Farbzuordnungen der inneren Verkehrsflächen gegenüber: Während Bodenbeläge stets in dunklem Naturstein oder Linoleum ausgeführt wurden, sind die äußeren Flurwände und -decken orange, entsprechende Flächen rund um den großen Pausenhof rot, zur Aula und zum Eingangshof gelb und zur Sporthalle – wie auch die Halle selbst – hellgrün. Treppenhäuser als eigenständige vertikale Verbindungselemente erscheinen dagegen in unterschiedlichen Blautönen. Die Farbauswahl basiert vor allem auf der Intuition des Künstlers und der Architekten, die stets das Ziel eines ebenso inspirierenden wie angenehmen Ortes vor Augen hatten. Einzelne Farbtöne testete Kopp an Arbeitsmodellen unterschiedlicher Maßstäbe. Computervisualisierungen spielten dabei eine untergeordnete Rolle, da sie sich zur Wiedergabe realer Farben als ungeeignet erwiesen. Stattdessen verwendete der Farbkünstler v. a. direkt aufgeklebte NCS- Farbblätter. ›
Anregen und Beruhigen
Die Abstimmung zwischen Kopp und Diezinger & Kramer verlief deshalb relativ unkompliziert und ohne Kompetenzgerangel, weil beide bereits über lange Zeit und bei vielen Projekten als eingespieltes Team zusammenarbeiten. Und so bedurfte es auch keiner langen Diskussionen darüber, dass sämtliche Wände und Decken von Klassen- oder Lehrerzimmern, Sekretariat oder Mensa eher in zurückhaltenden gebrochenen Weißtönen erscheinen. Daraus ergibt sich in den Lernräumen eine im Vergleich zur anregenden Farbigkeit der Flure eher beruhigende Atmosphäre. Zur Konzentrationsfähigkeit der Schüler trägt dies ebenso bei wie eine kontrollierte Lüftung, die mit permanenter Messung der CO2-Werte und einem dreifachen Luftwechsel pro Stunde für ausreichend Sauerstoff sowie minimale Wärmeverluste sorgt. Insgesamt haben die Architekten mit großen Dämmpaketen, Wärmerückgewinnungsanlagen und Erdröhrenkollektoren einen Jahresprimärenergiebedarf von 112 kWh/m²a und damit Passivhausstandard erreicht. Eine offizielle Zertifizierung erfolgte nicht, da die konsequente Verfolgung dieses Ziels bis ins kleinste Detail das schmale Budget aus Steuermitteln überstiegen hätte.
Latexfarben versus Wanderklassen
Obwohl der Schulbetrieb der Dr.-Josef-Schwalber-Realschule erst im Herbst 2011 begann, weisen die farbigen Flurwände bereits heute unübersehbare Abnutzungsspuren aus dem Schulalltag auf, wie man sie eigentlich erst nach mehreren Jahren erwarten würde. Dies als Unmutsäußerung der Schüler zu interpretieren, wäre allerdings falsch. So zitierte die Rektorin Angelika Rogg in ihrer Eröffnungsrede Schüler, die sich über die präsenzmeldergesteuerte Beleuchtung oder das Fehlen der vor allem im Winter konfliktträchtigen Fensterlüftung ebenso positiv äußern wie über die Farben, die »so erfrischend und aufmunternd, so hell und kräftig sind und eine gute Stimmung machen«. Die Ursache für das Verschmutzungsproblem liegt vielmehr in der Tatsache, dass das ursprünglich im Raumprogramm definierte Stammklassenprinzip nach behördlichen Vorgaben kurz vor Bezug der Schule durch ein Fachraumprinzip ersetzt werden musste. Anstatt also über fest zugewiesene Klassenzimmer zu verfügen, machen sich die Schüler nun nach jeder Schulstunde als Wanderklasse auf den Weg in andere Räume. Wie sich heute zeigt, ist der zu diesem Zeitpunkt bereits aufgetragene matte Anstrich aus an sich strapazierfähigen und abwaschbaren Latexfarben für ein derartiges Bewegungsprofil allerdings ungeeignet.
In einem wesentlich besseren Zustand präsentieren sich dagegen die Treppenhäuser und das Wandbild an der Haupttreppe, die ebenfalls mit Latexfarben, jedoch mit einem zusätzlichen 2-Komponenten PU Klarlack beschichtet wurden. Diese Variante kam in den Fluren deshalb nicht zur Ausführung, weil man hier von relativ langen Intervallen für zeit- und kostenintensive Reinigungsmaßnahmen oder Neuanstriche ausging. Und dabei bieten die verwendeten Latexfarben den Vorteil, dass sie sich problemlos überstreichen lassen, während die beschichteten Flächen vor dem Neuanstrich erst mühsam abgeschliffen oder anderweitig mechanisch entfernt werden müssen.
Nach den Erfahrungen mit der hohen Frequentierung der Flure mit 10- bis 16-jährigen Schülern haben die Architekten bereits zahlreiche alternative Oberflächen untersucht. Wandbeläge und Verkleidungen schieden letztlich aus, weil auch sie sich – bei wesentlich höheren Investitionskosten – nicht dauerhaft vor den zu erwartenden Verschmutzungen und Oberflächenbeschädigungen schützen lassen. Aktuell werden Musterflächen verschiedenster Farbbeschichtungsqualitäten gestestet, die ebenso robust wie zu verträglichen Kosten erneuerbar sein müssen. Bis eine geeignete Lösung gefunden ist, wird die Schule wohl mit dem unerfreulichen Zustand der Wände leben müssen. Glücklicherweise bleibt der Gesamteindruck des bemerkenswerten Zusammenspiels zwischen Raum und Farbe davon unbeeinträchtigt. 


  • Standort: Dr.-Josef-Schwalber-Realschule, Staatliche Realschule Dachau Nikolaus-Deichl-Straße 1, 85221 Dachau
    Bauherr: Landkreis Dachau, vertreten durch Herrn Landrat Hansjörg Christmann
    Architekten: Diezinger & Kramer, Eichstätt
    Tragwerksplanung: TBU Ingenieurbüro, Karlsfeld
    Farbberatung: Herbert Kopp, München
    Landschaftsarchitekten: Adler & Olesch, München
    Technische Ausrüstung ELT/AFLT: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Ellrich u. Partner, München
    Technische Ausrüstung GWA/WBR: Climpaplan, München
    Brandschutzkonzept: K. Klingsohr, Ottenhofen
    Bauphysik: Gutbrod Bau Physik Ingenieurbüro, Markgröningen
    Fassadenberatung: KuB Fassadentechnik, Schwarzach (A)
    BGF: 16 500 m²
    BRI: 75 000 m³
    Baukosten: 34,4 Mio. Euro (KG 200-700, brutto)
    Bauzeit: April 2009 bis Mai 2011
  • Beteiligte Firmen: Fassadenplatten: großformatige Fassadentafel, Natura, Eternit, Heidelberg, www.eternit.de
    Fenster, Pfosten-Riegel: THERM+, RAICO, Pfaffenhausen, www.eternit.de
    Öffnungsflügel: BRAGA, GUTMANN, Weißenburg, www.eternit.de
    Raffstore: Veltrup, Schüco, Bielefeld, www.eternit.de
    Vollverdunkelung: Brichta, Dillingen, www.eternit.de
    Türen, RWA Fenster: ADS 75.SI, AWS 70.HI, Schüco, Bielefeld, www.eternit.de
    Holzstegträger: STEICOjoist, STEICO, Feldkirchen, www.eternit.de
    Dämmstoff: Sheddach Sporthalle: BAUDER PIR FA, Stuttgart, www.eternit.de
    Flachdachdämmung: V-V EPS 150, IsoBouw, Abstatt, www.eternit.de
    Fassadendämmung: FPL 035, Knauf Insulation, Simbach a. I., www.eternit.de
    Leichtausgleichmörtel: Knauf Schubo, Knauf Gips, Iphofen, www.eternit.de
    Estrich: Maxit, Saint-Gobain Weber, Düsseldorf, www.eternit.de
    Innenfarbe: Sensocryl ELF 266/267, Superlatex ELF 3000, Brillux, Münster, www.eternit.de
    Oberfläche Multiplexeinbauten: OLI – AQUA BEIZE, OLI LACKE, Lichtenau, www.eternit.de
    Natursteinböden: Fruchtschiefer, Natursteinwerk Theuma, Theuma, www.eternit.de
    Linoleumböden: Veneto xf, Tarkett, Frankenthal, www.eternit.de
    Innentüren: Schörghuber Spezialtüren, Ampfing, www.eternit.de
    Türgriffe: FSB, Franz Schneider Brakel, www.eternit.de
    Türschließer: TS 5000, GEZE, Leonberg, www.eternit.de
    Brandschutzverglasungen: Promat, Ratingen, www.eternit.de
    Brandschutztor: Jansen, Surwold, www.eternit.de
    Sammelgaragentor: ET 500, Hörmann, Steinhagen, www.eternit.de
    Klapptor Mensa: Belu Tec, Lingen/Ems, www.eternit.de
Am 13. Juli um 16 Uhr laden wir Sie ein, gemeinsam mit einem der Projektarchitekten die Realschule in Dachau zu besichtigen.
Anmeldungen bis 30. Juni unter:

DAchau (S. 20)

Diezinger & Kramer


Norbert Diezinger
1982 Diplom an der Universität Stuttgart. 1982-88 Projektarchitekt im Diözesanbauamt bei Karljosef Schattner, Eichstätt. Seit 1987 eigenes Büro in Eichstätt, seit 1990 gemeinsam mit Gerhard Kramer. Mitglied in Gremien für Stadtgestaltung.

Gerhard Kramer
1979 Diplom an der Universität Stuttgart. 1982-90 Mitarbeit bei Meister & Wittich, Stuttgart. Seit 1990 gemeinsames Büro mit Norbert Diezinger. Seit 1999 Professur an der Hochschule Regensburg.
Roland Pawlitschko
1969 in Stuttgart geboren. Architekturstudium in Karlsruhe und Wien. Architekturtheoretische Arbeiten, Ausstellungen und Architekturführungen. Seit 1999 Architekt und freier Autor in München.
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