1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » db-Archiv »

Wechselhaft

PCM – Latentwärmespeicher
Wechselhaft

Von fest zu flüssig, von flüssig zu fest – »phase change materials«, kurz PCMs, nutzen die unterschiedlichen Aggregatzustände, um Wärme zu speichern und bei Bedarf zeitversetzt abzugeben. Zwar verfügt man in diesem Bereich noch über wenige Kenntnisse zur Lebensdauer oder der späteren Entsorgung, und noch wird hier viel geforscht und entwickelt – einige Produkte sind aber bereits am Markt verfügbar.

Text: Jola Horschig mit Jan Mielke und Peter Schossig)

Massive Wände wie etwa bei historischen Fachwerkbauten oder Kirchen besitzen eine Eigenschaft, die sich besonders im Sommer sehr positiv bemerkbar macht: In den Innenräumen herrschen trotz brüllender Hitze angenehme Temperaturen. In der Nacht wiederum, wenn sich die Außenluft abgekühlt hat, ist es im Innern des Hauses warm. Dieser Effekt basiert auf der Tatsache, dass massive Bauwerke Wärme speichern und sie zeitverzögert abgeben. Jahrelang spielte diese so genannte Phasenverschiebung beim Bauen keine Rolle. Im Zuge einer energieeffizienten Bauweise wurden jedoch die thermischen Vorteile massiver Baustoffe wieder neu entdeckt. Bei Leichtbaukonstruktionen, die nicht über die notwendige Masse verfügen und bei denen es während der Sommermonate im Innern unangenehm heiß ist, könnten Baustoffe, die mit so genannten latenten Wärmespeichern ausgerüstet sind, Abhilfe schaffen. Hierbei handelt es sich um Materialien, die ab einer bestimmten Temperatur ihren Aggregatzustand ändern und dadurch Wärme speichern.
Prinzip
Vergleichen lässt sich diese Wirkungsweise mit Eiswürfeln. Lässt man Wasser zu Eis gefrieren, wird beim Übergang von flüssig zu fest Wärme freigesetzt. Gibt man die Eiswürfel nun in ein Getränk, wird ihm so lange Wärme entzogen, bis das Eis geschmolzen ist. Die Temperatur der Flüssigkeit bleibt während dieser Zeit konstant. Das große Potenzial von Latentwärmespeichern verdeutlicht vor allem dieser Versuch: Bei fortwährender Wärmezufuhr beträgt die einen Eiswürfel umgebende Temperatur so lange 0 °C, bis der Eiswürfel geschmolzen ist. Mit der Wärme, die zum Schmelzen benötigt wird, kann man dieselbe Menge Wasser auf 80 °C aufheizen.
Ein anderes Beispiel sind Latentwärmekissen: Sie bestehen aus einer Salz-Wasser-Mischung mit Stahlclicker als »Auslöser«, die von einer luftdichten Kunststofffolie eingeschlossen ist. Knickt man den Clicker, setzt im Innern des Kissens die Kristallbildung ein. Diese Reaktion läuft im Eiltempo ab und ist mit einer lang anhaltenden Temperaturerhöhung verbunden. Um die Kristalle wieder zu verflüssigen, muss man das Kissen einige Zeit in heißes Wasser legen. Die Salz-Wasser-Mischung ändert wieder ihren Aggregatzustand und speichert dabei erneut Wärme.
Um Latentwärmespeicher auch im Bau einsetzen zu können, benötigt man ebenfalls Materialien, die ihren Aggregatzustand ändern können, die so genannten Phase-Change-Materials (PCM). Für den Einsatz in Gebäuden kommen hauptsächlich zwei Materialklassen in Frage: Salzhydrate und Paraffine, die in Deutschland derzeit von zwei Unternehmen hergestellt werden. Allgemein gültige Empfehlungen, welches der beiden man einsetzen sollte, gibt es nicht. Salzhydrate haben den Vorteil, dass sie nicht brennen und eine höhere Energiespeicherkapazität aufweisen. Paraffine sind reaktionsträge und können mikroverkapselt werden. Beide Materialien werden für den Einsatz im Baubereich so aufbereitet, dass sie ab einer bestimmten Temperatur schmelzen und dabei Wärme speichern. Sinkt die umgebende Temperatur, werden sie wieder fest und geben die gespeicherte Wärme ab.
PCMs mit Salzhydraten
Ein Unternehmen, dass PCMs und damit ausgestattete Produkte selbst herstellt, hat sich für die Verwendung von Salzhydraten entschieden und für den Einsatz in Gebäuden eine spezielle Aluminium-Verbund-Folie als Kapselmaterial entwickelt. Die PCMs werden seit etwa zwei Jahren in Kettenbeuteln angeboten (Bild 3), die sich beispielsweise auf den Kassetten abgehängter Decken verlegen lassen. Sie verfügen über eine Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik (DiBT) und sind in die Brandschutzklasse B1 eingeordnet. Zu beachten ist vor allem, dass sie unbeschädigt bleiben.
Auch muss, um ihre Funktion sicherzustellen, die Raumluft die Beutel umströmen können und die nächtliche Wärmeabgabe durch entsprechende Lüftung (mechanisch oder natürlich) sichergestellt werden. Da die Wohlfühltemperatur eines Menschen bei sitzender Tätigkeit zwischen 22 und 25 °C liegt, sind die PCMs auf einen Schmelzpunkt von 23–25 °C und einen Kristallisationspunkt von 23 °C eingestellt. Zur zeitverschobenen Entladung muss die Temperatur nachts auf 20 °C oder weniger fallen. In Modulbauten durchgeführte Tests haben gezeigt, dass die Temperaturdifferenz zwischen einem mit PCMs ausgestatteten Raum und einem Referenzraum im Mittel 4 K (maximal 5,5 K) beträgt. Auch zeigte sich eine Verschiebung der maximal auftretenden Temperatur um drei Stunden (von etwa 14 nach 17 Uhr). Für den Einsatz von PCMs liegen allerdings noch keine Langzeiterfahrungen vor. Ein Betriebskostenvergleich mit einer Vollklimatisierung mit Splitgeräten gegenüber einer Kombination von Splitgeräten und PCMs zeigte am Beispiel eines Büroraumes mit einer Kühllast von 70 W/m², dass sich durch den Einsatz der latenten Wärmespeicher die Betriebskosten auf die Hälfte reduzieren lassen.
Da es technologisch möglich ist, Schmelztemperatur und Kristallisationspunkt der Salzhydrate einzustellen, kann man davon ausgehen, dass es künftig noch weitere Anwendungsgebiete geben wird. Ein interessantes Beispiel ist die Kombination mit einem 3-fach-Isolierglas. Ein im Scheibenzwischenraum angeordnetes Prismenelement reflektiert die hoch stehende Sommersonne (Einfallswinkel > 40°) und lässt die Hitze nicht in den ›
› Innenraum gelangen. Die tiefer stehende Wintersonne (Einfallswinkel < 35°) hingegen passiert den Sonnenschutz und trifft im hinteren Bereich auf die PCMs, die in Polycarbonatbehältern eingeschweißt sind. Sie nehmen tagsüber die Wärme auf und geben sie bei sinkender Raumtemperatur in den Innenraum als Strahlungswärme ab. Raumseitig ist das Element durch ein 6 mm Einscheiben-Sicherheitsglas abgeschlossen, das mit Siebdruck gestaltet werden kann (Bilder 1, 2 und 4 – 6). Die Preise für dieses Element mit transparenter Wärmedämmung liegen bei rund 800 Euro/m². Hinzu kommen die Kosten für die Rahmenkonstruktion. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings die Heizenergieeinsparung, die wiederum vom Standort des Gebäudes abhängig ist. Nach Berechnungen des Fachverbandes »Transparente Wärmedämmung« liegt sie bei nach Süden ausgerichteten TWD-Systemen zwischen 80–180 kWh/m² pro Jahr.
PCMs mit Paraffinen
Zu den aktuellen Neuheiten zählt eine 5 mm dicke und 1,2 x 1,2 m große Bauplatte, die aus einer Mischung von Paraffinen und Copolymer (Verhältnis 60 : 40) besteht und allseitig von Aluminium umgeben ist. Die Platte wird von einem luxemburgischen Unternehmen angeboten und lässt sich wie eine herkömmliche Gipskartonplatte verarbeiten. Die Befestigung ist mit Schrauben, Klammern oder Nägeln möglich. Aufgrund der Aluminium-Ummantelung entspricht die Platte nach DIN 4102 der Brandschutzklasse B2. Eventuelle Schnittstellen oder montagebedingte Perforationen müssen mit einem Alu-Klebeband verschlossen werden. Auslaufen kann das Paraffin nicht, da es mit dem Copolymer verbunden ist. Der Schmelzpunkt des Paraffinkerns liegt bei rund 22 °C. Ab dieser Raumtemperatur nimmt die Bauplatte Wärme aus der Umgebung auf und speichert sie. Sinkt die Raumtemperatur zum Beispiel auf 18 °C, wird die gespeicherte Wärme durch den Wechsel des Aggregatzustandes wieder abgegeben. Eingebaut werden die Bauplatten raumseitig zwischen Gipskartonplatte und Wärmedämmung. Die Kosten liegen bei etwa 50 Euro/m² zzgl. Verlegung.
Schon seit einigen Jahren befasst sich das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE), Freiburg, mit dem Einsatz von Paraffinen als Phase-Change-Material. Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat es in Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen und gefördert vom deutschen Ministerium für Wirtschaft und Technik (BMWi) mikroverkapselte Paraffine und darauf basierende Baustoffe entwickelt und zur Marktreife gebracht. Diese Mikrokapseln bestehen aus Kunststoff und haben einen Durchmesser zwischen 1/200 und 1/50 mm. Sie bieten der Industrie die Möglichkeit, die Paraffine in Pulverform oder als Suspension direkt in Baustoffe zu integrieren, die dann auf der Baustelle konventionell verarbeitet werden können.
Entwickelt wurde unter anderem ein Gipsputz, der circa 20 Gewichtsprozent PCM enthält und eine Wärmespeicherkapazität von etwa 20 J/g erreicht. Die Wirksamkeit ermittelte das Fraunhofer ISE anhand von zwei identisch aufgebauten Räumen. Ein Raum wurde mit dem PCM-Putz (15 mm) und der andere mit konventionellem Gipsputz ausgestattet. Vergleichsmessungen ergaben, dass durch die PCMs die Wandtemperatur über einen längeren Zeitraum auch hier um bis zu 4 K gesenkt werden konnte. Für den Trockenbau wurde zusammen mit der Industrie eine PCM-Gipskartonplatte entwickelt, die etwa 30 Gewichtsprozent PCMs enthält. Seit Mitte 2006 ist auch ein Porenbetonstein mit integriertem PCM auf dem Markt.
Ausblick
PCMs bieten die Möglichkeit, die Vorteile des Massivbaus mit den Vorteilen des Leichtbaus zu kombinieren. Allerdings unterliegen sie zwei Einschränkungen, die wiederum ihren Einsatz behindern können: Zum Einen limitiert der Wand-Luft-Wärmeübergang die Wärmemenge, die in einem 24-Stunden-Zyklus beladen und vor allem auch wieder entladen werden kann. Zum Zweiten ist die einzige verfügbare Kältequelle die Nachtluft. In heißen Sommernächten kann dies dazu führen, dass sich der Latentwärmespeicher nicht entlädt und somit am nächsten Tag nicht zur Verfügung steht. Als Lösung dieser Probleme befasst sich das Fraunhofer ISE derzeit in einem aktuellen, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit geförderten Projekt mit aktiv durchströmten Flächenkühlsystemen in Kombination mit PCM-Baustoffen.
So werden unter anderem Kühldecken mit PCM-Gipsputz beziehungsweise mit PCM-Dispersionsspachtelmasse mit integrierten und Wasser durchströmten Kapillarrohrmatten untersucht. Das PCM in der Kühldecke ermöglicht hierbei, dass ein Großteil der Wärme, die bei konventionellen Systemen aktiv abzuführen ist, passiv zwischengespeichert werden kann und nur der Überschuss einer aktiven Kühlung bedarf. Ein weiterer Vorteil von PCM in Kühldecken ist, dass Kälteleistung akkumuliert werden kann.
Werden also PCMs auch für die Kältespeicherung eingesetzt, ist es möglich, die Kälteanlage kleiner zu dimensionieren oder andere Kältequellen (mit einer geringeren Kälteleistung) zur verwenden, beispielsweise Erdsonden. Weitere wichtige Fragen, für die im Rahmen des Forschungsvorhabens noch eine Lösung zu finden ist, sind neben dem Schmelzpunkt auch sinnvolle Regelungsstrategien für die denkbaren Kühlsysteme.
Die bisherigen Forschungsarbeiten zeigten, dass für den erfolgreichen Einsatz von PCM-Baustoffen die Gegebenheiten des Gebäudes, die voraussichtlichen Kühllasten und der darauf basierende PCM-Flächenbedarf berücksichtigt werden müssen. Daher hat Fraunhofer ISE entsprechende Rechenmodelle entwickelt und bringt sie derzeit mit einem Industriepartner zur Marktreife.
Obwohl sich Forschungseinrichtungen und Unternehmen schon seit Jahren mit Phase-Change-Materials befassen, ist deren Entwicklungs- und Anwendungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Dennoch bieten PCMs bereits heute die Möglichkeit, auch in Leichtbauten ein erträgliches Innenraumklima zu schaffen. •
Tags
Aktuelles Heft
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de