1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » db-Archiv »

Solarfonds »Sonnenschiff«

Alternative Finanzierung für ein alternatives Konzept
Solarfonds »Sonnenschiff«

Geschlossene Immobilienfonds, bei denen eine Gruppe von Anlegern einen festgelegten Anteil an bestimmten Immobilien erwirbt, haben 2006 in Deutschland insgesamt 4,96 Mrd Euro eingesammelt, 24 Prozent mehr als noch 2005, und damit einschließlich der Bankkredite ein Investitionsvolumen von 11,2 Mrd ermöglicht. Viele Anleger haben offene Immobilienfonds verlassen, die durch zu hohe Objektbewertungen in die Krise gerieten, und mit durchschnittlichen Zeichnungssummen von fast 35 000 Euro auf die eigentlich risikoreichere Form der geschlossenen Fonds umgesattelt. Von 373 Anbietern geschlossener Fonds deckten die 40 Großen der Branche zwei Drittel des Gesamtvolumens ab. Die Solarsiedlung GmbH zählt dagegen zu den ganz Kleinen, aber sehr erfolgreichen.

Text: Gudrun Escher Fotos: Rolf Disch

In Freiburg im Breisgau, der selbsternannten Solarhauptstadt Deutschlands, gibt es einen neuen Berufszweig: Gästeführer für Ökoprojekte, allen voran in der Solarsiedlung am Schlierberg, denn die Neugier auf dieses Projekt wächst. Seit Ende letzten Jahres der Büro- und Geschäftskomplex »Sonnenschiff« fertiggestellt und bezogen wurde, ist das Ensemble der Solarsiedlung komplett, jedenfalls in dem reduzierten Umfang, der nach den Turbulenzen der Anfangsphase übrig blieb. Rolf Disch, 1976 Initiator der ersten Freiburger Baugruppe und Pionier des energieeffizienten Bauens unter Einsatz von Sonnenenergie – sein Wohn- und Bürohaus »Heliotrop« entstand 1995 –, widmet sich vorwiegend dem Wohnungsbau. Den Bebauungsplan für eine Solarsiedlung auf den Sportplätzen der früheren französischen Vauban-Kasernen an der Merzhauser Straße stellte er für die Instag AG auf, die Immobilienfirma von Rolf Deyhle, dem Erfinder des Bauherrenmodells und Hansdampf in allen Mediengassen von der Stella AG bis zu Multiplex-Kinos. Er war es auch, der die Bezeichnung »Plusenergiehaus« als Marke schützen ließ, denn in der Solarsiedlung wird mehr Energie erzeugt als verbraucht.
Als der Investor nach Fehlinvestitionen Ende der neunziger Jahre aufgeben musste, verfiel die Option auf das städtische Grundstück und es wurde neu ausgeschrieben. Um das Projekt zu retten, gründete Rolf Disch zusammen mit dem Schokoladenproduzenten Alfred Ritter und Marli Hoppe-Ritter eine GmbH zur Übernahme aller Rechte und Pflichten der Instag AG für die Solarsiedlung. Obwohl die heute noch bestehende Projektgesellschaft den Investorenwettbewerb gewann, erhielt sie nur ein Teilgrundstück. Deshalb schrumpfte die Häusergruppe von geplanten 219 auf 50 Reihenhäuser sowie neun Penthouse-Einheiten und das »Sonnenschiff«, das den Wohnbereich zur Hauptverkehrsstraße abschirmt, von 300 auf 125 Meter Länge. Südlich wird das Ensemble jetzt von banalem Geschosswohnungsbau eines Bauträgers überschattet, das ursprüngliche Wasserkonzept, bei dem Regen und Bachläufe vom Hang des Lorettoberges genutzt und oberflächig abgeleitet werden sollten, blieb Stückwerk.
Für den neuen Bebauungsplan passte Disch das Konzept den Nutzerwünschen an: Die Wohnflächen wurden vergrößert und Pultdächer traten an die Stelle von Flachdächern. Unverändert blieb das Energiekonzept, das mit der städtebaulichen Ausrichtung der autofreien Siedlung beginnt, und endet bei dem Zusammenspiel einer zentralen Lüftung mit innovativer Wärmedämmung dank eines hoch effizienten Vakuumdämmstoffes und Latentwärmespeichern in Zwischenwänden der Obergeschosse. Für sommerliche Abschattung der Wohnräume sorgen Balkons auf der Südseite und tief heruntergezogene Schrägen der Dachabdeckung, bestehend aus hinterlüfteten, semitransparenten Fotovoltaikzellen auf einem Stahlständerwerk. Die Verkleidung der sehr plakativen, geschlossenen Außenflächen zeigt wechselnd farbig gefasstes Holz und Aluminium. Das »Sonnenschiff« mit zwei Untergeschossen für Tiefgaragen und Quartiersweinkeller, Geschäften und einem Café im Erdgeschoss und darüber Büros weist eine Holzfassade als Pfosten-Riegel-Konstruktion auf mit Lüftungsflügeln, geschlossener Mehrfachverglasung und Vakuumdämmplatten. Der Bau der Wohnzeilen erfolgte abschnittsweise, was für den Architekten und sein Team parallele Baustellenbetreuung, Verkaufsunterstützung und Vertrieb bedeutete sowie Bauherrnberatung mit Berücksichtigung von Sonderwünschen.
Anlaufschwierigkeiten gab es, weil Gerüchte über astronomisch hohe Preise kursierten und Banken als Kreditbedingung den 60-prozentigen Vorverkauf forderten. In dieser Situation waren Fördermittel der Bundesstiftung Umweltschutz für Kommunikation und Monitoring sowie die Qualifizierung als externes Projekt der Expo 2000 eine wirksame ideelle Unterstützung, denn als im Mai 2000 die erste Hauszeile fertig war und zum Tag der offenen Tür die Besucher strömten, wuchs das öffentliche Interesse soweit, dass es Anfragen nach Beteiligungsmöglichkeiten gab. Dadurch konnte das Finanzierungsproblem gelöst werden, denn 2001 wurde in Tranchen zu 5000 Euro der erste »Solarfonds Freiburg« aufgelegt mit einem Umfang von 1,5 Mio Euro, Fonds 2, 3 und 4 zuletzt mit 3 Mio Zeichnungssumme folgten jeweils im Jahresabstand.
Die meisten der Reihenhäuser haben ihre Bewohner zu Preisen von 2400 bis 3300 Euro/m2 brutto einschließlich Bauträgerkosten und Grundstück erworben, 15 Häuser gehören zum Bestand der vier Fonds und sind vermietet bei durchschnittlichen Mietpreisen von 11 Euro/m2, was dem oberen Segment in Freiburg entspricht. Die Fotovoltaikanlagen sind kein Bestandteil der Fonds. Sie konnten von Hausbesitzern oder externen Anlegern separat erworben werden, denn durch die Einspeisungsvergütung in das Stromnetz erzielen sie betriebliche Gewinne, die mit dem Fonds-Konzept nicht vereinbar wären. Die Solarsiedlung GmbH entschied sich für das finanztechnisch und steuerlich günstigste Modell.
Erfahrungswerte ergaben, dass trotz höherer Baukosten die Wohnhäuser wegen der niedrigen Betriebskosten und der Erlöse aus der PV-Anlage – Heizkosten von 50 bis 100 Euro im Jahr können vernachlässigt werden – mehr Rendite ermöglichen als Zins und Tilgung durchschnittlich ausmachen. Das sind nicht nur gute Argumente für Käufer und Mieter, sondern auch für die Anteilszeichner. Die Solarfonds, bei denen es sich nicht um Energie-, sondern um traditionelle, geschlossene lmmobilienfonds handelt, erzielen durchschnittliche Renditen von fünf Prozent, maximal prognostiziert 6,2 Prozent, und liegen damit im guten Mittelfeld der Anlageform. Anteilseigner sind vorwiegend Privatpersonen, die sich für die Sache engagieren wollen, zugleich aber auf nachhaltige und langfristig solide Erträge Wert legen. Als fünfter Fonds ist kürzlich der »1. Sonnenschiff-Fonds« über 5,65 Mio Euro gestartet für das Büro- und Geschäftshaus mit einer Gesamtbausumme 20 Mio Euro. Nicht Bestandteil dieses Fonds sind das erste Obergeschoss mit Büroflächen, in dem auch die Solarsiedlung GmbH und das Architekturbüro residieren, der Kopfbau, den das Freiburger Öko-Institut über seine Stiftung zur Eigennutzung gekauft hat, sowie die neun Penthouse-Einheiten, die auf dem Baukomplex in einen Dachgarten integriert sind.
Das Finanzierungsmodell könnte Schule machen als Alternative zu Bankkrediten, die gerade für innovative Konzepte immer schwerer zu bekommen sind. •
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de