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Redaktionstermin

Diskussionsrunde über die Anbindung von CAD an AVA – Vier Softwareunternehmen zu Gast bei der db
Redaktionstermin

Nemetschek, RIB, Graphisoft und Softtech bieten seit rund einem Jahr Planern Programme an, die sie bei der Übertragung von Daten aus ihren CAD-Zeichnungen in AVA-Programme und der Mengenermittlung unterstützen sollen. Erstaunlich ist, dass diese auf wenig Akzeptanz stoßen, beziehungsweise nicht auf die seitens der Unternehmen erhoffte Nutzerzahl – ein Anlass, die Entwickler und Vertreter der Firmen einzuladen, um gemeinsam über die Probleme beziehungsweise über dieses »Phänomen« zu sprechen. Doch die Diskussion nahm schnell eine ungeahnte Wendung…

Teilnehmer Bausoftwarebranche: Jörg Müller, Johannes Reischböck (Graphisoft); Andreas Parzefall, Michael Kießling (Nemetschek); Wolfgang Reinecke, Uwe Hüttner (RIB); Michael Müns, Martin Schuff (Softtech) Teilnehmer Redaktion: Jürgen Roth, Rolf Mauer, Christine Fritzenwallner {Text: Jürgen Roth

Es war zunächst ein ungewöhnlicher Gedanke, den Software-Autor Jürgen Roth 2006 äußerte: Verschiedene Hersteller von Bausoftware in die Redaktion einzuladen, um sich über deren neue Produkte bezüglich der Anbindung CAD an AVA zu informieren und die mangelnde Nachfrage nach diesen Produkten zu diskutieren. Für uns kamen zugleich so einige Fragen auf: Kann man Konkurrenzunternehmen an einen Tisch bitten? Kommt überhaupt jemand auf unsere Einladung hin? Und erreichen wir es, direkt mit den Entwicklern und Produktmanagern zu sprechen? Braucht man Schiedsrichter oder gar Schlichter? Nach der überraschenden Zusage und teilweise sogar großen Begeisterung seitens der Unternehmen stand schließlich ein Termin Mitte Februar fest. Doch anders, als wir erwartet hatten, war es eine nahezu harmonische Runde aus Gästen, die sich überwiegend bereits kannten. Die »Diskussion«, die wir uns erhofft hatten, entwickelte gleich zu Beginn eine Eigendynamik und triftete in eine andere Richtung – aufschlussreich war sie dennoch. Auf unserer »Themen-Wunschliste«: Orientieren sich die Programme an der traditionellen Arbeitsweise des Architekten oder muss dieser erst umerzogen werden? Wie verhält es sich mit dem Aufwand und Nutzen, zum Beispiel bei kleineren Projekten oder in kleineren Büros, bei Sanierung und Umbau? Ist ein bidirektionaler Datenaustausch sinnvoll? Welche Risiken entstehen für den Planer, der sich voll und ganz auf Automatismen verlassen muss und für den praktikable Kontrollmechanismen kaum vorhanden sind? Stimmt unsere These, dass die Kopplung zwischen CAD und AVA eher formal als inhaltlich realisiert ist? Das Anliegen der Unternehmen: Warum arbeiten die Architekten so unergonomisch? Wo sehen Architekten und Ingenieure heutzutage ihre Rolle? Was hat sich im Rollenbild des Architekten verändert oder eben gerade nicht verändert? Und wer trägt mit dazu bei, dass dieses Rollenbild genau so aussieht, und so stark geprägt wird? ~cf
(Un)geteilte Ansichten
BIM – Building Information Modeling – war das Schlagwort der ACS im Oktober 2004. Die dahintersteckende Idee: ein durchgängiger, verlustfreier Datenfluss von der Planung über die Bauausführung und die gesamte Nutzungsphase bis hin zum Abriss. Fast alle namhaften Hersteller proklamierten damals, dass ihre Produkte das BIM selbstverständlich unterstützen – »irgendwie« wollte man als kritischer Betrachter hinzufügen. Denn selbst für ein »Minimal-BIM«, den Datenaustausch zwischen CAD- und AVA-Programmen, wurden und werden »Lösungen« angeboten, die diese Bezeichnung streng genommen nicht verdienen. Offensichtlich war man sich dessen zumindest bei Graphisoft, Nemetschek und Softtech insgeheim bewusst und hat dem Thema erhöhte Priorität eingeräumt. Dies würde jedenfalls erklären, warum alle drei Anbieter in der jüngeren Vergangenheit neue Produkte beziehungsweise Zusatzmodule für die Datenverbindung zwischen CAD und AVA auf den Markt gebracht haben. Diese versprechen Effizienzsteigerung sowie größere Sicherheit und Genauigkeit bei der Kostenberechnung und dem Erstellen von Leistungsverzeichnissen. Trotz dieser Vorzüge bleibt die Nachfrage seitens der Architekten deutlich hinter den Erwartungen der Hersteller zurück.
Die Intention des Zusammentreffens, den Branchen-Insidern unter anderem eine kritische Stellungnahme zu den Lösungen der Konkurrenz zu entlocken, gelang – um es gleich vorwegzunehmen – nicht: Nemetschek hatte zwischenzeitlich die Aktienmehrheit bei Graphisoft übernommen, die ehemals harten Konkurrenten auf dem CAD-Markt wollten sich unter diesen geänderten Voraussetzungen verständlicherweise nicht weh tun. Und da RIB als Kooperationspartner von Graphisoft quasi mit im Boot saß, kam auch aus dieser Richtung keine Kritik. So waren die beiden Vertreter von Softtech eindeutig in der Minderheit. Da sich unter diesen Umständen in der Gesprächsrunde keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Stärken und Schwächen der verschiedenen Lösungen ergaben, sei der interessierte Leser an dieser Stelle auf die Informationen auf den Internetseiten der Anbieter sowie die bereits in der db veröffentlichen Artikel zu den Produkten (z. B. zum »Kostenmanager« von Spirit, db 12/2006) verwiesen.
Ergonomie- oder Kompetenzproblem?
Nach Einschätzung der Softwareanbieter beträgt hierzulande derzeit der Anteil der Büros, die die Vorteile Datenverbindung zwischen CAD und AVA nutzen, zwischen 10 bis maximal 20 Prozent. Dass es nicht wesentlich mehr sind, liegt nach Ansicht der Hersteller nicht an der mangelnden Qualität der Software, sondern der mangelnden Bereitschaft der Architekten, diese zu nutzen. Praktisch einstimmig wurde von ihnen beklagt, dass sich ein großer Teil der Architekten gar nicht mit ökonomischen Fragen beschäftigen möchte. Lösungen für mehr Effizienz bei der Kostenplanung und Ausschreibung seien in diesen Büros gar nicht gefragt, weil man sich ›
› nach der Entwurfsphase ohnehin aus dem weiteren Planungs- und Realisierungsprozess verabschiede. Dass sich das Berufsbild des Architekten immer mehr auf das des Entwerfers reduziert, der die Rolle eines umfassenden Beraters des Bauherrn gar nicht mehr ausfüllt, sei nicht zuletzt der Berichterstattung in den Medien zuzuschreiben. Diese stellten den kreativen Aspekt der Planung zu sehr in den Vordergrund: Gefeiert wird nur der geniale Entwerfer, nicht der, der besonders gut wirtschaftet – sei es mit seinem eigenen Budget und/oder dem seines Bauherrn. Speziell die Architektur-Fachpresse solle deshalb ökonomische Aspekte verstärkt behandeln, um ihren Lesern Kompetenz in diesem Bereich zu vermitteln. Denn eine mangelnde Kompetenz in wirtschaftlichen Belangen bei vielen Architekten sahen die meisten der anwesenden Vertreter der Bausoftwarebranche als den wesentlichen Grund dafür an, dass die – aus ihrer Sicht – ausgereiften Programme und Tools vom Markt kaum angenommen werden. Diese Einschätzung blieb seitens der Redaktion natürlich nicht ohne Widerspruch. So sieht nicht nur Rolf Mauer das Hauptproblem weniger in der angeblich mangelnden Kompetenz der Architekten, sondern in der immer noch unzureichenden Ergonomie der Programme: Diese sind nach wie vor nicht wirklich intuitiv zugänglich, weshalb eine effiziente Nutzung intensive Einarbeitung und viel Routine voraussetzt. In größeren Büros mit auf verschiedene Tätigkeitsfelder spezialisierten Mitarbeitern oder in Büros, die sich auf einen bestimmten Teilaspekt der Planung spezialisiert haben, sind diese Voraussetzungen gegeben. Der Spezialist nutzt »seine« Software tagtäglich, so dass das Verhältnis zwischen Einarbeitung, Vertiefung der Kenntnisse und praktischer Anwendung relativ günstig ist. Wer jedoch in einem kleinen Büro als Allrounder zwangsläufig nur im Abstand mehrerer Monate mit bestimmten Leistungsphasen wie der Vorbereitung der Vergabe beschäftigt ist, muss sich jedesmal wieder – zumindest zu einem gewissen Grad – neu in die Software einarbeiten. Statt der gewünschten Zeitersparnis ist dann in der Summe ein Mehraufwand zu verbuchen. Kleine Büros, in denen ein oder zwei Inhaber alleine tätig sind, denken also sehr wohl wirtschaftlich: Selbst wenn durch den Softwareeinsatz Zeit gespart werden kann, schlägt sich dies nicht direkt in einer Kostenersparnis nieder, da ja keine Personalkosten im eigentlichen Sinne anfallen. Es entstehen aber in jedem Fall zusätzliche Kosten für die Anschaffung der Software. Hinzu kommt, dass die durch die Softwareunterstützung (eventuell) eingesparte Zeit bei schlechter Auftragslage nicht einmal zur Erwirtschaftung zusätzlicher Honorare gewinnbringend eingesetzt werden kann.
Dieses Szenario mag auch eine Erklärung dafür sein, dass viele Büros die Fähigkeiten moderner Programme nur zu einem geringen Teil nutzen. Oder im Bereich CAD preiswerte 2D-Software einsetzen, denn schließlich werden in der Praxis nur 2D-Pläne gefordert. Dies ist letztlich auch der Grund, warum immer noch ein erschreckend hoher Prozentsatz der Architekten mit ihrer CAD-Software genauso arbeitet wie früher mit Reißschiene und Zeichenbrett. Denn dass der Aufbau eines dreidimensionalen Gebäudemodells mit geeigneter Software heutzutage gegenüber dem Erstellen von reinen 2D-Zeichnungen kaum zusätzlichen Aufwand erfordert, sollte sich eigentlich inzwischen herumgesprochen haben. Aus dem Modell abgeleitete, konsistente Plandarstellungen, die Mehrfachnutzung des Modells durch die Weitergabe an Fachplaner, zur Visualisierung und – um auf das Ausgangsthema zurückzukommen – zur Mengen- und Kostenermittlung sind ebenfalls essenzielle Vorteile der 3D-Bearbeitung. Wer dies bestreitet, greift in der Regel auf Erfahrungen mit 10 oder 15 Jahre alten CAD-Programmen zurück. Unstrittig ist aber, dass das Erstellen eines virtuellen Gebäudemodells tiefere und speziellere Kenntnisse der CAD-Software erfordert als dies zum Zeichnen von simplen Linien von Nöten ist. Ohne die Zeit, sich in ein hochwertigeres System einzuarbeiten (beziehungsweise neue Mitarbeiter entsprechend zu schulen), und vor allem auch das nötige Kleingeld für dessen Erwerb, bleibt kleineren Büros schlichtweg keine andere Wahl, als sich mit Minimallösungen zufriedenzugeben. Den pauschalen Vorwurf der Hersteller, es fehle einem Großteil der Architekten grundsätzlich an der Bereitschaft, sich einem computerunterstützten Arbeitsprozess anzupassen, kann man deshalb sicher nur bedingt gelten lassen.
Selbstkritik
Immerhin gestanden es die Softwareanbieter in der Diskussion ein, selbst auch Fehler gemacht zu haben. Vor allem, dass sie in der Vergangenheit durch ihre Marketingabteilungen Erwartungen erweckten, die die Programme in der Praxis nicht halten konnten – Stichwort: »LV auf Knopfdruck«. So ist verständlich, dass die Architekten in der Folge neuen Lösungen heute sehr skeptisch gegenüberstehen. Das Risiko, in den Kauf und die Einarbeitung neuer Software viel Geld und Zeit zu investieren, um dann möglicherweise festzustellen, dass man die vom Hersteller versprochene Effizienzsteigerung doch nicht erreicht, wird deshalb von vielen als zu hoch eingeschätzt. Zudem hat die eine oder andere an der Börse notierte Firma das Vertrauen vieler ihrer Kunden verspielt, weil sie in der Vergangenheit zu sehr auf den »Shareholder Value« schielte, anstatt die Weiterentwicklung der Software an den bodenständigen Bedürfnissen der Anwender auszurichten.
Vonseiten RIB räumte man ein, dass es in der Vergangenheit versäumt wurde, zu den Softwarelösungen auch den für einen raschen effizienten Einsatz benötigten Content bereitzustellen. Denn bei den nach dem Prinzip der Zuordnung von AVA-Bauelementen zu CAD-Bauteilen arbeitenden Konzepten schrecken die erforderlichen Vorarbeiten viele potenzielle Anwender ab: Ehe es an die eigentliche Bemusterung gehen kann, müssen zunächst die für ein Projekt benötigten spezifischen AVA-Elemente aus einzelnen Leistungspositionen und Rechenansätzen für die Ableitung der Teilmengen zusammengestellt werden. Dies will man dem Anwender in Zukunft durch ein wachsendes Angebot von Katalogen mit vorgefertigten Kostenelementen ersparen.
Fazit
Die in unserer Diskussionsrunde von den Firmenvertretern geäußerte Ansicht, dass ein Großteil der Architekten für rationelle Abläufe und Effizienzsteigerung durch den Einsatz aktueller Softwarelösungen erst sensibilisiert werden muss, trifft sicherlich nur bedingt zu (und für denjenigen, der diesen Artikel bis hierher gelesen hat bestimmt nicht). Vielmehr sollte sich die Bausoftwarebranche – so sie denn wirklich neue Kunden gewinnen will – darüber Gedanken machen, wie sie die Belange kleiner und kleinster Büros, in denen schließlich 80 bis über 95 Prozent aller Architekten in Deutschland tätig sind, besser berücksichtigen kann. Denn für diese Büros stellt sich die Relation zwischen Lizenzkosten, Einarbeitungsaufwand sowie Auslastungsgrad der verwendeten Software und der möglichen Ersparnis an Zeit und Geld ganz anders dar als für Referenzkunden der Softwarehersteller – mit Bürogrößen von zehn oder mehr Angestellten und entsprechend vielen Projekten. Wie wäre es zum Beispiel mit einer gegen eine geringe Schutzgebühr erhältliche »Ein-Projekt-Evaluierungs-Lizenz« für jeden Neukunden? Oder mit einem Beteiligungs-Modell: Der Softwarehersteller stellt sein Programm – und gegebenfalls auch Man-Power – zur Verfügung und erhält dafür im Gegenzug einen bestimmten Anteil am Projekthonorar? •
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