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Radikales Architektentrio

Einfamilienhaus am Erlenweg in Möriken (CH)
Radikales Architektentrio

Am Rand eines kleinen Ortes in der Nähe von Lenzburg in der Schweiz überrascht ein provokativer Betonmonolith, eingebettet zwischen belangloser Bausubstanz und neuzeitlicher, aber monotoner Architektur, durch seine ausgesprochen ausgeprägte Präsenz. Das anspruchslose bauliche Umfeld versprach keine attraktive städtebauliche Anknüpfung, daher konzentrierten sich die Architekten auf einen klaren, vom Umfeld unabhängigen Entwurf, dessen überzeugendes Konzept bereits beim ersten Anblick deutlich wird.

    • Architekten: Ken Architekten Tragwerksplanung: Heyer Kaufmann Partner

  • Text: Carmen Eschrich Fotos: Hannes Henz
Ken Architekten verfolgen eine klare Linie in der Planung, im Entwurf, in konsequenter Umsetzung und machen sich stark für termingerechte, kostenkontrollierte Bauführung. Die drei Büropartner kennen sich bereits aus dem Architekturstudium; danach ging jeder eigene Wege und sammelte individuell Erfahrungen. Die Bearbeitung eines Wettbewerbs führte sie wieder zusammen, woraufhin sie ein gemeinsames Büro gründeten. Bestehend aus den drei Inhabern und einem tatkräftigen Team, nutzt dieses stets den Erfahrungsschatz aller Büromitglieder; dabei hat jede Meinung gleiche Gewichtung. »Wir legen großen Wert auf kollektives Arbeiten, einzelne Namen bedeuten uns wenig, denn wir stehen als Ken Architekten hinter unseren Projekten«, erklärt einer der Inhaber, Lorenz Peter.
Ausprobieren, Experimentieren und Grenzen eines Konzepts auszutesten, stehen dabei an erster Stelle. Einen Investoren für solch provokative Projekte zu gewinnen, ist nicht immer einfach. Als ein Bauherrenpaar das junge Büro für die Planung ihres Einfamilienhauses beauftragen wollte, sagte dieses jedoch nicht sofort zu. »Wir müssen hinter unseren Projekten und deren Ausführung stehen und wollen durch sie mit Formen und Konzepten experimentieren; dabei ist uns der Profit nicht am wichtigsten«, so die Entwerfer. Sich des Risikos bewusst, den Auftrag zu verlieren, schlugen sie dennoch die Ausrichtung eines kleinen Wettbewerbs vor: Auf diese Weise konnten sie frei und unvoreingenommen von oft einengenden Bauherrenwünschen das Potenzial des Bauplatzes sowie seiner Kommunikation zur Umwelt studieren. Das daraus resultierende, radikale, aber gleichzeitig unwiderstehlich überzeugende Konzept stellte die eher konservativen Entwürfe der Mitbewerber schnell in den Schatten. Die Komplexität lies sich einfach erfassen, und der Bauherr zeigte sich offen für das unkonventionelle Wohnkonzept.
Dieses präsentiert sich nun als glatter Würfel, der sich einerseits klar zur Umwelt abgrenzt, andererseits selektive, präzise gewählte Kontakte zu ihr zulässt. Die Box öffnet sich an zwei Seiten; einmal zur ›
› Straße, um den Eingang zu definieren, und einmal zur Rückseite des Bauplatzes, um die grüne Landschaft ins Gebäude zu holen. Von der Straße rückt die Wohnbox bewusst ab, um sich so nah wie möglich am Bach und der Aussicht auf die Landschaft und ein nahe gelegenes Schloss zu positionieren. Eigentlich hätten sich die Planer gewünscht, das Gebäude frei auf einer grünen Wiese zu platzieren, doch die Nutzer wollten auch bei Regen oder Schnee trockenen Fußes zu ihrem Haus gelangen. Als Kompromiss- lösung entschied man sich für ein scheinbar lose aufgelegtes Wegeraster. Der Baukörper wurde zwischen den 20 cm angehobenen Betonstegen positioniert, die weder Anfang noch Ende zu haben scheinen. Die Parzellengrenzen nachzeichnend, liegt das locker gesponnene Netz über dem Grundstück und lässt so das freie Feld darunter durchlaufen. Die Felder zwischen den »Fäden« können beliebig bepflanzt werden oder naturbelassen bleiben.
IM inneren
Die Sichtbetonfassade des Wohnhauses bieten eine neutrale Hülle, deren Innenräume die Farben des Außenbereichs aufnehmen können: Je nach Lichteinfall reflektieren die verputzten, mit weißem Kalkanstrich überzogenen Wände die Umwelt oder beleben die Oberflächen mit zartem Grün und spannendem Schattenwurf. Die großen, rahmenlosen Fenster fangen Licht, Farben und Formen der Natur sowie verschiedene Jahreszeiten wie ein stetig wechselnder Bilderrahmen ein. Aufgrund der großzügigen Verglasung wird eine enorme Präsenz der Landschaft im Innenraum erzeugt.
Die Gestaltung des Grundrisses ist eine logische Konsequenz der Ausschnitte aus dem Kubus: Schneidet man das Eingangs- und Terrassenpodest aus dem Monolith, ergibt sich auf der Eingangsebene eine spannende Z-Bewegung. Dabei liegt die Küche an einer Geraden, der Wohnbereich an entgegengesetzter. Beide verbindet der Zugang zur Terrasse und der übergreifende Ausblick auf die Landschaft. Zentral im Entwurf war die Kommunikation der verschiedenen Bereiche, sie sollten nicht voneinander abgeschottet sein.
Eine schlichte Betontreppe führt nach oben zum Bad und den Schlafzimmern. Diese sind absolut identisch in ihrer Grundfläche; abhängig von der Ausrichtung und dem damit verbundenen Lichteinfall, der Anordnung, Gestaltung und Anzahl der Fenster sowie der Positionierung der Zimmertür bieten sie dem Bewohner aber unterschiedliche Atmosphären.
Da sich der Bauherr ein »farbloses Haus« wünschte, wurden die Materialien dementsprechend gewählt: Der schwarze Linolboden bietet Kontrast zu den hellen Wänden und der weißen Akustikdecke. Ebenso »farblos« aufgrund ihrer Schlichtheit und Funktionalität sind die Sanitärgegenstände in den Nassräumen, die Oberflächen der Einbaumöbel als schwarz gespritzte MDF-Platten oder der glatt betonierte Tisch in der Küche. ›
› Die Linearität im Grundriss und Garten setzt sich konsequenterweise auch in der Vertikalen fort. Präzise, scharfe Kanten umfassen den Würfel, die fehlenden horizontalen Rahmenprofile der Verglasung verwischen die Geschossigkeit. Mehrere Schichten einer Acryllasur mit Metallpigmenten veredeln die raue Betonfassade und reflektieren je nach Lichteinfall die Umgebung. »Manchmal glänzt das Gebäude, als wäre es nass; wie eine Skulptur tritt es dann hervor, die Ecken wirken jedoch aufgelöst und vereinen sich mit dem Himmel«, so Lorenz Peter. Das klare Bild des Baukörpers sollte möglichst überzeugend sein, weshalb auch der Dachanschluss unsichtbar ist. Die Entwässerung liegt in der obersten Geschossdecke und erfolgt über die Gebäudeecken, die mit einem Spezialanstrich behandelt wurden und so einem unattraktiven Bild verschmutzter Betonwände vorbeugen sollen. Ein aufgesetzter Sonnenschutz wäre ebenfalls störend gewesen, deshalb wird der Sonneneinfall je nach Himmelsrichtung über unterschiedlich weit vorgezogene Dachüberstände kontrolliert.
Kritische haltung
Nichts ist, wie ein typisches Einfamilienhaus sein soll, traditionelle Merkmale wurden kritisch hinterfragt, nicht jedoch kategorisch abgelehnt: Fand man ein wertvolles Gestaltungselement, so wurde sein herkömmlicher Einsatz studiert und abstrahiert eingesetzt. Den Außensitzbereich wie üblich gen Süden zu orientieren, hätte eine unmittelbare Ausrichtung zu Nachbarliegenschaft bedeutet. Bewusst entschieden sich die Planer dagegen und verdeutlichten diese Entscheidung auch noch durch eine konsequent geschlossenen Fassade. Die spannende, daraus resultierende Ost-West-Ausrichtung des Gebäudes versprach außerdem dramatische, unüblichere Lichteinfälle. »Bauprojekte müssen uns fordern, wir müssen Spaß an ihrer Entwicklung haben«, beschreibt der Architekt die Bürophilosophie. Der Ansporn, das Beste herauszuholen, fordert jedoch enormen Einsatz und Motivation der Mitarbeiter. Lohn dafür ist sinnliche, aber auch oft eigenwillige Architektur, die die Baukultur neu definiert. •
  • Bauherr: privat Architekten: Ken Architekten BSA, Baden/Zürich (CH) Tragwerksplanung: Heyer Kaufmann Partner, Baden/Zürich Haustechnik: Wittwer Krebs Engineering, Brugg Landschaftsarchitektur: Müller Schmid, Zürich Farbgestaltung: Phillipp Wyrsch, Zürich Wohnfläche: 217 m2 Gebäudevolumen: 1236 m³ Baukosten: 1,08 Mio SFr Studienauftrag: 2003 Bezug: Januar 2006
  • Beteiligte Firmen: Massivbau: Clivio & Riniker Bau AG, Windisch , www.clivio-riniker.ch Aluminium-Fenster, -Türen: Christen AG, Strengelbach , www.clivio-riniker.ch Linoleum-Bodenbeläge: Hans Hassler AG, Zürich, www.clivio-riniker.ch Fugenlose Boden- und Wandbeläge: ProSol Bobenbau AG, Allschwil , www.clivio-riniker.ch Schreinerarbeiten, Küche: Roland Konecek, Veltheim Betonelement für Küche: Dobler Bau, Röthis (A) , www.clivio-riniker.ch
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