1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Wohnungsbau »

partnerschaftliche längsteilung

Sanierung und Umbau einer ehemaligen Baywa-Halle in Niederarnbach zu einem Wohn- und Atelierhaus
partnerschaftliche längsteilung

Ein Architekten-Ideenwettstreit und eine daraus resultierende schwierige Arbeitsteilung, Bauherren, die engagiert in den Entwurfsprozess eingreifen und dazu Architekten, die bei der Fertigstellung selbst Hand anlegen – ein Projekt mit vielfältigsten Erfahrungen.

    • Architekten: günther & schabert mit Mayer, Peters-Rentschler Tragwerksplanung: LOP Lieb Obermüller und Partner

  • Text: Michaela Busenkell Fotos: Monika Ribbe
»Ateliers trouvés« lautete der Titel eines Vortrags von Martina Günther und Jan Schabert im Rahmen der Architekturwoche München 2004. Darin führten sie aus: »Gefundene, brachgefallene Orte neu zu formatieren, zu transformieren, für die Stadt zurückzugewinnen ist unser Ziel: diese »Unräume« zu beleben und in Ateliers zu verwandeln. Wir legen einen erweiterten Atelierbegriff zugrunde, der Menschen Räume eröffnet, um tätig zu werden.« Diese Sätze klingen wie die programmatische Aussage für den Entwurf, mit dem die Architekten ein halbes Jahr später beauftragt wurden, die Umnutzung einer ehemaligen Baywa-Halle aus den fünfziger Jahren in ein Wohn- und Atelierhaus.
Die ehemalige Werkstatt-Halle mit etwa 560 Quadratmetern Grundfläche liegt im Oberbayerischen zwischen Holledau und Donaumoos. Der Bauherr, Professor an der Münchner Kunstakademie, wollte, »weil wir so andere Ordnungsprinzipien haben«, Licht und vor allem viel Platz, um unordentlich sein zu können. Er träumte von einer eigenen Kleiderkammer mit Waschmaschine zwischen Atelier und Bad. Seine Lebensgefährtin, ebenfalls Künstlerin, wünschte sich Raum für Gäste und viele Bäder. Beide wollten in der Halle gemeinsam leben, wohnen und arbeiten, Raum für Kunst und Alltag also. Etwa zwei Drittel der Fläche sollten in zwei separate Atelierbereiche unterteilt, ein Drittel für Wohn- und Gemeinschaftsbereiche genutzt werden.
Die Bauherren lebten bisher in einem Haus, das Architekt Markus J. Mayer von index studio gebaut hatte und wollten ihn zunächst auch mit dem Umbau der Halle beauftragen. Ein Assistent an der Kunstakademie München empfahl den Bauherren jedoch, Vorentwürfe verschiedener Architekten einzuholen und dann denjenigen zu beauftragen, dessen Entwurf ihnen am besten gefiele. Der Assistent kannte Martina Günther, da die Kinder in dieselbe Klasse gingen und sie auch innerhalb einer Künstlergruppe an Projekten für Kunst im öffentlichen Raum arbeitet. So wurden Günther und Schabert zur Teilnahme am internen Wettbewerb mit vier Architekturbüros aufgefordert – und überzeugten. Sie schlugen vor, den Charakter der Halle zu erhalten und dem knappen Budget gemäß kostengünstige Lösungen zu finden, die das Zusammenleben und -arbeiten abbilden sollten; mit einer Trennwand zwischen den »dramatischen« Charakteren.
Für die weitere Planung wünschten die Bauherren sowohl Günther & Schabert als auch die Architekten von index studio zu beauftragen. ›
› Man einigte sich darauf, dass Markus J. Mayer und Cathrin Peters-Rentschler von index studio die Kosten- und Terminplanung übernehmen sollten und sich die beiden Büros in der Ausführungsphase die Gewerke aufteilen würden. Den eigentlichen Entwurf erarbeiteten Günther und Schabert in enger Kooperation mit den Bauherren.
Verhandlungsraum
Am einfachsten wäre es gewesen, die Teilung der zwei Atelierbereiche dort vorzusehen, wo im Bestand eine Brandschutzwand die Halle in zwei Funktionsabschnitte gliederte: eine ehemalige Werkstatt mit einer Raumhöhe von 3,75 m, abgehängter Decke und einer Dachkonstruktion aus Nagelbindern; zur anderen Seite die ehemalige Maschinenhalle mit einer Raumhöhe von 5,40 m und einer offenen Dachkonstruktion aus Fachwerkträgern.
Doch keiner der Bauherren bevorzugte den nordöstlich ausgerichteten Bereich der Halle und den Architekten schien eine Querteilung zu trennend und beziehungslos. So entstand der Gedanke der mittigen Längsteilung durch eine kompakte Wand, die Nebenräume und Staufläche aufnehmen sollte. Während der »Entwurfsverhandlungen« wurde diese von den Bauherren zwischen den Bereichen hin- und hergeschoben, eingerückt und hinausgedrückt. Aus der Wand wurde ein mäanderndes Element, das bestehendes Ziegelmauerwerk sowie die Brandschutzwand integriert, mit neuen Wandabschnitten ergänzt, mal zur einen, mal zur anderen Seite verspringt, Lagerflächen integriert und als geschlossene Galerieebene auch mal in das Nachbaratelier hineinstülpt. »Das Sichaneinanderreiben, partnerschaftliche Ringen und Schieben, Umarmen, Angreifen und Verteidigen wird zur eingefrorenen Schiebewand, zum Privatheit gewährenden, mit Nebenräumen armierten Schutzwall, zur dreidimensional ondulierenden Membran, einem Nebenüberunteraneinander in den 2500 Kubikmeter Lebensraum«, so Günther und Schabert.
Beziehungen
Die neuen Elemente sind im Inneren weitgehend ablesbar. Eingestellte Wände im Eingangs-, Wohn-, und Küchenbereich – vom Sohn des Bauherrn errichtet – tangieren die Decke nicht, farbige »Gästekisten« kragen aus und stellen das frei stehende Küchenelement in einen optischen Bezug; die signalfarbene Treppe verbindet die Wohn- mit der neuen Gästeebene. Dort oben ist es erforderlich, den Kopf einzuziehen, da die Raumhöhe von 3,75 m nicht für zwei Vollgeschosse ausreichte. Im privaten Mikrokosmos aus Schlafzimmer, Bädern, Waschmaschine, Kleiderräumen und den angrenzenden Ateliers verliert sich die Ablesbarkeit. Auf Wunsch der Bauherren schließen alle Wände an der Decke ab. ›
› Die neuen Böden aus Zement- und Anhydritestrich in unterschiedlicher Pigmentierung sehen wie Bestand aus. »Die Farbpigmente haben wir ins Hartöl eingerührt, das sonst für Holzböden verwendet wird. Ölmassage, Wachsauftrag und das Polieren haben wir in Personae gemacht, Farb- und Oberflächenmuster gemeinsam mit Norbert Prangenberg in der Speisekammer hergestellt«, erzählen die Architekten, die für diese unübliche Bearbeitung keinen Handwerker gewinnen konnten. Alte Innentüren wurden wieder eingebaut, das Dach gedämmt, Wasser- und elektrische Leitungen sowie eine Kleinkläranlage mit biologischer Nachklärung neu installiert.
Das äußere Bild der Halle blieb nahezu unverändert: Die Dachdeckung aus Wellfaserzementplatten wurde erhalten, die Putzoberflächen ausgebessert und mit einem neuen Anstrich versehen. Die Architekten ließen die vorhandenen Werkstattfenster aus Holz überarbeiten und innen mit einer zweiten Schicht einfachverglaster Holzfenster zu Kastenfenstern nachrüsten. An der zu Wiese und Wald orientierten Südostfassade wurden die Fenster teilweise erweitert oder Glastore eingesetzt, die den Blick ins Grüne freigeben. An der Nordwestfassade wurden in die Öffnungen der Blechtore zusätzlich Tore mit Isolierverglasung eingesetzt. Sind die Blechtore geschlossen, ist die Umnutzung der Halle von außen nicht ablesbar. Bei geöffneten Toren zu beiden Seiten werden die Innenräume nach außen durchlässig und Innen und Außen als ineinanderübergehende Landschaft erlebbar.
Ordnung usw
In der Baywa-Halle bildet die innere Konfiguration die Interaktion des Verrückens und Verschiebens von Grenzen nach. Enstanden sind strukturelle Beziehungen, ein Terrain für Nähe und Distanz, Gemeinschaft und Sezession. In gewisser Weise geht es auch um das Verschwinden von Architektur. Die Räume wirken auf den Körper zurück, sind erst in zweiter Hinsicht formal zu beschreiben – »ich habe ein freies Gefühl im Haus«, so der Bauherr – und entziehen sich dem konventionellen Muster architektonischer Kategorien. Damit wären wir wieder bei den eingangs erwähnten anderen Ordnungsprinzipien: »Der Ordnung entwischen. Platz schaffen, einen Schnitt setzen: damit ausdringen kann, was immer verborgen ist, in der Ordnung selbst der Unordnung.«
Es gehe ihnen um Verhältnismäßigkeit, sagt Martina Günther, um das, was einem Bauvorhaben angemessen ist. Für die BayWa-Halle heißt das: Platz für große Formate, verschiedene Nutzungen, Beziehung, Lebensbewegung.
Der Büroname Architekturusw steht für die Zusätze Kunst (Günther), Grafik und Materialforschung (Schabert). Sie arbeitet seit 1995 auch in der Künstlergruppe Open Systems an Kunstprojekten im öffentlichen Raum. So kommt es zu Architekturaufträgen von Künstlerkollegen, wie beispielsweise auch dem Anbau für die Bildhauerin Nausikaa Hacker und ihren Mann. Die Zusammenarbeit zweier Architekturbüros an einem Projekt wollen Günther und Schabert jedoch nicht wiederholen; die Aufteilung der Arbeiten beim Umbau der BayWa-Halle habe sich als schwierig herausgestellt; die Planung eines Gewerkes habe Auswirkungen auf die anderen, letztlich hänge alles mit dem Entwurf zusammen. •
  • Bauherr: Norbert Prangenberg, Claudia Shneider Architekten: Martina Günther & Jan Schabert, architekturusw, in ARGE mit Markus J. Mayer und Cathrin Peters-Rentschler, index studio Mitarbeiter: Manuel Schenk Tragwerksplanung: Andreas Obermüller, LOP Lieb Obermüller + Partner, München Haustechnik: Gebrüder Schmid GmbH, Niederarnbach Nutzfläche: 550 m2 Außenmaße Halle: 46,6 m x 12 m Bruttorauminhalt: 2500 m3 Baukosten: 300 000 Euro Bauzeit: Februar 2005 bis September 2005
  • Beteiligte Firmen: Massivbau: prangenbergBau, Rommerskirchen, www.prangenbergbau.de Tischlerarbeiten: Schreinerei König, Weichering
Tags
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel
2 Saint Gobain Glass
Eclaz
3 Moeding Keramikfassaden GmbH
Alphaton

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de