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Die energetische Sanierung, Teil 2

Aussendämmung und Nachahmung
Die energetische Sanierung, Teil 2

Im letzten Heft zeigten wir, wie sich auch ohne sichtbare Veränderung von Backsteinfassaden mittels Haustechnik oder Innendämmung der Neubaustandard nach EnEV 2007 erreichen lässt. Derartige »Ersatz«-Maßnahmen sind bei der energetischen Modernisierung allerdings deutlich teurer als das Aufbringen von Wärme-dämmverbundsystemen, die es bekanntlich mit Ober- flächen aus Putz sowie sogenannten Meldorfer Verblendern oder Ziegelriemchen gibt.

Text und Fotos: Thomas Dittert

Durch steigende Energiepreise wächst auch der Druck, energetische Modernisierungen durchzuführen. Oder positiv ausgedrückt: Die Wirtschaftlichkeit energetischer Modernisierungen nimmt in den letzten Jahren drastisch zu. Viele Gebäudeeigentümer investieren allein schon deshalb in die vorhandene Substanz, um auch künftig die Vermietbarkeit ihrer Wohnungen zu erhalten. Am einfachsten erscheinen dabei verputzte Wärmedämmverbundsysteme, die auch an den Außenwänden historisch wertvoller Straßenfassaden angebracht werden. Um aber dennoch den Charakter ortsbildprägender Backsteinfassaden oder auch Putzfassaden mit Schmuckelementen zu erhalten, bedienen sich viele Bauherren der verlockenden, weil preisgünstigen und Echtheit vortäuschenden Angebote einiger Bauprodukt- hersteller.
So vollzieht sich eine allmähliche Veränderung des Stadtbildes, ein schleichender Wandel, der vom vielfach ortstypischen Charakter zur charakterlosen Beliebigkeit verkommt. Um diesem Dilemma zu entgehen, bleibt entweder nur der Verzicht auf äußere Wärmedämmschichten auf Fassaden und Substitution des fehlenden Dämmvermögens durch andere Maßnahmen (siehe db 9/2008, S. 70 ff.) oder aber die vorlagengetreue Nachbildung des Bestands nach Aufbringung von Wärmedämmschichten.
Der richtige UNtergrund
Die Basisschicht eines Wärmedämmverbundsystems besteht in der Regel aus Polystyrol, Mineralwolle oder Mineralschaumplatten. Die Platten werden geklebt oder von Schienen gehalten und gedübelt. Die Zahl der Dübel pro m² ist von der Gebäudehöhe und der Lage auf der Fassade abhängig. Eine Dübelung ist auch dann ratsam, wenn diese nicht unbedingt vorgeschrieben ist. Sie übernimmt sichernde Funktion und beugt potenziellen Schäden durch Ermüdung des Klebers beziehungsweise mangelhafte Festigkeit des Untergrundes vor.
Ab 10 cm Dämmschichtdicke sind im Bereich von Fenstern und Gebäudetrenn- oder Brandwänden A1-Baustoffe einzusetzen. Standard sind inzwischen Dämmschichtstärken zwischen 14 und 20 cm bei einer Wärmeleitfähigkeit der Dämmstoffe von 0,035 W/(mK). Vor Beginn der Arbeiten sollte immer geprüft werden, ob das Außenmauerwerk über eine Luftschicht verfügt. Ist das der Fall, sollte diese unbedingt mit Dämmstoffen wie Perlite, Silikatleichtschaum oder Mineralwollegranulat ausgeblasen und in den Anschlussbereichen luftdicht verschlossen werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass außen aufgebrachte Wärmedämmschichten durch die dahinter liegende, »unruhige« Luftschicht in ihrer Wirkung stark beeinträchtigt werden.
Putz und Stuck
Vielfach werden mit Wärmedämmverbundsystemen und Putzoberflächen nicht nur schmucklose Putzgebäude insbesondere der fünfziger Jahre versehen, sondern auch solche, die dreißig bis fünfzig Jahre früher erstellt wurden. Doch gerade für reichhaltig verzierte Putzbauten mit Stuckornamenten und profilierten Fensterdächern und -gewänden gelten in der Regel höhere Anforderungen an die Gestaltqualität. Äußere Wärmedämmschichten sind dann problematisch, da die Elemente nicht mit vertretbarem Aufwand nachzubilden sind.
Die Kosten für ein Standard-Wärmedämmverbundsystem liegen bei 100 bis 130 Euro/m² netto; mit Schmuckelementen fallen zusätzlich etwa 10 Euro/m² an. Die Industrie bietet spezielle Platten zur Realisierung von Bossierungen an und – ähnlich der Formenkataloge mit echten, klassizistischen Versatzstücken, wie es sie bereits vor gut hundert Jahren gab – umfangreiche Kataloge mit Elementen zur Nachbildung von Schmuckelementen unterschiedlicher Profilierung (Bild 5). Diese sind ›
› jedoch fraglich, da die Ornamente vollständig in Kunststoff nachgebildet und auf das Wärmedämmverbundsystem aufgeklebt werden. Es bleibt die im Einzelfall zu beantwortende Frage: Wie weit wollen wir mit der »Fälschung« gehen?
Ein Bauvorhaben in Hamburg-Fuhlsbüttel (Bild 3) ist allerdings ein Beispiel dafür, dass nicht alle technischen Möglichkeiten der Imitation von originalen Zuständen auch zum Einsatz kommen müssen. So wurde im Eingangsbereich darauf verzichtet, eine vollständig wärmebrückenfreie Konstruktion herzustellen. Die bossierten Pilaster mit ionischem Kapitel wurden inklusive Vordach im Originalzustand belassen. Um eine Überdeckung von Teilen dieser Elemente zu vermeiden, verjüngt sich die 14 cm Wärme-dämmschicht zum Eingangsbau stufenweise. Eine Innendämmung des Eingangsbereichs fängt einen wesentlichen Teil der Wärmebrückenwirkung auf. So wurden Netto-Mehrkosten für ein »Nachempfinden« der vorhandenen Eingangssituation und die Nachbildung der Schmuckelemente in Höhe von 5 000 Euro je Eingang vermieden und die Konstruktion blieb – bis auf den Halbbogen über der Tür – original erhalten (Bild 4).
Durch Wärmedämmmaßnahmen an allen hüllenden, wärmeübertragenden Bauteilen (Dach, Außenwand, Fenster, Kellerdecke), Nahwärmeversorgung, Wohnungsstationen für Warmwasserbereitung und Einbindung regenerativer Energien wird nun übrigens eine Energieeinsparung von mehr als 80 % erzielt. Die Gebäude haben damit um 30 % bessere Werte als nach EnEV 2007 für Neubauten gefordert.
Meldorfer Verblender
Meldorfer Verblender sind etwa 4 bis 6 mm dick. Sie werden aus organisch gebundenen mineralischen Grundstoffen hergestellt und statt einer Putzschicht als letzte Schicht auf die Armierung eines Wärmedämmverbund-systems gesetzt. Die Nettokosten für diese Art eines Wärmedämmverbundsystems liegen bei 140 bis 160 Euro/m² inklusive aller Neben- und Anschlussarbeiten.
Durch die organische Bindung der mineralischen Grundstoffe sind die Verblender biegsam wie Schuhsohlen. Die Baustoffindustrie liefert auch »Sonderanfertigungen und Nachstellungen (Anmerkung des Verfassers: Wem wird hier eigentlich »nachgestellt«?) in Bezug auf Farbe, Struktur und Format. Meldorfer Eckverblender sorgen an allen Ecken und Kanten für den massiven Steincharakter.« [1].
Diese Imitate – in Architektenkreisen auch »Ziegeltapete« genannt – haben den Vorteil, dass sie deutlich preisgünstiger als mit Ziegelriemchen verblendete Fassaden sind, aber mit welchem Ergebnis? Die Abbildungen zu durchgeführten Modernisierungen in Hamburg verdeutlichen, dass die Nachbildungen dem Original kaum gerecht werden. Sie vermitteln höchstens einen ähnelnden Gesamteindruck, die Lebendigkeit des originalen Ziegelsichtmauerwerks geht jedoch verloren. Dies gilt auch für jegliche Schmuckelemente oder Vor- und Rücksprünge. Noch deutlicher wird dies, ›
› wenn man etwas näher herangeht: Farbliche Nuancen, produktionsbedingte Unregelmäßigkeiten von Farbe und Form werden durch diese Art der energetischen Modernisierung nivelliert (vgl. z. B. Bild 2 und Bild 9).
Besonders absurd werden die Versuche der »Nachstellung« in Anschlussbereichen, die im ursprünglichen Zustand Schmuck- oder Sonderelemente aufgewiesen haben.
Ziegel-/KlinkerRiemchen
Aus echtem Ton gebrannte Ziegel- beziehungsweise Klinkerriemchen haben eine Dicke von 10 bis 18 mm. Einige Hersteller [2] bieten kohlegebrannte Riemchen an, die einem entsprechenden Original sehr genau nachempfunden werden können. Die Riemchen lassen sich wie anderes Plattenmaterial auch mit speziellem Kleber auf einem armierten Wärmedämmverbundsystem applizieren. Zu beachten ist jedoch, dass das deutlich höhere Flächengewicht (bis maximal 35 kg/m²) eine statisch durchgerechnete stabilere Verankerung benötigt.
Riemchen haben den großen Vorteil, dass die Oberfläche bei entsprechend genauer Bestandsaufnahme (insbesondere durch Scannen) und fachgerechter Produktion von der des Originals nicht zu unterscheiden ist (Bilder 10 und 11). Anders als bei den Meldorfer Verblendern wird hier mit dem gleichen Material wie im Bestand gearbeitet. Zudem ist die Oberfläche deutlich fester als die von Wärmedämmverbundsystemen mit Putzoberfläche oder Meldorfer Verblendern. Der Wartungsaufwand ist daher hier besonders gering anzusetzen. Die Kosten liegen netto inklusive aller Neben- und Anschlussarbeiten (also auch inkl. Fassadenscannen) bei rund 180 bis 200 Euro je m² – kein allzu großer Unterschied zu den anderen Ausführungsarten, bedenkt man, dass das Material dem ursprünglichen vor allem haptisch wie optisch am nächsten kommt.
Zudem lassen sich die entstehenden tiefen Fensterlaibungen mit abgetreppten oder gefassten Formsteinen leichter in ihrer Tiefenwirkung verändern. Schmuckelemente wie die in Bild 12 gezeigten können inzwischen mit kombinierten Ziegel-Formsteinelementen nachgebildet werden. Dabei besteht ein Element aus einer rück- und einer vorgezogenen Schicht und – da es aus einem Stück gefertigt ist – nicht mehr die Gefahr, dass auf der vorgezogenen Schicht stehendes Niederschlagswasser durch die Fuge in die hinterliegenden Schichten eindringt.
Fazit
Im ersten Teil dieses Artikels wurde gezeigt: Energetische Modernisierungen bis auf Neubaustandard sind ohne außen liegende Wärmedämmschichten auf Außenwänden möglich. Diese Maßnahmen sind bei baugeschichtlich beziehungsweise denkmalpflegerisch schützenswerten Fassaden anzuraten beziehungsweise teilweise ohnehin gefordert. Die Maßnahmen sind allerdings deutlich aufwendiger als die heute übliche Aufbringung von Wärmedämmverbundsystemen auf Außenwänden.
Bei deren Realisierung ist es mehr als eine Frage der persönlichen Einstellung, wie weit mit der Nachbildung oder Überformung vorhandener Schmuckelemente gegangen werden soll, sondern eine Frage der Konsequenz, der Gestaltung und der Dauerhaftigkeit. Mit »organisch gebundenen Flachverblendern« oder der Nachbildung von Pilastern und Kapitellen in Hartschaumstoff auf Putzsystemen wird meines Erachtens eine Grenze überschritten. •
Quellen und Verweise: [1] Aus dem Herstellerprospekt von Caparol: WDVS – Dämmen mit System, S. 35 [2] z. B. Ziegelei Bernhard aus Teistungen »Baukultur und Denkmalschutz versus Baukonstruktion und Klimaschutz?«, Die energetische Sanierung; Teil 1: Alternativen zur Außen-dämmung, db 9/08, S. 70–75
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