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Olympiapark in München

1968–72
Olympiapark in München

Münchens Olympiapark markiert den Beginn einer neuen Ära in der Landschaftsgestaltung. Lebendig und bewegt in seiner topografischen Ausformung, erzeugt er einen klaren, unverwechselbaren Landschaftsraum. Einst lockte er die Bevölkerung mit Kuschelmulden, Rodelhängen oder Ruderbooten, inzwischen ziehen immer mehr Konzerte und Events Besuchermassen an. Doch in der Form, wie er entworfen wurde und sich viele Jahre hinweg präsentierte, wird es ihn zukünftig nicht mehr geben. Neubauten stören die Harmonie und zerfressen seine Ränder.

    • Landschaftsarchitekten: Günther Grzimek in Kooperation mit Günter Behnisch & Partner

  • Text: Ira Mazzoni Fotos: Christian Kandzia, Leandro Mazzoni u. a.
Gab es vor 1972 je einen Park, der die wachsende Stadt integrierte und nicht als Sündenfall kategorisch ausschloss? Gab es je eine Kunstlandschaft, die autobahnbreite Straßen vereinnahmte, um daraus Schwung zu gewinnen? Gab und gibt es sonst irgendwo eine Abstellfläche für Autos, die wie die Parkharfe selbstverständlicher Teil des gestalteten Grünraums ist? Der von Günter Behnisch und Partnern in groben Zügen skizzierte und von Landschaftsplaner Günther Grzimek detailliert geplante Olympiapark bedeutete städtebaulich, sozial und ästhetisch eine Revolution in der Geschichte der Landschaftsgärten und Volksparks. Das »Olympia im Grünen« entstand auf einem unwirtlichen Gelände, das Exerzierplatz und Flugfeld war, umgeben von Kasernen, industriellen Anlagen (BMW, Gaswerk, Milchfabrik) und Schrebergärten. Der Nymphenburg-Biederstein-Kanal durchschnitt in West-Ost-Richtung das Areal. Allein der Schuttberg, in dem das alte, im Krieg zerbombte München begraben liegt, setzte eine Höhenmarke.
Aus dem Nichts schufen Behnisch und Grzimek eine bewegte Kunstlandschaft, die sich an der Topografie und Vegetation des Voralpenlandes orientierte. Aus dem Kanal wurde ein weitschweifiger See mit Kaskade. Der Schuttberg bekam durch seine Höhe ein beinahe schon alpines Format. Entsprechend dem Ziel, einen strapazierfähigen »Ort des profanen Gebrauchs« (Günther Grzimek) zu kreieren, schoben die Bagger den Aushub der Spielstätten zu einem selbstverständlich wirkenden Geländerelief zusammen, das sich durch die Spielstätten hindurchzieht und zur Stadt hin flach ausläuft. Alles ist Landschaft – nichts ist Architektur. Oder wie Behnisch es einmal sagte: Die Olympia-Architektur ist die »Fortsetzung der Landschaft mit anderen Mitteln«. Selbst die grau aufragenden Terrassenhaus-Zeilen des Olympischen Dorfes sollten als Abstraktion der Alpenketten erscheinen.
Die »freie und aktive Selbstverwirklichung seiner Benutzer« war das oberste Gebot des Parks: Grenzen, Verbote, Reglementierungen sollten dieser »Second-hand-Natur« fremd sein. Die Erfinder wünschten sich einen »Raum zur Entfaltung«. Die ganze Landschaft sollte sich in einen »lebendigen Spielplatz verwandeln, der in sich nicht statisch ist, sondern sich im Sinne eines Happenings ständig erneuert«, so Grzimek. Schon deshalb musste der städtische Freizeitpark möglichst robust ausgestattet werden. ›
Betreten erlaubt, pflücken und Taumeln erwünscht
Ausgehend von den Stationen des öffentlichen Nahverkehrs entspannt sich ein weitschweifiges Wegenetz, dem die Hochpunkte der Olympiadächer und des Bergs jederzeit Orientierung geben. Die Hauptwege sind zudem auf acht Meter hohen Dämmen angelegt, deren geschwungene Führung dem »ursprünglichen, menschlichen Bewegungsablauf« entgegenkommt und selbst bei einem Massenandrang für Entspannung sorgt. Um Ausweichmöglichkeiten zu schaffen, befindet sich zwischen den Wegen trittfester Rasen. »Der Fußgänger hat genügend Platz und die Wahl, wo er gehen will. Auch die haptische und akustische Qualität der Wege ist für den Fußgänger wichtig«, befand Grzimek. »Im Weg haben sie Führungslinien. Im Rasen haben sie eine Fläche vor sich – und sie taumeln. Sie taumeln hin und her und sie lassen sich fallen und sie spielen etwas.«
Während die begehbaren Flächen mit Kies durchsetzt sind, schuf der Gartenarchitekt an den Flanken der Dämme und an den Steilhängen des Berges blühende Wiesen. Salbei, Wundklee, Königskerzen und Margeriten wachsen dort zwischen Gräsern. Das Pflücken der Blumen war ausdrücklich gewünscht.
Dennoch ist der Olympiapark keine Naturimitation, sondern abstraktes Artefakt. So wurden rund dreitausend Bäume gepflanzt, auch alte. Aber Grzimek beschränkte sich auf wenige, bezeichnende Arten: Linden, die, ohne dass man es merkt, in Alleeformationen an den Eingängen und Wegen stehen, Silberpappeln, die in regelmäßigen Setzungen die Ufer des Sees bestimmen, niedrige Bergkiefern, die den Olympiaberg steiler und höher wirken lassen, als er ist. An keinem Punkt wurde die Stadt vergessen: Die Bäume schaffen Sichtachsen, »die auf markante Punkte des Olympiageländes und auf die Randbebauung außerhalb des Geländes orientiert sind. Ein bunter Wechsel von Eindrücken wird vermittelt. Eine Industriefassade, ein Schornstein tauchen ebenso in einer solchen Sichtschneise auf, wie im Weiterwandern das Olympische Dorf, der Fernsehturm und Teile des Zeltdachs«, erklärte Grzimek sein aufgeklärtes, urbanes Konzept.
In allen Details merkt man das Bemühen Grzimeks, der modernen, städtischen Freizeitgesellschaft Raum zu bieten. Verstreute Cafés am Seeufer oder Kuschelmulden am Berg, Anlegestellen für Ruderboote oder Rasen für Ballspiele, ein grünes Theatron für achthundert Zuschauer und eine Spielstraße mit Buden für künstlerische Aktionen. Selbstverständlich sollte der Berg zum Rodeln genutzt werden, die Kuppen boten sich für Modellflugzeuge an und private Lampionfeste sollten in den Mulden und Flanken möglich sein. Trampelpfade wurden billigend in Kauf genommen.
Schwungbremse
Heute ist dieser robuste Jedermann-Park akut gefährdet. Die Stadt ist näher gerückt. Die Kasernen wurden aufgelöst, neue Wohngebiete, wie der Ackermann-Bogen wuchsen heran. BMW expandierte. Das Gaswerk machte Neubebauungen Platz. Auf dem Gelände der Nord-Molkerei entstand eine schnieke Gated Community. Nicht einmal wurde darüber reflektiert, ob die wachsende Stadt vielleicht auch einen wachsenden Park benötigt, der im Sinne seiner Erfinder in die neuen Wohn- und Arbeitsgebiete hineinläuft und die Bewohner und Nutzer im Alltag abholt. So gehört es zu den unverzeihlichen Fehlern der Stadtplanung, dass die Kommune nicht das Grundstück der Molkerei erwarb, um die beschwingte Olympialandschaft abzurunden, sondern das ausgegrenzte Rechteck der privaten Immobilienwirtschaft überließ, die den Zustand asozial festschrieb. Merkwürdig auch die Brache im Südwesten, wo immer noch die zur Montessori-Schule umfunktionierten Baubaracken von Olympia 1972 stehen.
Vor allem die Ränder des denkmalgeschützten Ensembles verkommen zunehmend zu Bauerwartungsland. BMW hat es vorgemacht, indem sie einen Parkplatz für die BMW-Welt erwarb. Jetzt folgt ein Hotel-Hochhaus am zentralen Sammelplatz beim U- und Busbahnhof. Schon hat ein Projektentwicklungsunternehmen prüfen lassen, ob sich nicht gegenüber der BMW Welt anstelle der vorolympischen Ackermann-Eishalle ein Wellnesshotel mit schnurgerader Seekolonnade verwirklichen ließe. Der Chef der Olympiapark-Gesellschaft, Winfrid Spronk, führte bereits intensive Gespräche mit einem möglichen Betreiber, dem Cooper-Center Dallas. 50 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche sollten zwischen Mittlerem Ring und Nord-Ost-Ufer des Olympiasees verwirklicht werden. Fritz Auer, Mitur-heber des Olympiapark-Ensembles, vom Immobilienentwickler ›
› Accumulata mit einer ersten Planungsstudie betraut, gibt zu bedenken, dass dieses Areal »bereits heute gänzlich bebaut ist und damit kein Freigelände im Sinne des Parks«. Seit 2005 besteht zudem ein Stadtratsbeschluss, der dort Entwicklungspotenziale sieht. Begangene Fehler werden damit nicht korrigiert, sondern verschärft.
Grundsätzlich scheint die Idee des Olympiaparks nicht mehr verstanden zu werden. Seine Offenheit zur Stadt, seine flach auslaufenden Ränder und seine dezidierte Nicht-Architektur. Statt Spontanität und Laissez-faire muss es heute an jeder Ecke »Angebote« geben. Von der Zuckerwatte bis zum Roller: Nur ein zahlender Gast ist ein guter Gast. 166 Millionen zahlende Besucher seit der Olympiade 1972 gehören zur Erfolgsbilanz der Olympiapark GmbH, die im August 2008 anlässlich der zehntausendsten Veranstaltung ein großes Sommerfestival feierte.
Anders als der Englische Garten oder der Nymphenburger Park muss der Olympiapark wirtschaftlich sein. Vor allem, nachdem die Fußballclubs die Arena nicht mehr nutzen, haben sich die Anstrengungen verdoppelt, neue Gewinnquellen zu erschließen. Dabei konzentrieren sich fast alle Anstrengungen auf das Herz der Anlage am nördlichen Seeufer. Längst wird der Park nicht mehr als Einheit begriffen, sondern ist nach Zuständigkeiten zoniert. Südlich des Sees waltet die Abteilung Gartenbau der Stadt München und versucht dem Wildwuchs und der Abnutzung gleichermaßen Herr zu werden. Nördlich des Sees vermarktet die Olympiapark GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Stadt München, die Sportstätten. Nördlich des Georg-Brauchle-Rings befindet sich staatlicher Grund mit Hochschulsportanlagen und Häusern des Studentenwerks. Weite Teile des Olympischen Dorfs sind inzwischen privates Wohneigentum. Der Mittlere Ring wird nicht mehr als integrales Element der gesamten Anlage verstanden, sondern als Grenze.
Einzig der Denkmalschutz umgreift das Gesamtensemble. Der Denkmalschutz ist auch die einzige Instanz, die die Integrität des Bürgerparks ein-klagen kann. Während sich eine »Arbeitsgruppe Olympiapark« mit Fritz Auer und Carlo Weber um die Wahrung der Urheberrechte ›
› bemüht und erreicht hat, dass fast jedes Bauvorhaben im eigenen Büro landet, gibt es keine urheberrechtliche Interessenvertretung des Landschaftsplaners Grzimek. Und so wird der Schwung der Landschaft allenthalben durchkreuzt, blockiert und beschnitten. »140 Hektar Einfachheit, «so der Landschaftsarchitekt Christoph Valentien, sind schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr.
Die Schandtaten im Einzelnen
Es sind nicht nur spießige Blumenkübel, die die ehemalige Spielstraße entlang des Sees möblieren, und grelle Kioske, die sich zwischen Olympiahalle und Schwimmstadion drängeln. Es sind vor allem die neuen architektonischen Highlights, die mit ihrem Design den Charakter des Ensembles verletzen. Die großzügige Offenheit wird nun als »gähnende Leere« (Fritz Auer) überplant.
In unmittelbarer Nähe zum touristischen Haupteingang neben dem Olympiaturm öffnet sich ein Betontrichter zur »Seaworld« von Fritz Auer. Zwar wurde die Baumasse unter einem Hügelrücken versteckt, aber die verträumte Uferzone mit Sonnenbänken musste einer Betonfront weichen, die wie das Freigehege eines Affenhauses wirkt. Damit niemand vom grünen Hügel in den rückseitigen Abgrund stürzt, wurde auf dem Kamm ein Maschendrahtzaun gespannt. Dort, wo eine Fußgängerbrücke auf dem Weg zur Olympiahalle im südlichen Parkteil ankommt, ist bereits der Bauplatz für eine neue kleine Olympiahalle frei gemacht. Der eleganten Wegführung widersprechend, wird ein steiler Treppengraben zum Eingang des neuen Erdbauwerks hinabführen. Um die Olympiahalle besser vermarkten zu können, bekommt sie nicht nur eine breitere LKW-Ladezone, sondern ein neues VIP-Entree, eine VIP-Launch und ein Steg-Restaurant, das weit in den Coubertinplatz hineinragt. Auf wichtige Blickachsen nimmt schon das jetzige, provisorische Großzelt keine Rücksicht. Um bei den Buden aufzuräumen, werden die Glaswände der Olympiahalle mit metallischen Boxen durchstoßen, deren Außenwände zum Teil auch LED-Werbung zulässt. Fritz Auer zerstört damit die absichtsvolle Durchlässigkeit der »Null-Architektur« zur Landschaft.
Insofern ist es höchste Zeit für eine gründliche Ortsbestimmung, bevor die Bewerbung für die Winterolympiade 2018 in Bebauungspläne mündet. Die Initiative der Stadtbaurätin Elisabeth Merk sieht vor, am runden Tisch verbindliche Richtlinien für die Entwicklung des Olympiaparks festzulegen und auch dessen sinnvolle Erweiterung zu prüfen. Im Herbst soll es einen entsprechenden Workshop geben. Es gilt – weit über das überfällige Parkpflegewerk hinaus – den Charakter des stadtoffenen Bürgerparks gegen Privatisierung, Event-Management und ambitioniertes Bau-Design zu verteidigen. •
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