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Nachgefragt

Meinungen zur neuen EnEV 2007
Nachgefragt

Im Oktober tritt die neue EnEV in Kraft. Dass ihre Überarbeitung einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet, ist unumstritten. Viele sind nun aber über einzelne Lösungen verärgert, etwa im Hinblick auf die Kompromisse im Bereich bedarfs- und verbrauchsorientierter Energieausweis, Ausstellungsberechtigung, Kühllasten oder zu komplexen Verfahren für Nichtwohngebäude. Wie bei anderen Gesetzesvorlagen gibt es auch in der EnEV 2007 Schwachpunkte. Ist sie trotz einiger Mängel als Chance zu betrachten und ein wirkungsvolles Instrument für die Zukunft? Auch wenn sich diese Fragen abschließend sicher erst nach ein paar Monaten oder gar Jahren der Anwendung beantworten lassen, fragten wir im Vorfeld Beteiligte nach ihrer Einschätzung und Bewertung: auf der einen Seite die »Macher« der EnEV und Vermittler zwischen den unterschiedlichen Zielgruppen, auf der anderen Seite einen ihrer Anwender.

~Klaus Lambrecht

Chancen, und Risiken
Mit der Novelle der EnEV [1] wurde der Versuch gemacht, einerseits Schwachstellen der alten EnEV auszuräumen, andererseits die Vorgaben der Europäischen Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz für Gebäude auf nationaler Ebene umzusetzen. Trotz eines jahrelangen Reifungsprozesses birgt die neue EnEV etliche Schwachstellen und insbesondere auch Risiken für die Planer.
  • Energieausweise im Bestand: Um den Energieausweis zu einem sinnvollen Instrument der energetischen Sanierung zu machen, ist ein Optimum im Spannungsfeld zwischen moderaten Kosten und hinreichender Genauigkeit beziehungsweise Aussagekraft zu finden. Mangelt es dem Ausweis an Qualität, sind positive Klimaschutzaspekte unwahrscheinlich. Eigentümer müssen durch die Informationen aus dem Ausweis motiviert werden, auch in effizienzsteigernde Maßnahmen wie etwa Dämmung, Gebäudetechnik oder erneuerbare Energien zu investieren und damit langfristig geringere Betriebskosten und geringere Umweltbelastungen zu erzielen. Es hängt also nicht nur davon ab, was im Ausweis steht, sondern auch, wie transparent und für den Nutzer verständlich diese Informationen (auch verbal) vermittelt werden. Nebenbei ist auch nicht nachzuvollziehen, warum denkmalgeschützte Gebäude von der Ausstellungspflicht ausgenommen wurden.
  • DIN V 18 599 und Nichtwohngebäude: Bei der energetischen Bewertung von Nichtwohngebäuden war dringender Handlungsbedarf. Werden derzeit zulässige Höchstwerte primär abhängig von der Kompaktheit des Gebäudes festgelegt, soll zukünftig nach seiner Nutzung differenziert werden. Die Komplexität des Rechenverfahrens nach DIN V 18 599 birgt aber eine große Gefahr der Fehlanwendung. Die ersten Softwarelösungen sind inzwischen am Markt, oft fühlt sich der Planer aber eher als Beta-Tester. Strittig ist auch die Praktikabilität, wie die Grenzwerte festgelegt werden. Der in der EnEV geforderte Ansatz, für das jeweilige Gebäude in Abhängigkeit der vorgesehenen Nutzung ein Standardprofil zu hinterlegen, bedingt, dass ich die Nutzung bereits in der Planung weiß. Wie damit umzugehen ist, wenn die Nutzung variabel sein soll oder nachträglich geändert wird, öffnet Grauzonen. Aus der Erfahrung verschiedener Berechnungen zonierter Gebäude während der Planungsphase kann festgestellt werden, dass die sehr kleinteilige Differenzierung der Nutzungen nach DIN V 18 599 sehr zeitaufwändig und für den Optimierungsprozess wenig praktikabel ist, nicht grundsätzlich zu einer höheren Genauig- keit führt, und insgesamt sehr fehleranfällig ist – was dem Normgrundsatz widerspricht, dass Normen bestimmt, klar und widerspruchsfrei formuliert sein sollen und den Maßstab für einwandfreies technisches Verhalten bilden. Vergeblich wurde im Mai von der Bundesarchitektenkammer vorgeschlagen, die DIN V 18 599 um ein vereinfachtes Berechnungsverfahren zu ergänzen, bei dem sämtliche Berechnungen unter Verwendung nur eines gebäudebezogenen Nutzungsprofils durchgeführt werden.
  • Zuschläge bei Kühlung von Wohngebäuden: Prinzipiell ist es zu begrüßen, dass bei Wohngebäuden nicht – wie noch im Referentenentwurf vom 16.11.2006 vorgesehen – die Kühlung von Wohngebäuden mittels DIN V 18 599 nachzuweisen ist, sondern über pauschale Zuschläge für typische Techniken. In der neuen EnEV erhöhen sich jedoch auch die Höchstwerte des Jahresprimärenergiebedarfs für die Kühlung der Raumluft in Wohngebäuden je Quadratmeter gekühlter Gebäudenutzfläche pauschal um einen Bonus von 16,2 kWh/(m²a) Primärenergie. Damit sind durch die Bereitstellung der Kühlmöglichkeit bis zu rund 20 % schlechtere Werte des Jahresprimärenergiebedarfs für Heizung und Warmwasser möglich gegenüber einem gleichen Gebäude ohne Kühlung! Bei Wohn-gebäuden ist der sommerliche Wärmeschutz nach EnEV § 3 (4) einzuhalten. Eine Kühleinrichtung ist daher in der Regel nicht notwendig. Sollte ein Bauherr dennoch eine Kühleinrichtung einbauen, ist es nicht nachvollziehbar, warum ihm dann ein schlechterer Wärmeschutz oder Anlagentechnik zugestanden wird. Gegenüber der alten EnEV ist dies ein Rückschritt.
Die EnEV war gerade einen Monat veröffentlicht, als am 24.8. in Merseburg von der Bundesregierung erstaunlicherweise festgestellt wurde: »Die Anforderungen der EnEV 2007 an den energetischen Standard von Gebäuden entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik. Wirtschaftlich nutzbare Potenziale zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudebereich werden nicht ausgeschöpft.« Die Bundesregierung strebt Verschärfungen der energetischen Anforderungen für 2009 und 2012 um jeweils 30 % an [2]. Darüber hinaus soll durch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ein Mindestmaß an erneuerbaren Energien obligatorisch werden. Diese Forderung sind bereits heute in der Regel weder technisch noch wirtschaftlich ein Problem, sofern die energetische Optimierung und die daraus notwendige Energieplanung frühzeitig und fundiert in den Planungs- und Ausführungsprozess integriert wird. Die dafür notwendigen Kenntnisse werden leider im Studium zu wenig vermittelt. Entscheidend ist, nicht über die Komplexität oder so manche Unzulänglichkeit der EnEV zu jammern, sondern sich intensiv mit dem energieeffizienten Bauen auseinanderzusetzen und die eigenen Kompetenzen in diesem Bereich zu erweitern. •
  • Dipl.-Phys. Klaus Lambrecht studierte Physik und VWL, ist Mitglied mehrerer Fachgremien und Dozent bei Architektenkammern sowie beim BKI. Als Inhaber des Büros Econsult berät er zu Gebäudeenergiekonzepten.
  • Literaturhinweise und Anmerkungen: [1] Die EnEV 2007 ist z. B. abrufbar unter Download, www.solaroffice.de [2] Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm; www.solaroffice.de [3] Die EG-Richtlinie ist die Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaft. Da die Europäische Union keine Richtlinien erlässt, ist die umgangssprachlich verwendete Bezeichnung »EU-Richtlinie« irrtümlich. [4] Kurze Vorstellung der neuen EnEV vor allem zum Thema Energie-ausweise siehe Kommentar in db 09/2006
din V 18 599 – ein qualitätsvorsprung
War die EnEV 2002 bereits mit Zusammenführung der Heizungsanlagenverordnung und der Wärmeschutzverordnung der notwendige Schritt zur ganzheitlichen, energetischen Bewertung von Gebäuden auf Grundlage der Primärenergie, so bietet die EnEV 2007 nunmehr in konsequenter Weiterentwicklung ein konsistentes Verfahren zur fachgerechten, energetischen Bewertung von Nichtwohngebäuden. Neu ist dabei die zusätzliche Einbeziehung von Beleuchtung und Klimatisierung. Der ehemalige Indikator »A/V« war nicht geeignet, den Energiebedarf unterschiedlicher Gebäudetypen auch nur annähernd sachgerecht zu charakterisieren. Hingegen orientiert sich das heutige »Referenzgebäudeverfahren« an den Randbedingungen der jeweiligen Nutzung nach DIN V 18 599. DIN V 18 599 führt zu einem Qualitätssprung in der deutschen Bewertungsmethode, die in Europa und international derzeit noch konkurrenzlos ist. Sie ist ein Beispiel für technische Innovation, auf die wir in Deutschland setzen. Qualitätsverbesserung setzt in der Regel eine differenzierte Methode voraus, so auch hier. Für den Anwender, der heute lediglich die Eingabedaten und die Software bereitstellen muss, ist dabei unerheblich, ob die Norm 800 Seiten hat. Sie könnte auch 2000 Seiten betragen, wie die in Vorbereitung befindlichen europäischen Standards. Doch denken wir zurück. Der Anlass für die jetzige Novelle war die europarechtlich erforderliche Umsetzung – 1:1, so die Forderung der Politik – der EG-Richtlinie [3] über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Auch wenn manche es heute gern anders darstellen: Der Umsetzungsprozess, die Abstimmung mit den betroffenen Kreisen und Bundesländern, verlief erstaunlich übereinstimmend und in angemessenem zeitlichen Rahmen, wenn wir einmal nicht vergessen, dass die Bundestagswahl 2005 zu Verzögerungen führen musste.
Derzeit stehen die Energieausweise für den Gebäudebestand im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Zweifellos wird die Offenlegung der energetischen Qualität der Gebäude Einfluss auf Kauf- und Mietentscheidungen haben und damit einen Anreiz für Modernisierungen geben. Aus europäischer Sicht ist der deutsche Ansatz zu bedarfs- oder verbrauchsorientierten Energieausweisen ein tragfähiger Ansatz, mit dem wir vorn stehen im EU-Ranking. Zahlreiche europäische Nachbarstaaten haben noch keine oder keine vollständige Lösung zur Umsetzung der Richtlinie und riskieren Vertragsverletzungsverfahren. Warten wir doch einmal ab, wie der Markt sich ausrichtet, bevor wir von »faulem Kompromiss« [4] sprechen. Im Übrigen muss nicht jeder Verbrauchsausweis von Grund auf schlecht sein. Wir sollten vielmehr daran arbeiten, auch die Qualität von Verbrauchsausweisen sicherzustellen und zusehen, dass wir Verbrauch und Bedarf besser zusammenführen.
Wie sieht es mit den Primärenergieanforderungen der EnEV 2007 aus? Die EG-Richtlinie stellt keine konkreten Anforderungen, sie verlangt allerdings die Festlegung auf ein nationales Niveau. Gemäß Anhang der Richtlinie ist – soweit vorhanden – auch in Wohngebäuden der Energieanteil für Klimatisierung zu erfassen. Also mussten Anforderungen erarbeitet werden, die das heute Übliche abbilden. Raumklimageräte der Effizienzklasse A bis C entsprechen dem derzeitigen Stand der Technik und mussten daher auch als wirtschaftlich sinnvolle technische Lösung Maßstab für das neue Anforderungsniveau sein.
Der verbesserte, ganzheitliche Ansatz der EnEV 2007 ist die notwendige Basis für weitergehende höhere Energieeffizienzanforderungen sowie eine zukünftige Nutzungspflicht für erneuerbare Energien, wie sie bereits Ende August mit dem Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung in Meseberg beschlossen wurden. Also: EnEV 2007 – bereit für die Zukunft! •
Dipl.-Ing. Wolfgang Ornth studierte Bauingenieurwesen und leitet im Bundesministerium das Referat B 14 Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich.
Präventivlösung als chance für den Umweltschutz
»Wer nicht hören will, muss fühlen!« Dieses Sprichwort erinnert uns alle leidvoll an Entscheidungen oder aufgeschobene Handlungen, für die wir im Nachhinein Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen mussten. Dies ist menschlich. Auch bei den Gesetzgebungen zum Wärmeschutz ist es so. Ich kann mich noch gut an die autofreien Sonntage der ersten Ölkrise erinnern, als ein ganzes Land fühlen musste, wie abhängig wir vom Öl als Brennstoff sind. Damals gab es erstmals einen Aufruf zum freiwilligen Verzicht auf das Autofahren am Wochenende. Doch erst das von der Bundesregierung ausgesprochene Fahrverbot für ganz Deutschland brachte eine gewisse Entspannung. Wer den Energieverbrauch Deutschlands über die Jahrzehnte betrachtet, kann anhand des Rückgangs des Energieverbrauchs phasenverschoben auch Rückschlüsse auf die Gesetzgebung zum Wärmeschutz schließen. Im Jahre 1977 kam die erste Wärmeschutzverordnung, die 1982 novelliert wurde. Heute lesen sich die massiven Proteste vieler Berufsgruppen und der Wirtschaft gegen diese Verordnungen, als hätte man ein ganzes Volk schlecht behandelt und in eine Katastrophe geführt. Auch bei der Einführung der EnEV 2002 gab es erhebliche Bedenken. Hier muss fairerweise erwähnt werden, dass der erstmalige, neue Ansatz der EnEV, die Verknüpfung des energiesparenden Wärmeschutzes mit der energiesparenden Anlagentechnik von Gebäuden, ein Umdenken erforderte. Auch die Begrenzung der Primärenergie, also die Umrechnung von der Nutzenergie zur tatsächlich benötigten Primärenergie unter Einbeziehung aller vorgelagerten Prozessketten, war völlig neu und führte selbst bei geübten Architekten erstmal zu Verwirrungen.
Mit der Novellierung der EnEV 2007 wird nunmehr der Energieausweis auch für den Altbau ab Juli 2008 Pflicht. Auch hier wurde im Vorfeld nicht nur in den Ministerien, sondern auch bei den betroffenen Berufsgruppen, Verbänden und der Bauwirtschaft auf das Heftigste diskutiert, und ich kann mich gut an Diskussionen einzelner Lobbyisten erinnern. Schon allein die Festlegung der Berufsgruppen zur Legitimation der Ausstellung von Energieausweisen ist immer noch umstritten. Jeder möchte ein Stückchen vom angeblichen »Kuchen« abbekommen.
Bei den Wohngebäuden ist die Sachlage noch einigermaßen klar und einfach. Aber die Umsetzung bei den Nichtwohngebäuden war ein fast unlösbares Problem und führte zur notwendigen, aber ungeliebten DIN V 18 599 mit allen Teilen. Hierzu muss man wissen, dass dieses Nachschlagewerk wiederum auf bestehende Normen aufbaut und auch alle technisch möglichen Gebäudeausstattungen berücksichtigen muss. Sie können sich vorstellen, wie kompliziert hierbei die Berücksichtigung aller Interessengruppen ist. Ohne die notwendige Software zur Erfassung der Primärenergie in allen zu berücksichtigen Bereichen können Nichtwohngebäude wohl kaum berechnet werden. Die Ängste vor zu viel Reglementierung sind hierbei verständlich. Gerade bei kleineren Gebäuden und Mischnutzung mit kleinen Shops, Restaurants oder Werkstätten wird es zukünftig möglich sein, das vereinfachte Verfahren auch für Nichtwohngebäude anzuwenden, ohne einen Klimaexperten hinzuziehen zu müssen.
»Fühlen« werden wir in Zukunft alle etwas. Was, das hängt auch von dem Erfolg der neuen EnEV ab. Wir werden auf jeden Fall spüren, dass es in Deutschland wärmer und die Energie knapper und teurer wird. Vielleicht werden wir irgendwann einmal hören, dass wir alles getan und präventiv für die nächste Generation vorgesorgt haben. Eine Chance, die auch wir Architekten mit unserem verantwortlichen Handeln wahrnehmen sollten. Architekturstudenten haben diese Chance längst erkannt und legen einen Schwerpunkt auf energieeffizientes Bauen. •
Prof. Armin D. Rogall ist Architekt und Professor an der FH Dortmund. Er ist Mitglied im Koordinierungsausschuss Energieeinsparung und Wärmeschutz am Deutschen Institut für Normung.
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