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Nachbarschaftsschule in Oppelsbohm und Progymnasium in Lorch

1966–69, 1970–73
Nachbarschaftsschule in Oppelsbohm und Progymnasium in Lorch

Zwei Schulen auf dem Lande östlich von Stuttgart sind es eigentlich, die in den späten sechziger Jahren einen wichtigen Wendepunkt im deutschen Schulbau markieren: die Nachbarschaftsschule in Berglen-Oppelsbohm (1966–69) und das Progymnasium, heute Realschule, in Lorch (1970–73). Beide stehen auch im Œuvre Günter Behnischs und seiner Partner am Beginn einer typologischen Entwicklung, die sich bis in die neunziger Jahre zieht – und in den Bauten seiner vielen Mitarbeiter noch fortwirkt (vgl. S. 22 ff).

    • Architekten: Behnisch&Partner

  • Kritik: Christoph Gunßer Fotos: Christian Kandzia; Christoph Gunßer
Heute wird an den beiden Gebäuden deutlich, wie unterschiedlich man mit den gealterten Behnisch-Bauten umgehen kann: Während Oppelsbohm derzeit umfangreich brand- und wärmeschutztechnisch saniert wird, verfolgen die Verantwortlichen in Lorch eine Strategie der behutsamen Pflege und Weiterentwicklung. Da der Stand der Bauarbeiten in Oppelsbohm noch kein Urteil über die Qualität der Erneuerung zulässt, liegt der Schwerpunkt des Artikels auf dem nachweislichen Lorcher Erfolgsmodell.
Möglicherweise war das allzu sparsam-schwäbische Schulbauprogramm seinerzeit ja verantwortlich für den Wendepunkt im Schulbau. So sahen die Vorschriften zum Beispiel keinen Versammlungsraum in den neuen Schulen vor. Um trotzdem einen Treffpunkt im Gebäude anbieten zu können, ordnete Behnisch [1] die Klassen kreisförmig um eine zentrale Halle an. Die Erschließungsflächen dienen so zugleich als Pausenhof und Aula.
In Wirklichkeit war die Genese des neuen Schultyps wohl doch komplexer: Günter Behnisch hatte schon über Rolf Gutbrod freiere, landschaftliche Gruppierungskonzepte kennengelernt, Hans Scharoun mehrere wie kleine Dörfer organisierte Schulen in Deutschland realisiert. Fünfeckige ›
› Klassenräume galten im Vergleich zu den gängigen, konstruktiv einfacheren »Schuhschachteln« als besser nutzbar. Kreisrunde Vorläuferbauten gab es bereits in den USA, Großbritannien und Skandinavien. Hinzu kommt, die zeitgleich zu Oppelsbohm entworfene Olympia-Landschaft für München hat Behnisch, laut Werner Durth, »die Seele geöffnet für das Spielerische und Poetische neben Funktion und Konstruktion« [2]. So wagte der damals bereits erfahrene Schulbauer 1966 den Schritt zum Mitte-Konzept, das später »Schule machen sollte«.
Der Erstling in Oppelsbohm geriet noch recht starr und spröde, ohne landschaftliche Einbindung. Noch heute hat das Gebäude äußerlich etwas von einem Silo. Drei Jahre später in Lorch, begünstigt durch den filigran-zweischichtigen Fassadenaufbau – im Detail ein Erbe Egon Eiermanns – wirkt die Komposition viel lockerer, fast spielerisch. Diese architektonischen Unterschiede mögen mit ein Grund sein für den unterschiedlichen Erfolg der zwei Schulen. Die Nachbarschaftsschule in Oppelsbohm, eine Grund- und Hauptschule, hat heute nur noch rund die Hälfte der ursprünglichen Schülerzahl, weshalb ein Teil für andere öffentliche Zwecke umfunktioniert werden soll. Die zur Bauzeit verlangte Flexibilität im Inneren wurde dort nie in Anspruch genommen. Lorch hingegen, seit dem Neubau eines Gymnasiums 2003 eine zweizügige Realschule, platzt aus allen Nähten. Obgleich bereits 1994 erweitert, muss die Schule heute Interessenten abweisen.
Lorch: Besuch im Leitfossil
In der Stadt, die sich in den letzten fünf Jahrzehnten ein halbes Dutzend Schulen von Behnisch&Partner hat bauen lassen, trifft man an verantwortlicher Stelle nur Behnisch-Fans. Schon die Empfangsdame im Rathaus von Lorch hat gleich den richtigen Ansprechpartner parat, der sicher auch kurzfristig Zeit für eine Besichtigung hat. Der legt denn auch überzeugend dar, warum man sich – anders als in Oppelsbohm – auch nach 35 Jahren Betrieb nicht für eine Totalsanierung entschieden hat. Bei dem in offenen Konstruktionen (hier: Stahl- wie Holztragwerke) stets kritischen ›
› Brandschutz haben die Ämter einen Ermessensspielraum. Mit dem nachträglichen Einbau von automatischen Rauchabzugsklappen im zentralen Hallendach und zusätzlichen Brandmeldern im vorigen Jahr sei die Lebensrettung gewährleistet, heißt es in Lorch beim Bauamt. In Oppelsbohm hingegen habe die »Gebäuderettung« Vorrang, was aufwendige Ummantelungen des Stahlskeletts erforderlich macht.
Auch Bauphysik und speziell der Wärmeschutz spielen in Lorch nicht die Rolle, um dafür typische Behnisch-Details jener Zeit zu zerstören. So blieb die großflächige Verglasung – U-Wert 2,7 – bislang in weiten Teilen erhalten. Wenn man erst anfange, undichte Stellen mit Silikon zuzuschmieren und an offensichtlichen Kältebrücken herumzukurieren, handle man sich nur größeren Ärger ein. Viele der Details am Bau seien aus heutiger Sicht zwar »eigentlich Mist«, doch habe man sie so »zu Ende gedacht, dass nichts mehr passieren kann«, so der verantwortliche Architekt beim örtlichen Bauamt. Der Heizwärmebedarf des Glasgebäudes liege wohl schon im »mittleren bis oberen Bereich« des städtischen Bestands. Ein durchlaufender Stahlträger bringe aber auch nicht mehr Wärmeverluste als eine Schulklasse, die im Winter die Fenster offen stehen lässt. Gewiss, Einzelheiten wurden verbessert, wo es nicht auffällt: So wurde der Betrieb der Sonnenschutzrollos automatisiert, um Schäden durch Wind in der exponierten Lage zu vermeiden.
»Kleinste Einheit der Demokratie«
Diese pragmatische Haltung hat das ehemalige Progymnasium in Würde altern lassen. Längst ist es ringsum in dichtes Grün eingebettet und hat nicht mehr die Fernwirkung der Anfangszeit, als der Zentralbau ein Pendant zum nahen Kloster bildete. Die Anbauten von 1994 – sechs Klassen nach Südwesten mit schnittiger Schrägverglasung auf der Hangseite und ein niedriger hölzerner Werkstatt-Trakt im Osten – haben die ursprüngliche Entwurfsidee nicht verwässert, sah diese doch schon eine »Vielfalt in der Einheit« vor.
Wer heute die zentrale Halle betritt, sieht verwirklicht, was Behnisch mit der »kleinsten Einheit der Demokratie« meinte: ein intensiv genutztes und bespieltes Gemeinschaftsbauwerk, in dem gern gelernt wird. Nicht zuletzt zeigt das Gebäude wie Architektur gefügt ist, wie sie Menschen und Landschaft zusammenführen kann. Übrigens war auch die wenig später nebenan errichtete, um drei Meter in den Hang eingegrabene Sporthalle (1973–76) mit ihrem filigran aufgelösten Deckentragwerk Prototyp für viele weitere Gebäude ihrer Art. •
[1] An den zwei Schulen waren zahlreiche Partner und Mitarbeiter von Günter Behnisch beteiligt, u. a. Carlo Weber, Manfred Sabatke und Hannes Hübner
[2] Zit. nach: Elisabeth Spieker, Günter Behnisch. Die Entwicklung des architektonischen Werks, Dissertation an der Universität Stuttgart, 2005
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