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Man muss nur wollen

Die Kölner Hochwasserpumpwerke
Man muss nur wollen

Man muss nur wollen
[1] Entlang des Kölner Rheinufers erstreckt sich die »Perlenkette« der neueren Hochwasserpumpwerke. Übersichtsplan ohne Maßstab [2] Hochwasserpumpwerk Worringen Werthweg, Februar 2007. Architekten: Lepel & Lepel Architektur, Köln
In der Notwendigkeit, den Hochwasserschutz der Stadt zu verbessern, haben die Kölner Stadtentwässerungsbetriebe Chancen erkannt und anspruchsvolle Ziele für die stadtverträgliche Einbettung ihrer neuen Pumpwerke formuliert. Mit der Planung der ersten drei Neubauten wurden verdiente Architekturbüros direkt beauftragt, dem Bau der übrigen vier gingen Wettbewerbe voran. Herausgekommen sind letztlich sieben sehr unterschiedliche Ansätze, wie sich mit Materialien und Formen aber auch mit Licht öffentliche Räume gestalten und Natur und Technik miteinander verbinden lassen.

Text: Uta Winterhager

Köln ohne den Rhein ist undenkbar. Aber trotz aller Liebe der Kölner zu ihrem mächtigen Strom ist die Domstadt auch die am meisten durch Hochwasser gefährdete Großstadt Europas. 21 mal stieg der Rhein im letzten Jahrhundert über die Neun-Meter-Marke des Kölner Pegels. Die drei »Jahrhunderthochwasser« von 1926, 1993 und 1995 überstiegen sogar die Zehn-Meter-Marke.
Nachdem der Rhein in den 90er Jahren also gleich zweimal innerhalb von 13 Monaten die Altstadt und die südlichen Stadtteile überflutet hatte, wurde beschlossen, den Hochwasserschutz der Stadt maßgeblich zu verbessern. Im Februar 1996 verabschiedete der Rat der Stadt das Hochwasserschutzkonzept für Köln. Dieser ganzheitliche kommunale Aktionsplan, in dessen Umsetzung 430 Mio. Euro investiert wurden, sah Maßnahmen zur Hochwasserabwehr, zum baulichen Hochwasserschutz, zum besseren Hochwassermanagement und zur Eigenvorsorge vor. Dabei wird der Schutz nicht nur auf ein 100-jähriges, sondern sogar auf ein 200-jähriges Hochwasserereignis ausgerichtet. Konkret bedeutet dies, dass nach Umsetzung aller Hochwasserschutzmaßnahmen alle Stadtteile bis zu einem Pegelstand von 11,30 m geschützt sein sollen, in Bereichen mit sensiblen Nutzungen wie Industrie- und Chemiebetrieben sogar bis zu einem Pegel von 11,90 m.
Verantwortlich für die bauliche Umsetzung des Hochwasserschutzkonzepts sind die Stadtentwässerungsbetriebe Köln AöR, kurz StEB genannt, bis 2004 noch Amt für Abwasserwirtschaft. Innerhalb von fünf Jahren wurden 65 km Rheinfront durch Dämme, Wälle, Deiche oder im innerstädtischen Bereich durch mobile oder fest installierte Schutzwände gesichert. Zur Lagerung der mobilen Schutzelemente entstanden an mehreren Standorten Logistikhallen. Darüber hinaus wurden erhebliche Maßnahmen im Kanalnetz notwendig, um eine Flutung des Stadtgebiets über die Kanalisation zu verhindern. Dazu gehörte neben der Anpassung der bereits vorhandenen 24 Hochwasserpumpwerke auch die Realisierung von sieben neuen Anlagen.
Begleitend zu den baulichen Hochwasserschutzmaßnahmen wurden im Norden und im Süden der Stadt Retentionssräume für den Rhein geschaffen, wie die Renaturierung der Westhovener Aue oder die Schaffung eines südlich davon gelegenen gesteuerten Überschwemmungsgebiets. So wird dem Fluss gesteuert jener Raum gegeben, den er sich sonst an anderer Stelle nehmen würde.
Mit diesem Maßnahmenpaket ist es den StEB gelungen, das Schutzziel von 11,30 m Köln Pegel zu erreichen ohne die Stadt hinter Mauern zu verstecken und ohne das gesamte Rheinufer mit technischen Bauwerken zu besetzen. Denn trotz der potenziellen Gefahr, die der Fluss birgt, soll er auch in Zukunft noch positiv erlebbar bleiben.
Akzeptanz durch Baukultur
Für den Hochwasserschutz der Stadt spielen vor allem die Pumpwerke eine große Rolle. Sie stellen sicher, dass auch bei extrem hohen Pegelständen die geklärten Abwasser und das Regenwasser der Stadt in den Rhein geleitet werden können, ohne dass es zu einem Rückstau in der Kanalisation kommt.
Generell bestehen die Pumpwerke aus einem Tiefbauteil, der die Pumpen einhaust, und einem Hochbauteil für die elektrotechnische Versorgung. So bleibt, wie bei einem Eisberg, der Großteil des gesamten Bauvolumens im Verborgenen. Beide Bauteile müssen baulich gegen jegliche zu erwartenden Hochwasser geschützt sein.
Die Bauabteilung der StEB, die sich als Experte für den Tiefbau betrachtet, hat die Hochbauprojekte extern an Architekten vergeben. Eine glückliche Entscheidung, schließlich war mehr als nur eine simple Gebäudehülle zu entwerfen und die Bauten sollten gestalterisch sensibel in ihr Umfeld eingebunden werden.
Die Aufträge für die ersten drei der sieben neuen Hochwasserpumpwerke wurden 2003 direkt an Kölner Architekten vergeben. Bis März 2006 bauten Schlösser Architekten in Zusammenarbeit mit Kazuhisa Kawamura auf dem Gelände einer Schule in Köln-Mühlheim das Pumpwerk »Am Faulbach«, das als Fundament für eine hochwassersichere Turnhalle dient.
Das Pumpwerk Werthweg wurde direkt an das Kölner Büro Lepel & Lepel vergeben, das Pumpwerk Bremerhavener Straße an das ArchitekturBüro Felder.
Obwohl die Bausumme der einzelnen Pumpwerke unter dem Schwellenwert für eine Wettbewerbsausschreibung lag, lobte die StEB von 2004-05 wettbewerbsähnliche Verfahren für die vier weiteren Standorte aus. In Ermangelung von Referenzprojekten ähnlicher Größe in Deutschland musste die StEB eigene Ziele formulieren: Es sollte eine »Perlenkette prägnanter Pumpwerke entlang des Kölner Rheinufers« entstehen, deren gestalterischer Anspruch ihrer technischen Bedeutung und der exponierten Lage gerecht werden sollte. Weil die meisten Pumpwerke in sensiblen Stadt- und Landschaftsräumen liegen, war mit Bürgerprotesten und Auflagen des Landschaftsschutzes zu rechnen. So sah die StEB in der Mehrfachbeauftragung ein transparentes und öffentlichkeitswirksames Verfahren, das zu einer maßgeschneiderten und wirtschaftlichen Lösung führen würde. Mit Hilfe von Baukultur sollte Markenbildung und Imagepflege für die StEB betrieben und die Akzeptanz der Pumpwerke in der Bevölkerung erhöht werden. Doch wäre eine vorsätzliche Landmarkenarchitektur mit den StEB als Bauherr eine gefährliche Gratwanderung. Als Anstalt des öffentlichen Rechts müssen sie stets die Kosten im Blick behalten, wollen doch die wenigsten Bürger mehr für ihr Abwasser bezahlen, nur weil sie dafür ein baukulturell ausgezeichnetes Hochwasserpumpwerk bekommen. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten der Gebäude mit allen technischen Anlagen sind die Mehrkosten, die durch den ambitionierten Hochbau entstehen, aber relativ gering.
Understatement gebietet zwar den Verzicht auf plakative StEB-Logos an den Pumpwerken, jedoch sind für das nächste Jahr kleine Erklärungstafeln und ein interaktiver Hochwasserweg am Rheinufer geplant.
Zur Teilnahme an den wettbewerbsähnlichen Verfahren wurden jeweils fünf oder sechs Architektur- bzw. Landschaftsarchitekturbüros aus Köln und Region geladen, die für ein Bearbeitungshonorar von jeweils 5 000 Euro einen Entwurf erarbeiteten. Rückblickend honorieren alle ausführenden Architekten, dass die StEB für die gesamte Bearbeitungszeit des Projekts einen Projektleiter und ein konsistentes Team eingesetzt hat. Dadurch wurden die Reibungsverluste durch Unklarheiten bei Zuständigkeiten und Kompetenzen, wie sie oft bei der Zusammenarbeit mit Behörden zu verzeichnen sind, extrem gering gehalten. Die Organisation aller Wettbewerbe lag beim Büro neubighubacher Architektur Städtebau Strukturentwicklung, Köln.
Das letzte Glied in der Kette wird das Pumpwerk in Köln-Langel der Architektin Ute Piroeth sein, dessen Fertigstellung sich wegen Problemen beim Abriss des Altbaus leider bis Ende 2011 verzögern wird. Die vier neueren, innerhalb der letzten drei Jahre in Betrieb genommenen Hochwasserpumpwerke stellen wir auf den folgenden Seiten vor.


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