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Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau in Paris (F) | Atelier du Pont

Kollektiv kompakt
Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau in Paris (F)

Es ist wichtig, dieses kleine Haus zu beachten, denn die Architekten haben auf die Komplexität einer zentralen innerstädtischen Lage und auf einen massiven Gentrifizierungsdruck im 11. Arrondissement von Paris eine klare, realistische und entschiedene Antwort gegeben. Die Planer vom Atelier du Pont ringen der wenig architektenfreundlichen Aufgabe der Sozialwohnung mit all ihren engen Rahmenbedingungen ein helles, offen gestaltetes Gebäude ab. Sie bauen eine Nachbarschaft, die sich zwischen all den neuen Privatwohnungen in einem Quartier, das sich in den letzten Jahren radikal verändert hat, behaupten wird.

    • Architekten: Atelier du Pont
      Tragwerksplanung: evp Ingénierie

  • Kritik: Wilhelm Klauser
    Fotos: Luc Boegly
Impasse Daunay, eine kurze Stichstraße unmittelbar neben dem Friedhof Père Lachaise: Hier wohnt man in direkter »Nachbarschaft« zu Oscar Wilde und Jim Morrison. Zu Fuß sind es knapp 15 Minuten bis zum Place de la Bastille. Viele der alten Häuser im Quartier wurden schon in den 80er Jahren abgerissen, manche blieben. Es entstanden neue Wohnblocks, die wenig Sexappeal haben, aber ordentlich Quadratmeter türmen. Die Wohnungen wurden verkauft, um die Verelendung des Quartiers zu verhindern. Das Ergebnis war zwangsläufig durchmischt: Hohe Häuser, alte Baracken und Hinterhöfe, all das koexistierte, und langsam wurde man sich der Reize bewusst, die in solchen Umgebungen liegen. Vor ungefähr zehn Jahren, mit der Explosion der Immobilienpreise, geriet das Gebiet unter enormen Anpassungsdruck. Die kleinen, alten und nicht renovierten Gebäude, die sich meist in komplizierten Besitzverhältnissen befanden, waren klar erkennbar zu Problemfällen geworden. Mietwucher, hygienische und konstruktive Missstände, aber auch illegaler und häufig menschenunwürdiger Wohnraum sowie Kriminalität konzentrierten sich hier. Mit den großen Lösungen, dem Umbau ganzer Quartiere nämlich, wie er in Paris seit den 80er Jahren systematisch vorgenommen wird, war die Situation nicht zu bewältigen. Übergreifende »Top Down«-Ansätze ließen eine Intervention auf Parzellengröße nicht zu. Im Jahr 2002 wurde die kommunale Entwicklungsgesellschaft SIEMP von der Stadt Paris beauftragt, eine Strategie für den Umgang mit solchen Situationen zu entwickeln. Man hatte erkannt, dass der enorme Druck, der auf dem Pariser Immobilienmarkt lag, dazu führen musste, dass sich Gentrifizierungsprozesse beschleunigen würden. Ziel war es, Entwicklungsstrategien für kleine Parzellen vorzuschlagen, um hier noch möglichen Wohnraum auch weiter als sozial geförderte Wohnungen zu erhalten. In einer ersten Bestandsaufnahme wurden in Paris über 1000 »ungesunde« Gebäude identifiziert, deren Besitzer nun mit erheblichen öffentlichen Mitteln in der Renovation gefördert werden. Über 375 Gebäude davon waren nicht zu halten, diese kaufte die Stadt und übergab sie der SIEMP: So auch ein altes Haus im Impasse Daunay.
Transluzente Fassadenhaut
In einem Bewerbungsverfahren konnten sich die Architekten von du Pont durchsetzen. Sie hatten sich beim Umgang mit einem begrenzten Budget dafür entschieden, zwei klare Schwerpunkte zu setzen: Erklärtes Entwurfsziel war es zunächst, eine Hausgemeinschaft zu inspirieren, die sich gegen die Anonymität der umgebenden Wohnblocks behaupten kann. Acht Wohnungen sind es geworden, 70 – 80 m² groß. Und eine für die Maßstäbe des sozialen Wohnungsbaus ungewöhnlich großzügige und lichtdurchflutete Erschließungszone, die, in kräftigem Orange gestaltet, auch noch einen fast gewagten, aber durchaus passenden Farbakzent setzt. Der halböffentliche Bereich hinter einer transluzenten Strukturglasfassade bietet der Hausgemeinschaft geschützte Begegnungs- und Kommunikationsräume. Erkauft haben sich die Planer diese Qualität mit großer Disziplin, die sich in einem kompakten Baukörper klar widerspiegelt. Die harte Materialität der Glashaut an der Straße wird mit einfachen Mitteln gebrochen: Die Öffnungsflügel sind tief eingeschnitten und der Baukörper nimmt mit den Laibungen deutlich sichtbar den vertrauten Rhythmus und den Maßstab der Nachbarhäuser auf. Nach Norden ausgerichtet, brauchte es hier keinen Sonnenschutz, für die Reinigung wird einfach eine Leiter angestellt. Die Kaltfassade hängt vor einer Betonkonstruktion und einer Außendämmung. Die stehenden Formate sind an die Dimensionen der Atelier- und Werkstattverglasungen angelehnt, die in Paris so charmant sind. Die Fugen sind mit Aluminium abgedeckt. Einfacher kann das nicht konstruiert werden. Durch den Wechsel von offenen und geschlossenen Wandflächen hinter dem Glas bekommt die simple Fassade aber eine große Leichtigkeit, sie wirkt wie ein Vorhang. Zum Blockinneren hingegen schreibt eine gleichmäßig durchfensterte Holzfassade den intimen Charakter der kleinen Stichstraße fort. In den Wohnungen selbst erschließt sich dann die Konsequenz, mit der die Planer auf die Qualität des natürlichen Lichts gesetzt haben, eine Qualität, die dauerhaft ist. Auch dies ist Bauen mit Glas: Die Wohnungen sind sehr hell. Das letzte Geschoss ist leicht zurückgesetzt, es entstehen Dachterrassen. Wer böse sein will, der beklagt die konservativen Grundrisse, aber im sozialen Wohnungsbau gibt es wenig Platz für Experimente.
Vorreiter bei der Erfüllung des pariser »plan climat«

Ein kleines Projekt wie dieses ist für die großen Bauunternehmen in Frankreich eher uninteressant. Das Haus wurde daher von kleinen Betrieben gebaut, die gleichzeitig die erfreuliche Flexibilität besaßen, schnell auf sich verändernde Umstände und Wünsche zu reagieren: Als die Planungen fast fertiggestellt waren, erkundigte sich der Bauherr, ob es nicht möglich sei, mit dem Gebäude den Klimaplan der Hauptstadt zu erfüllen? Die sozialistische Regierung hatte 2006 den »plan climat« ausarbeiten lassen, der den Energieverbrauch der Gebäude deckeln soll. Eigentlich ist das nichts Besonderes, vergleichbare Standards existieren in Deutschland oder der Schweiz schon lange. Aber für Frankreich war das ein Durchbruch, denn nun sind erstmals klare Einsparungsziele festgelegt. Die Architekten von Atelier du Pont konnten darauf sofort reagieren, denn das Büro, 1997 gegründet, hatte in den vergangenen Jahren bewusst Nischen und Organisationsformen gesucht, um auf einem sich immer weiter einengenden Markt bestehen zu können. Sie haben sich mit drei weiteren, unabhängigen Agenturen, zusammengeschlossen und zeitgleich zudem die Kooperation mit den Haustechnikern intensiviert. Die Expertise, um auf die Öko-Wünsche des Bauherrn zu reagieren, war also vorhanden. Der kompakte Baukörper erlaubte es, Änderungen einfach zu realisieren und dem Klimaplan zu entsprechen, ohne das Budget wesentlich zu überschreiten. Ein bisschen mehr Dämmung, ein bisschen bessere Fenster, Kollektoren für das warme Wasser und eine Solaranlage zur Einspeisung auf dem Dach: Das Haus im Impasse Daunay ist das erste Gebäude in Paris, das die Standards sogar übererfüllen. Der Bauherr sah es mit Freude, der Marketingeffekt ist unerhört. Im Oktober 2010 ziehen die ersten Familien ein. Die Warteliste war endlos: 10 Euro kostet der Quadratmeter pro Monat. 


  • Adresse: 6 Impasse Daunay, F-75011 Paris

    Bauherr: Société immobilière d’économie mixte de la ville de Paris
    Architekten: Atelier du Pont, Paris, Mitglied des Planerkollektivs PLAN01
    Projektleiter: Aquilino Torrao, Luc Pinsard
    Projektteam: Anne-Cécile Comar, Philippe Croisier, Stéphane Pertusier
    Tragwerksplanung: evp Ingénierie, Paris
    Haustechnik: Delta Fluides, Caen
    BGF: 658 m²
    Baukosten: 1,38 Mio. Euro
    Bauzeit: November 2007 bis Dezember 2009Beteiligte Firmen:
    Generalunternehmer: FARC, Fernandez Acevedo Renovation Construction, Valenton
    Serigrafierte Glasscheiben: AriñoDuglass, Zaragoza, www.duglass.com

Atelier du Pont


Stéphane Pertusier Philippe Croisier Anne-Cécile Comar

1997 Gründung des gemeinsamen Büros, das sich mit nachhaltigem Ressourcenmanagement, sozialer Interaktion und Solidarität angesichts ständig zunehmender Urbanisierung der Welt beschäftigt.
Wilhelm Klauser 1961 geboren. 1983-87 Studium von Architektur und Städtebau in Stuttgart und Paris. 1989-91 Mitarbeit im Architekturbüro Striffler, Mannheim, 1992-98 in Tokio, u. a. bei Riken Yamamoto und Yamshita Sekkei. 1999-2003 eigenes Büro in Paris, seit 2003 in Berlin. Autor und Kritiker, Architekt und Urbanist.
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