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Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften in Stuttgart-Vaihingen

... in die Jahre gekommen
Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften in Stuttgart-Vaihingen

Vor über zwanzig Jahren gleichzeitig mit einem Sportplatz und einem Institutsgebäude der Universität Stuttgart errichtet, wird die für die damalige Zeit ungewöhnlich offene, lichtdurchflutete Sporthalle, die sich zur Landschaft und den Freianlagen hin öffnet, seither rege genutzt. In den Bilanzen des für Betrieb und Unterhalt zuständigen Uni-Dezernats taucht sie »unauffällig unter«. Ein Neubau grenzt nun an den Bestand – den Architekten der Sportanlage scheint die Erweiterung, anders als den Autor, allerdings nicht zu stören. Wenngleich diese, oder vielleicht auch gerade weil diese keinerlei Bezüge zur bestehenden Architektur aufnimmt und eine andere, heute übliche Architektursprache spricht …

    • Architekt: Dieter Faller

  • Kritik: Rüdiger Krisch Fotos: Gert Elsner, Dieter Faller, Thomas Fütterer
Als die große Universitäts-Sporthalle, der Sportplatz und das Institut für Sport und Bewegungswissenschaften der Universität Stuttgart vor etwa zwanzig Jahren gebaut wurden, entstanden sie buchstäblich auf der grünen Wiese. Zehn Jahre zuvor war nicht nur die Architektur der Gebäude Gegenstand eines Architekturwettbewerbs gewesen, sondern zunächst einmal ihre Anordnung auf einem weitläufigen Gelände am westlichen Rand des Campus im Stadtteil Vaihingen. Der Architekt Dieter Faller konnte den Wettbewerb für sich entscheiden mit dem Vorschlag, die Gebäude zwar als Ensemble aus mehreren Pavillons differenziert in die Landschaft zu gruppieren, aber doch nahe an der Erschließungsstraße und unter Schonung des angrenzenden Tals.
Das Sportgelände war als Zielpunkt des geplanten »Bildungswegs« gedacht, der den westlichen Campus vom Zentralbereich mit Ingenieurwissenschaftlichem Zentrum und Mensa fußläufig erschließt. Faller dachte diesen Gedanken weiter und führte den Fußweg zwischen Sporthalle und Institutsgebäude hindurch zum Sportplatz und weiter hangabwärts in die Senke des Büsnauer Tals und erhob ihn so zum städtebaulichen Prinzip seiner Gebäudegruppe.
Heute führt der Fußweg nicht mehr über grüne Wiesen, sondern ist beidseits von neueren Institutsgebäuden und Wohnheimen gesäumt. Leider endet er inzwischen an dem Vordach, das Sporthalle und Institut verbindet. Der Blick kann zwar weiterhin in die Landschaft schweifen, aber der Weg ist versperrt: Probleme mit unerwünschter Nutzung an Abenden und Wochenenden führten zur nachträglichen Absperrung der Sportanlagen. Die städtebauliche Idee ist dadurch kaum mehr nachvollziehbar.
Bleibender Wert
Nach wie vor deutlich abzulesen sind hingegen die Prinzipien der konstruktiven Umsetzung: Die geometrische Trennung der Systeme Tragwerk, Gebäudehülle und Haustechnik ist konsequent umgesetzt und liefert die gestalterische Basis für die wenigen, einfachen und durchdachten Details. Obwohl viele verschiedene Materialien verwendet wurden – Stahlbeton an Außenwänden, Metall am Primärtragwerk und der Fassade, Holz am Sekundärtragwerk und Betonstein-Mauerwerk für den Innenausbau –, ergibt sich der Eindruck wohltuender Einfachheit. Die klare konstruktive Systematik würde beste Voraussetzungen zur flexiblen Anpassung der Gebäude an sich ändernde Nutzungsanforderungen bieten – eine Qualität, die allerdings bislang kaum genutzt und kürzlich bei der Erweiterung des Instituts gänzlich ignoriert wurde. Doch dazu später mehr.
Die weitestgehend geöffnete Fassade profitiert von der naturnahen Lage und macht das Institut zu einem angenehmen Platz für Arbeit und Gemeinschaft. Großzügige Verglasungen von Wänden und Dach lassen auch in der Halle eine helle, freundliche Atmosphäre entstehen, die an Frischluft und Sonne erinnert und Lust auf Bewegung macht. Dieser Effekt wird noch verstärkt durch den optischen und räumlichen Bezug zu den Freianlagen. Sie sind von der Halle aus auf kurzem Weg erreichbar. Insofern unterscheidet sich die Universitäts-Sporthalle deutlich vom dem damals gängigen, weitgehend geschlossenen Hallentypus und nimmt dabei ein gewisses Nutzungsdefizit durch Blendungseffekte bewusst in Kauf. ›
› In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass der Architekt zuvor noch keine Sportanlagen geplant hatte – und somit nach heutigen Kriterien möglicherweise nicht einmal zum Wettbewerb zugelassen worden wäre.
Insgesamt ist die Baugestalt ein Kind ihrer Zeit: Neben einzelnen Bauformen (etwa der verglasten Pyramide über dem Treppenabgang zu den Umkleideräumen) und der Farbigkeit (das helle Türkis der Fassadenprofile verortet die Gebäude fest in den späten achtziger Jahren) ist es inzwischen auch aus der Mode gekommen, große Bauvolumina kleinteilig zu gliedern und optisch möglichst weitgehend zurückzunehmen. Und doch ist die Einpassung der Sporthalle in die Landschaft am Ortsrand durch das partielle Eingraben und vorgelagerte Abstaffeln der niedrigeren Bauteile besonders gut gelungen. So machen gerade die zeitliche Gebundenheit und die Nachvollziehbarkeit der Entwurfsentscheidungen das hohe Niveau der Architektur aus. Deren angenehme Bescheidenheit überdauert die Moden der Zunft.
Keine Nachrichten sind gute Nachrichten
Dazu passt, dass auf Nachfrage beim für den Betrieb und Unterhalt zuständigen Dezernat der Universitätsverwaltung immer wieder ein erstaunliches Wort auftaucht: »unauffällig«. Was in manch anderem Kontext eher ein Schimpfwort wäre, ist hier ein wunderbares Kompliment – nach dem Motto »no news are good news«. Weder nennenswerte Schäden noch extravagante Kosten trüben die positive Bilanz der Sportanlagen. Allerdings werden sämtliche Schäden an Sportgeräten, auch wenn diese fest in der Halle eingebaut sind (etwa die absenkbaren Basketball-Körbe), aus Mitteln des Instituts behoben und tauchen daher in der Kostenbilanz der Universität erst gar nicht erst auf.
Der bis auf wenige Kleinigkeiten tadellose bauliche Zustand ist erstaunlich, insbesondere in der extremen Nutzungszeiten und -dichten ausgesetzten Sporthalle. Dies ist einerseits der täglichen gründlichen Reinigung, der liebevollen Pflege durch die Platzwarte und Hausmeister und der guten Behandlung durch die Sportlerinnen und Sportler zu verdanken. Und andererseits der angenehmen Atmosphäre – sowie letztlich der hochwertigen Architektur, die zum pfleglichen Gebrauch animiert.
Nachholbedarf
Die allerdings hohen Kennwerte im Verbrauch von Strom (40 kWh/m2/a) und vor allem von Wasser (1500 m3/m2/a) [1] können nicht wirklich überraschen: Die Nutzungszeiten sind lang, wochentags im Semester regelmäßig von 8–23 Uhr, die Nutzungsintervalle häufig, kaum ein Sportkurs dauert länger als zwei Stunden – und danach wird ausgiebig geduscht …
Hingegen wirft der ebenfalls relativ hohe Bedarf an Heizwärme (210 kWh/m2/a) [1] Fragen nach dem Energiekonzept der Sporthalle auf. ›
› Auf diesem Gebiet ist man heutzutage weiter: Wärmerückgewinnung aus Abluft und Abwasser, aktive Nutzung der Sonnenenergie zur Heizungsunterstützung und Stromerzeugung auf den großen Flachdächern wären heutzutage Standard – und sollten sich dank der oben erwähnten geometrischen und konstruktiven Flexibilität der Halle auch hier nach- rüsten lassen.
Die großzügig verglaste Südseite ist mit einem textilen Sonnenschutz aus-gerüstet, der von »Windwächtern« überwacht und gegebenenfalls automatisch eingefahren wird. Das kann dann, neben Blendung der Sportler, auch mal zur Überhitzung der Halle führen. Passive Maßnahmen wie die Nutzung massiver Bauteile zur Speicherung von nächtlicher Kaltluft, die mittels automatisierter Luftspülung eingebracht werden könnte, hätten dieses Problem zumindest abmildern können. Dies wurde durch die vollständige Verkleidung der Betonwände mit Holzriemen unmöglich gemacht, die allerdings ein anderes bauphysikalisches Ziel erreichen: Auch im vollen Betrieb bleiben die akustischen Verhältnisse immer unter Kontrolle.
In zwanzig Jahren intensiver Nutzung sind nur in einigen wenigen Fällen funktionale Anforderungen an bauliche Grenzen gestoßen: Der Seminarraum auf der Galerie der Halle war als »Mitschau-Raum« zur theoretischen Begleitung von Sportveranstaltungen gedacht, eignete sich aber letztlich durch seine Lage, die keine umfassende Blickverbindung in die Halle ermöglichte, nicht. Heute dient er als Computerraum. Das benachbarte biomechanische Labor litt unter der Geräuschbelastung durch den Sportbetrieb und die mechanische Hallenlüftung, deren Luftkanäle den Luftraum unter dem Dach queren. Es fand nach einem kleineren Umbau im Institutsgebäude Platz. Der Kraftraum erwies sich schnell als zu klein und musste auf die Galerie erweitert werden, wo er heute als vergitterter »Käfig« unangenehm in Erscheinung tritt.
Die meisten dieser »grundrisslichen« Probleme hätten mit geringfügigen Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen gelöst werden können. Sie waren im ursprünglichen Entwurf bereits erwogen, teilweise sogar durch entsprechende Ausführung der Außenwände konstruktiv vorbereitet. Stattdessen entschied sich das Universitätsbauamt vor einigen Jahren, die durch den Umzug des biomechanischen Labors weiter verschärfte Raumnot im Institutsgebäude durch einen ganz unabhängigen, zwischen Sporthalle und Straße angeordneten Erweiterungsbau mit Lehr- und Forschungsräumen zu beheben. Dieser Neubau, heute annähernd fertiggestellt, schwächt die Präsenz der Sporthalle im öffentlichen Raum. Er überlagert mit seinem harten, geometrischen Vorplatz die vormals organische Wegeführung und verletzt dadurch das Entwurfsprinzip der bestehenden Gesamtanlage empfindlich. Das Institut muss somit eine Nutzungsverbesserung mit dem Verlust gestalterischer Identität bezahlen.

Aus der Betrachtung der Universitäts-Sportanlage lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Erstens braucht es nicht immer die Vorab-Erfahrung mit einer bestimmten Bauaufgabe, um ein hervorragend taugliches Gebäude zu entwickeln. Vielmehr genügt dafür manchmal auch schon ein Gespür für den Ort, das Programm und die Bedürfnisse der Bauherrschaft sowie die Fähigkeit, die Kongruenzen und Widersprüche dieser drei Faktoren in einen produktiven Dialog zu bringen. Zweitens bestimmt neben der typologischen und ästhetischen Tauglichkeit vor allem die Qualität der baulichen Um- setzung die Nachhaltigkeit eines Projekts. Das versteht man unter bleibendem Wert.


[1] Sämtliche Verbrauchswerte wurden vom Dezernat Technik und Bauten der Universität Stuttgart zur Verfügung gestellt. Da die Institutsräume zusammen mit der Sporthalle erfasst werden, stehen exakte Ermittlungen allerdings nicht zur Verfügung. Es handelt sich insofern um ungefähre Werte. Zudem wird man aber auch kaum eine Sporthalle mit ähnlichem Nutzungsprofil finden, deren Werte einen sinnvollen Vergleich ermöglichen würden.
Die Sportanlage der Universität Stuttgart wurde erstmals in db 5/1991, S. 42 ff veröffentlicht.

Der im Text angesprochene »Neubau Forschungs- und Beratungszentrum Sportwissenschaft« soll in wenigen Wochen eingeweiht werden. Bauherr ist die Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Planung und Bauleitung übernahm das Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim.


  • Bauherr: Land Baden-Würtemberg, vertreten durch das Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim

    Architekt: Dieter Faller, Stuttgart
    Tragwerksplanung: Klaus Wilhelm, Stuttgart
    Nutzfläche Sporthalle: 2180 m²
    Bruttorauminhalt Sporthalle: 18 875 m3
    Baukosten (Sporthalle und Institusgebäude): 9,9 Mio. DM
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