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Haus Hardenberg in Berlin erhalten, saniert, umgenutzt

… in die Jahre gekommen
Haus Hardenberg in Berlin

Seit seiner Fertigstellung war das Haus Hardenberg der Hauptsitz der Berliner Traditionsbuchhandlung Kiepert. Nach deren überraschender Insolvenz 2002 wurde das Gebäude verkauft und in den Jahren darauf mitsamt seiner filigran gegliederten Glasfassade bestandserhaltend saniert. So konnte ein bedeutendes Baudenkmal der Nachkriegsmoderne erhalten und einer neuen Nutzung zugeführt werden.

    • Architekt: Paul Schwebes

  • Text: Mathias Remmele
    Fotos: Rolf Koehler, Stefan Müller
Im alten West-Berlin kannte quasi jedes Kind das Haus Hardenberg. Das lag freilich nicht allein an seiner bemerkenswerten Architektur. Vielmehr hing es mit seinem Bauherrn und langjährigen Hauptnutzer zusammen: Die Buchhandlung Kiepert, nach der das Gebäude im Volksmund auch benannt wurde, hatte hier einst ihren Stammsitz. Der Buchladen war eine Berliner Institution. Ehe er 2002 überraschend Insolvenz anmeldete, belegte er im Laufe der Jahre immer weitere Bereiche des 1955-56 nach Plänen des Architekten Paul Schwebes errichteten Geschäfts- und Bürohauses, das zu den gestalterisch herausragenden Bauten der 50er Jahre in Berlin zählt.Schwebes (1902-78), dem die Stadt weitere prominente Gebäude aus den 50er und 60er Jahren verdankt – so etwa das Telefunken-Hochhaus am nahe gelegenen Ernst-Reuter-Platz – hatte u. a. bei Hans Poelzig studiert und seine berufliche Laufbahn im Büro von Bruno Paul begonnen. Beim Haus Hardenberg griff er wichtige Elemente der Vorkriegsmoderne wieder auf und entwickelte sie weiter. Unübersehbar ist in diesem Kontext die Inspiration durch Bauten von Erich Mendelsohn, die vor allem in der dynamisch geschwungenen Glasfassade mit ihrer charakteristischen Betonung der Horizontalen, aber auch in der Anlage der halbkreisförmig aus der rückwärtigen Fassade hervorspringenden Treppenhäuser augenfällig wird.
Eleganter Schwung: Glasfassade unter Flugdach
Selbstbewusst und zugleich mit vornehmer Zurückhaltung besetzt das Gebäude einen als stumpfe Ecke ausgebildeten Blockrand. Während der mittlere Teil des Hauses dem Verlauf der Hardenbergstraße folgt, ragen seine beiden ungleich langen, jeweils um 45 Grad abgewinkelten Flügel in die Knesebeck- bzw. Schillerstraße. Der siebengeschossige Stahlbetonskelettbau mit vorgehängter Metall-Glas-Fassade ist auf klassische Weise gegliedert. Auf eine leicht eingezogene Ladenzone im EG mit großen, fast bis zum Boden reichenden Schaufenstern folgen fünf gleichartig gestaltete Bürogeschosse mit einem filigranen Fensterraster und markanten Brüstungsbändern aus schwarzem Glas. Über dem zurückgesetzten Dachgeschoss kragt schließlich eines jener eleganten Flugdächer in den Himmel, die für die Epoche so typisch sind. Das Haus Hardenberg besitzt das vielleicht schönste Exemplar seiner Art in Berlin. Zum einen, weil es an den Gebäudeecken erst mutig in den Luftraum ausgreift um dann entlang der Hardenbergstraße in einer leichten Wellenbewegung wieder zurückzuschwingen, zum anderen, weil das Dach sich an den Seitenrändern des Hauses als vertikale Scheibe fortsetzt und dem gesamten Bauwerk somit gleichsam einen Rahmen gibt. Die drei Flügel des Gebäudes werden jeweils über ein Treppenhaus und Aufzüge erschlossen. Die Flächen im Innern sind dank eines großzügigen, dreireihig angelegten Stützenrasters (6, 40 m) weitgehend frei einteilbar. Ein struktureller Vorteil, der die Attraktivität dieser Immobilie bis heute wesentlich mitbestimmt. Zu den innenarchitektonischen Besonderheiten des Hauses zählt das zweigeschossige ursprüngliche Ladenlokal von Kiepert mit seinen beiden pilzartig ausformulierten Stützen und einer umlaufenden Galerie mit wunderbar feingliedrigem Geländer. Dieses Kleinod des 50er-Jahre-Ladenbaus ist gottlob bis heute erhalten geblieben.
Vorbildliche Sanierung
Nach der überraschenden Insolvenz der Buchhandlung und dem Verkauf der Immobilie, stand eine Sanierung an. Der Zahn der Zeit hatte an dem Haus, das seit seiner Erbauung keine grundlegende Sanierung erfahren hatte, deutliche Spuren hinterlassen. Der neue Besitzer, der Berliner Projektentwickler Hühne Immobilien, entschloss sich dankenswerter Weise dazu, an dem denkmalgeschützten Haus nur kleine Eingriffe vorzunehmen und vor allem das Erscheinungsbild der Glasfassade soweit wie möglich unangetastet zu lassen. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten, die in den Jahren 2003-04 durchgeführt wurden, stand die Fassadensanierung im Mittelpunkt. Dazu wurden die alten Stahlrahmen-Verbundfenster ausgebaut, bei einem Fensterbauer von Farbanstrichen befreit, entrostet sowie vorlackiert und wieder eingesetzt. Neue Gummidichtungen und neue Glasscheiben (wobei für die innere Scheibe jetzt wärmeisolierendes k-Glas verwendet wurde) gehörten ebenso zum Sanierungsprogramm wie der Austausch der vertikalen Messingprofile, die erhebliche Korrosionsschäden aufgewiesen hatten. Auch der außenliegende Sonnenschutz musste ausgetauscht werden. Abweichend von der ursprünglich weißen Farbigkeit dafür aber passend zu den Fensterprofilen sind die Aluminium-Jalousien jetzt in Messingfarben gehalten. Ersetzt wurden außerdem die schwarzen Glasscheiben der Brüstungspaneele sowie die weißen, opaken Gläser, mit denen die Deckenplatten verkleidet sind. Heutigen Anforderungen hinsichtlich Wärmedämmung und Schallschutz entspricht die erneuerte Glasfassade von Haus Hardenberg freilich nicht. Hätte man die thermische und akustische Isolierung auf diesen Stand bringen wollen, wäre nicht nur die für den Denkmalwert des Gebäudes wesentliche filigrane Fassadengrafik verloren gegangen, eine solche Maßnahme hätte darüber hinaus – so das Gutachten der Bauphysiker – das gesamte klimatische und akustische Gefüge des Hauses so stark verändert, dass weitere bauliche Maßnahmen notwendig geworden wären. Dies hätte die Sanierungskosten von rund 10 Mio. Euro erheblich in die Höhe getrieben und wäre nur mit schwerwiegenden Eingriffen in die originale Substanz zu realisieren gewesen, was aber ausdrücklich vermieden werden sollte. Anders als die Schauseite des Hauses wurde die weiß verputzte Hoffassade mit komplett neuen Fenstern ausgestattet. Auch die Treppenhäuser, deren ursprüngliche Verglasung fehlerhaft konstruiert und entsprechend stark beschädigt war, erhielten eine neue, thermisch getrennte Alu-Glas-Haut, die dem Original nachempfunden wurde. Die stärksten architektonischen Eingriffe bei der Sanierung betrafen die beiden seitlichen Treppenhäuser, die bisher als unscheinbare Nebeneingänge genutzt wurden und insbesondere dem Lastentransport dienten. Sie bekamen einen direkten Zugang zur Straße und wurden gestalterisch so aufgewertet, dass sie dem repräsentativen Haupteingang in der Hardenbergstraße ebenbürtig erscheinen – eine strukturelle Neuerung, die für die flexible Vermietung der Büroflächen in den Obergeschossen von erheblichem Vorteil ist. Neu sind seit der Sanierung auch das Lichtband über der Ladenzone für die Außenwerbung der Geschäfte – ursprünglich war hier mit beleuchteten Einzelbuchstaben gearbeitet worden – sowie die nächtliche Beleuchtung des Flugdachs, die dieses markante architektonische Element des Hauses effektvoll zur Geltung bringt.
Gesamthaft betrachtet gelang es Planern und Ausführenden in Zusammenarbeit mit dem engagierten Investor und der Denkmalpflege, eine Ikone der Berliner Nachkriegsarchitektur bautechnisch und funktional auf behutsame Weise zu ertüchtigen und für die Zukunft zu bewahren. Nicht von ungefähr gilt die 2004 mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege ausgezeichnete Sanierung des Hauses Hardenberg heute weit über Berlin hinaus als vorbildlich. 
  • Haus Hardenberg, (1955-56) in Berlin von Paul Schwebes.
    Adresse: Hardenbergstraße 4/5, 10623 Berlin

    Sanierung (2003-04):
    Bauherr, Projektentwickler und Sanierungskonzept:Hühne Immobilien, Berlin
    Architekten (LP 2–5): Winkens Architekten, Berlin
    Ausschreibung, Vergabe, Bauleitung: Ingenieurbüro Welke + Schönepauck, Berlin
    Ausführung der Glasfassadenarbeiten: Fensterfabrik Montag, Biberach-Mettenberg

Mathias Remmele
1963 geboren. Studium der Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie in Berlin und Wien. Freier Journalist und seit 1999 Gastkurator am Vitra Design Museum. Veröffentlichungen über Design und Architektur in Büchern und Ausstellungskatalogen. Seit 2000 Dozent für Design-, Architektur- und Kulturgeschichte an der HGK Basel.


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