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Häkeln, falten oder nähen?

»Freiluftbar« aus GFK-Schläuchen
Häkeln, falten oder nähen?

Glasfaserverstärkte Kunststoffe erlauben, computer-generierte freie Formen umzusetzen, was allerdings mit Kosten für den notwendigen Schalungsbau verbunden ist. Auf der Suche nach preiswerteren Realisierungsmöglichkeiten von GFK-Strukturen wurde an der Universität Innsbruck ein neuartiger Verbundwerkstoff mit handelsüblichen PVC-Schläuchen entwickelt und erprobt.

Text: Martin Höchst Fotos: Stefan Strappler, Valentine Troi

Um die Ergebnisse von Materialversuchen mit glasfaserverstärkten Kunststoffen an einem realisierten Projekt zu veranschaulichen, entstand am Institut für Experimentelle Architektur in Innsbruck innerhalb von drei Monaten eine ungewöhnliche Struktur aus »splineTEX«, einem neuartigen Faserverbundwerkstoff. Bestehend aus 20 mm dicken, glasfaserumhüllten PVC-Schläuchen, ist die Konstruktion 10 m lang, 4 m breit und wiegt nur 108 kg. 2009 diente sie während der Feierlichkeiten des 40-jährigen Be- stehens der Baufakultät als Bar. Die wegen des Transports aus zwei Teilen bestehende Struktur ist über ein Aluminiumkopplungsstück verbunden und wurde vor Ort über Drahtseilabspannungen in Form gebracht. Ein Teil im oberen Bereich dient als Dach, partiell befinden sich hier transparente PVC-Kissen. Die in Tresenhöhe eingefügten GFK-Schalen dienen als Eisbehälter für Getränke.
Material und Form
Der Umsetzung der »splineTEX«-Bar ging eine einjährige Forschungs- phase zur Herstellung freier Formen mit GFK voraus. Zusammen mit Studenten experimentierte ein Team unter der Leitung der Architektin Valentine Troi mit unterschiedlichen Glasfaserprodukten. So entstanden u. a. gehäkelte Faserstränge, gefaltete Gewebe oder genähte und anschließend aufgeblasene Strukturen (Abb. 3), die grundsätzliche Probleme und Potenziale der Verarbeitung veranschaulichten. Letztlich setzten sich lineare Elemente (Abb. 2 und 3 unten) und die heutige Struktur mit mehrfachgekrümmten »Splines« durch. Sie wurde am Computer mittels 3D-Modellierungssoft-ware generiert und parametrisiert und bot die Chance, auf den teuren Formenbau, wie er auch im Boots- und Flugzeugbau üblich ist, zu verzichten.
Herstellung
Um die ursprünglich geplante Struktur sinnvoll auf größere Dimensionen zu übertragen und nicht ausschließlich Glasfaserstränge zu verwenden, diente ein herkömmlicher PVC-Schlauch als Träger des Glasfasergeflechts. Je nach Belastung variiert der Durchmesser des PVC-Schlauchs sowie die Anzahl der Glasfaserschichten zwischen zweilagig und dreilagig. Eine Hilfskonstruktion (z. B. Gewindestangen) fixierte die vordefinierte Form, bis beim anschließenden Laminierverfahren das aufgebrachte Epoxidharz auf den Glasfaserschläuchen ausgehärtet war. Mehrere dieser »GFK-Splines«, mittels nachträglich laminierter Kunststoffmanschetten miteinander verbunden, bilden nun eine stabile räumliche Struktur.
Patentiert
Für die optimale Kombination der Materialien arbeitete Valentine Troi mit der Tiroler Versuchs- und Forschungsanstalt und dem Arbeitsbereich für Festigkeitslehre, Baustatik und Tragwerkslehre der Fakultät für Bauingenieurwissenschaften der Universität Innsbruck zusammen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen, veranschaulicht an der »splineTEX«-Bar, konnte sie bereits ein Patent anmelden und nahm erfolgreich am PRIZE-Wettbewerb 2009 des österreichischen Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend teil. Dadurch stehen ihr 100 000 Euro Fördermittel aus dem Programm von »uni:invent II« zur Verfügung, das Forschern österreichischer Universitäten die Erstellung von Prototypen ermöglichen soll.
So kann das Projektteam von »splineTEX« entspannt weiterarbeiten und potenzielle Einsatzgebiete erforschen. Derzeit werden zehn möglichst markttaugliche Objekte entwickelt, die ihre Verwendung maßstabsübergreifend – vom leuchtenden Kleinmöbel über Fassadenelemente und Pavillons bis hin zu Tragwerksmodulen – finden sollen. Dabei wollen die Ingenieure auch die Entwicklung automatisierter Abläufe beim aufwendigen Einrichten der Hilfskonstruktion und dem Laminieren der Konstruktion vorantreiben, um sowohl die Arbeitszeit als auch die Emissionen zu minimieren. Da die angewendeten Materialien bezüglich Recycling und baubiologischer Eigenschaften problematisch sind, versucht man glücklicherweise außerdem, Komponenten des Verbundmaterials durch ökologisch sinn-vollere zu ersetzen: Hanf statt Glasfasern oder Bioepoxide statt der gängigen Epoxidharze. All das ist notwendig, um »splineTEX« zukunftsfähig zu machen. Für die Zukunft wünscht man dem ästhetisch reizvoll geformten Gerüst aber nicht nur weniger Weichmacher, sondern auch eine schön detaillierte Hülle. •
Weitere Informationen: www.supertex.at Projektleitung: Valentine Troi, Institut für Experimentelle Architektur, Universität Innsbruck Projektteam: Stefan Strappler, Georg Wieser, Michael Zopf, Paul Mandler, Patricia Bachmayer, Melanie Schafferer, Theresia Studer, Julia Volderauer Statik: Herman Lehar, Institut für Grundlagen der Bauingenieurwissenschaften, Universität Innsbruck Software: Rhinoceros®, Grasshopper, I-deas
Die Prototypen sollen bei folgender Veranstaltung vorgestellt werden: CiA – Composites in Architecture: Design und Innenraum, 8./9.12., Weimar, siehe: www.skz.de
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