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Fördern und fordern?

Was sich bei der energetischen Sanierung ändern MuSS
Fördern und fordern?

Wer im Gebäudebestand Energie sparen will, hat es nicht leicht. Wenn es darum geht, den Charakter eines Gebäudes zu bewahren, gleichzeitig die Ansprüche der EnEV und der Fördermittelgeber zu erfüllen und dann auch noch dafür zu sorgen, dass das Ganze bezahlbar bleibt, gerät man schnell zwischen die Fronten. An welchen Stellschrauben müsste gedreht werden, um beim Sanieren die Kombination von großen Einsparungen und gestalterischem Anspruch zu erleichtern?

Text: Christian Schönwetter Fotos: Architekturbüro Baumeister

Läuft bei der energetischen Sanierung unseres Gebäudebestands alles rund? Mitnichten. Der Anteil an Bauten, die jährlich eine energetische Aufwertung erfahren, ist zu gering, statt einer Quote von 2 %, die im Rahmen der Energiewende in Deutschland angestrebt wird, erreichen wir nur rund 1 %. Und noch immer leidet dabei zu häufig das Aussehen der Gebäude, noch immer verschwinden zu viele Bauten, die einst mit Sorgfalt gestaltet wurden, hinter zumeist weniger sorgfältig gestalteten Dämmpaketen. Sowohl Quantität als auch Qualität der momentanen Sanierungspraxis lassen also zu wünschen übrig. Was lässt sich dagegen tun?
Dringend erforderlich ist zunächst einmal ein Überdenken der unausgegorenen Förderpolitik. Immer wieder ist es in den vergangenen Jahren vorgekommen, dass die Töpfe plötzlich leer waren, sodass Planer und Bauherren sich nicht darauf verlassen konnten, dass ihr Vorhaben tatsächlich bezuschusst wird. Hier brauchen wir mehr Verlässlichkeit, mehr Konstanz. Und wenn die Sanierungsquote steigen soll, wird man nicht umhin kommen, unterm Strich mehr Geld zur Verfügung zu stellen.
Auch die Frage der Wirtschaftlichkeit ist entscheidend. Nur wenn es gelingt, die Modernisierungen preiswerter zu gestalten als bisher, wird es eine neue Welle geben, mit der sich die angestrebte Quote erreichen lässt. Viele Eigentümer lassen sich von hohen Sanierungskosten abschrecken und unternehmen daher erst mal gar nichts. Hier gilt es, kleinere Brötchen zu backen und günstige Teilsanierungen stärker zu fördern. Es bringt in der Summe mehr, wenn zehn Bauherren 20 % Energie einsparen, als wenn ein Bauherr 100 % spart. Für Mietwohnungen hat die Deutsche Energie-Agentur dena untersucht, bis zu welchem Energiestandard sich Modernisierungen warmmietenneutral durchführen lassen. Eine Auswertung von 350 Projekten von Vorkriegsbauten bis zum 70er Jahre-Wohnblock ergab: Wenn ein Gebäude ohnehin saniert werden müsse, lasse sich der Energiebedarf um bis zu 75 % drosseln, ohne dass es für die Mieter teurer werde. Bis zu diesem Standard könne der Vermieter seine Kosten decken. Zwar müsse er die Kaltmiete um 0,82 Euro/m2 und Monat erhöhen, dem stünden aber Energiekosteneinsparungen von 0,92 Euro/m2 und Monat gegenüber. Die Warmmiete erhöhe sich also nicht.
Wird darüber hinaus dennoch eine Modernisierung auf Passiv- oder gar Plusenergiestandard angestrebt, lohnt es sich, verstärkt darüber nachzudenken, ob sich die Mehrkosten auffangen lassen, indem zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird. Der Ausbau leer stehender Dachgeschosse, das Umwandeln von Loggien zu Wohnraum oder der Anbau von Balkonen erhöht die Gesamtwohnfläche eines Mehrfamilienhauses. Gerade in Großstädten mit ihren hohen Immobilienpreisen können Wohnbaugesellschaften auf diese Weise beim Umbau ihres Bestands ein Plus erzielen, mit dem sich die hohen Modernisierungskosten ausgleichen lassen, sodass sich die Mehrbelastung für Mieter in Grenzen hält. Energetische Prestigeprojekte sollten sich also auf Bauten mit solchen Raumreserven beschränken, wenn die Sanierung sozialverträglich bleiben und nicht zur Gentrifizierung beitragen soll.
Fördermittel als Problem
Während die Quantität der Sanierungen mit der Höhe der Fördermittel recht leicht gesteuert werden kann, wird es bei der Qualität schwieriger. Sie lässt sich nicht einfach per Finanzspritze erhöhen. Doch auch hier bietet die Förderpolitik Lenkungsmöglichkeiten, mit denen sich zumindest der unreflektierte Dämmwahn bremsen lässt. Der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger BVS empfiehlt beispielsweise, die Bedingungen der KfW-Programme zur Energieeinsparung auf den Prüfstand zu stellen. Momentan vergebe die KfW Zuschüsse nur, wenn 15 % der Energie durch Wärmedämmung von Gebäuden eingespart werden. Der BVS schlägt stattdessen eine differenziertere Förderung von energiesparenden Maßnahmen vor: »Vielfach lässt sich eine Energieeinsparung von 15 % bereits durch sinnvolles Energiemanagement eines Bestandsgebäudes erreichen, ohne zusätzliche Dämmstoffe verbauen zu müssen. Für solche schonenden Maßnahmen wird aber keine KfW-Förderung gewährt.« So sei es aus Sicht eines Bauherrn wirtschaftlich sinnvoller, ein Gebäude neu zu dämmen, anstatt die bestehende Substanz und Haustechnik intelligenter aufeinander abzustimmen. »Es ist irrwitzig, dass der Verbau von größtenteils chemischen Dämmstoffen mit staatlichen Mitteln gefördert wird, während schonende Maßnahmen zur Erreichung des Ziels der Energieeinsparung nicht in den Förderprogrammen berücksichtigt werden.« Der Gesetzgeber sollte also das Ziel der Energieeinsparung fördern, nicht die Mittel zu dessen Erreichen. Fördern und fordern? Die detaillierten Forderungen, welche die KfW an die Vergabe der Fördermittel knüpft, sind das Problem, sie schränken Planer ein und erschweren ein flexibles Eingehen auf unterschiedliche Bauwerke. Nötig sind folglich ein größerer Spielraum und mehr Entscheidungsfreiheit bei der Frage, auf welchem Weg man die gebotenen Energieeinsparungen erzielen möchte.
Auch die Fixierung auf den Verbrauch gilt es zu hinterfragen. Bei Gebäuden mit erhaltenswerten Fassaden muss es nicht immer sinnvoll sein, den Wärmebedarf mit aller Gewalt zu senken. Warum nicht einen etwas höheren Verbrauch akzeptieren, diesen aber aus regenerativen Quellen decken, etwa mit Erdwärme? Auf diese Weise ließen sich genauso viel Gas, Öl und CO2-Emissionen einsparen wie mit einer Dämmung – aber ohne schädliche Nebenwirkungen auf die Gestalt des Gebäudes.
Und ohne all die Graue Energie, die in den Dämmstoffen steckt. Denn bislang wird nur der Energieverbrauch im laufenden Betrieb des Gebäudes betrachtet. Wie viel Energie hingegen während der Sanierung verloren geht, wenn alte Baustoffe entsorgt und neue, aufwendig produzierte Materialien eingebaut werden, findet keine Berücksichtigung in der EnEV und bei KfW-Förderprogrammen. Die Frage nach der energetischen Amortisation der eingesetzten Dämm- und Baustoffe stellt niemand – u.a., weil solche Ökobilanzen nur sehr aufwendig zu erstellen sind. Während es heute technisch kein großes Kunststück mehr ist, Gebäude so umzubauen, dass sie in der täglichen Nutzung kaum noch Energie verbrauchen, wird die nächste Herausforderung v. a. darin liegen, den Energiebedarf für die Konstruktion in den Griff zubekommen. Es geht darum, ressourcenschonende Baustoffe zu entwickeln und Planern Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen komplexe Ökobilanzen leichter zu beherrschen sind. •

Zum Thema (S. 18)
Christian Schönwetter
1993-2000 Architekturstudium an der Universität Karlsruhe. 1997-98 Mitarbeit im Sonderforschungsbereich »Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke«. 2000-01 Volontariat bei der Zeitschrift AIT. 2001-04 Redakteur der Fachzeitschrift design report. Seit 2004 freie Journalisten- und Kritikertätigkeit. Seit 2007 freier Chefredakteur der Fachzeitschrift Metamorphose.
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