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Farbige Insel im monotonen Einerlei

Wohnsiedlung Schönegg in Littau (CH)
Farbige Insel im monotonen Einerlei

Die vier Häuser der Wohnsiedlung Schönegg in Littau bei Luzern stehen eigentlich an einem Unort. Ausgefeilte Architektur und eine darauf abgestimmte Farbgestaltung ha- ben inmitten der unattraktiven Umgebung aber ein Stück Identität geschaffen, so dass sich die Bewohner der 36 Wohneinheiten hier wohlfühlen.

    • Architekten: Lischer Partner Architekten Planer Tragwerksplanung: Brigger + Käch Bauingenieure

  • Kritik: Reto Westermann Fotos: Andri Stadler
Littau ist eine typische Vorortsgemeinde im Luzerner Agglomerationsgürtel: Nach dem Zweiten Weltkrieg schnell gewachsen, ohne richtige Identität und mit einem großen Anteil Pendlern, die in der nahe gelegenen Stadt arbeiten. Über die Jahrzehnte sind Luzern und Littau baulich zusammengewachsen, die Grenzen haben sich verwischt. Der optische Zusammenschluss wird derzeit durch die Fusion der Stadt und der Vorortgemeinde auch politisch besiegelt. Wie viele vergleichbare Vorortgemeinden verfügt auch Littau auf seinem Gemeindegebiet über eigentliche »Unorte«, Quartiere und Ecken, die relativ planlos entstanden sind und von keinerlei gestalterischem Willen zeugen. Dazu zählt zum Beispiel der südliche Ortsrand. Eingeklemmt zwischen einem Hügelzug und der stark befahrenen Hauptstraße stehen dort gesichtslose und teilweise heruntergekommene Gewerbe- und Industriebauten, daneben schnell hochgezogene Wohnblocks aus verschiedenen Epochen, deren Anstriche in braunen und fleischfarbenen Tönen die Tristesse gerade an einem grauen Wintertag noch unterstreichen. Doch dazwischen blitzen vier Mehrfamilienhäuser auf: Drei in Lindgrün und eines in violetten Tönen – die Überbauung Schönegg der örtlichen Baugenossenschaft Matt, die zusammen mit dem Architekturbüro Lischer Partner aus Luzern und den Farbgestaltern von Truecolour, ebenfalls aus Luzern, viel Mut bewiesen haben.
Drei mal grün, einmal violett
Mutig war die Baugenossenschaft bereits, als sie mitten in diesem Unort und direkt an der Hauptstraße das Grundstück einer ehemaligen Gärtnerei kaufte, um darauf Wohnungen zu erstellen. Sich der schwierigen Lage bewusst, griff sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte zum Mittel des Wettbewerbs und ließ eingeladene Büros Ideen für das Areal entwickeln. ›
› Als Sieger ging das Projekt der Architekten von Lischer Partner hervor. Ihr Vorschlag: Ein betont massiv gehaltenes Langhaus mit fünf Wohngeschossen schottet das übrige Grundstück vom Lärm der Straße ab, dahinter stehen drei ebenfalls fünfgeschossige Punkthäuser aufgereiht. 36 Wohnungen finden in den vier Bauten Platz, davon zwanzig großzügige Einheiten mit viereinhalb Zimmern. Auch konstruktiv unterscheiden sich die beiden Haustypen. Das Langhaus ist eine klassische Massivkonstruktion mit einer Fassade aus vorgehängten Betonplatten. Die Punkthäuser hingegen sind als Hybrid konstruiert: Decken sowie Wohnungs- und Zimmertrennwände sind massiv ausgeführt, die Fassade hingegen besteht aus fixundfertig im Werk vormontierten Holzelementen, die direkt an den Deckenstirnen befestigt wurden.
Schon während der Ausarbeitung des Wettbewerbsprojekts war für die Architekten klar, dass gute Architektur allein an diesem schwierigen Ort nicht ausreichen würde: »Um in dieser Umgebung bestehen zu können, braucht es ein Zusammenspiel aus Farbe und Form«, sagt Architekt Daniel Lischer.
Deshalb taten sich die Architekten für die Weiterbearbeitung mit dem Farbplanerteam von Truecolour zusammen. Jo Finger und seine Partnerin Anita Walker sind spezialisiert auf Farbkonzepte für Gebäude. Die Zusammenarbeit zwischen Farbplanern und Architekten erfolgte auf gleichberechtigter Ebene: »Nur wenn Architektur, Farbe und Oberfläche optimal aufeinander abgestimmt sind, überzeugt das Ergebnis schließlich«, so Farbspezialist Jo Finger. Um die passenden Farben zu finden, wählten die Farbgestalter nicht einfach Töne aus bestehenden Paletten, sondern gingen auf dem noch unbebauten Areal, das seit Stilllegung der Gärtnerei von Pionierpflanzen überwuchert wurde, auf Spurensuche. »Wir wollten Farben wählen, die einen Bezug zu dem schaffen, was vor dem Erstellen der Häuser an diesem Ort war«, so Finger. Aus dem Bewuchs der Pionierpflanzen destillierten die Farbspezialisten schließlich drei ganz leicht changierende lindgrüne Töne sowie eine Palette an violetten Farbtönen, die von Brombeer bis Holunder reicht. Die Farben wurden gemischt, von den Farblieferanten nachgestellt und als Rezeptur für die Umsetzung und spätere Korrekturen abgelegt. Die Violetttöne fassen heute die aus vorgefertigten Betonelementen bestehende Fassade des Langhauses an der Straße, ›
› die lindgrünen Töne die sägerohen Holzfassaden der Punkthäuser im ruhigeren Teil des Geländes. So unterstreichen die Farben zusätzlich den Kontrast zwischen der harten Betonoberfläche und dem weicheren Holz. Die Grüntöne der Holzfassaden erhalten durch die sägerauen Bretter einen sehr besonderen Touch: Je nach Blickwinkel hat die Farbe einen leichten Glanz oder wirkt matt. Zudem haben die rauen Bretter einen weiteren Vorteil; die Farbe haftet besser und die Fassade ist langlebiger – ein perfektes Zusammenspiel also von Form, Farbe und Funktion. Ein Zusammenspiel, das auch dem Auge gefällt: Wer durch die Siedlung spaziert, fühlt sich sofort wohl. Vor allem das Grün der Punkthäuser sorgt für eine fast fröhliche Stimmung und Geborgenheit mitten in der sonst grauen Umgebung, während die changierenden Violetttöne des Langhauses dessen Schutzwirkung gegen die viel befahrene Straße unterstützen und einen kräftigen Farbakzent setzen.
Metallfarbe auf Holz
Während die violetten und grünen Töne für einen Kontrast und gleichzeitig für einen spannungsreichen Dialog zwischen den beiden Bautypen sorgen, wurde die Farbgebung der Balkonnischen und der Eingangsbereiche bei allen Häusern bewusst gleich gewählt. Der verwendete silberne Farbton schafft ein verbindendes Element und ist zugleich eine Novität. Dank einer neuen speziellen Farbrezeptur mit Aluminiumpartikeln war es überhaupt möglich, die aus Dreischichtplatten bestehende Verkleidung der Balkone und die Eingangsbereiche silbern einzufärben. Ein Vorgehen, das durchaus kontrovers diskutiert wurde: »In der Fachwelt wird immer wieder darüber gestritten, ob es statthaft ist, Holz mit einer für Metallteile bestimmten Farbe zu streichen«, sagt Finger. Das Resultat in Littau jedenfalls überzeugt: Die Struktur der Holzplatten ist weiterhin sichtbar, der Farbton gibt den Nischenbereichen eine heitere Helligkeit und Leichtigkeit und wirkt zugleich edel. Also ein weiteres Beispiel dafür, wie sich in der Siedlung Schönegg Farbe und Architektur ergänzen. ›
› Doch noch ein weiteres Element verbindet die Gebäude: während der Spurensuche auf dem noch unbebauten Areal entstandene, großflächige und in der Nacht beleuchtete Pflanzenbilder neben den Eingängen aller Häuser. Die Bilder wurden zu verschiedenen Tageszeiten aufgenommen und geben jedem Eingang einen individuellen Charakter.
Farbgestaltung bis ins Detail
Eng zusammengearbeitet haben Architekten und Farbgestalter auch im Innern der Gebäude. Die in Sichtbeton gehaltenen Treppenhauswände wurden ganz fein grau lasiert. So blieb die Struktur des Betons erhalten, gleichzeitig konnten Ungenauigkeiten in der Bauausführung ausgebessert werden, ohne dass es auffällt. Das Grau der Wände wird durch schwarze Treppenstufen und flächige Metallgeländer in starken Farben ergänzt. In den Punkthäusern sind sie in Orange gehalten, im Langhaus in Grün. Wie farbige Schlangen winden sie sich die Treppen hoch und leiten Besucher und Bewohner zu den Wohnungstüren. Treppenhäuser, die Lust machen, die Treppe zu benutzen und den Lift links liegen zu lassen. Und auch bei einem Detail wie den Geländern haben die Farbgestalter mit feinen Nuancen gearbeitet, die den Gesamteindruck perfekt machen: Die Geländerflächen zum Treppenauge hin sind etwas hellertonig gestrichen als diejenigen auf der Treppenseite und als der Handlauf. Ein Spiel mit der Farbe, das sich erst auf den zweiten Blick erschließt, dann aber umso spannender ist – vor allem im Zusammenwirken mit dem Tageslicht, das durch ein Oberlicht ins Treppenauge fällt. Auch hier haben Architekt und Farbgestalter durch enge Zusammenarbeit ein überzeugendes Resultat erzielt.
In den Wohnungen selbst wurde, mit Ausnahme der Küchenmöbel, auf eine auffällige Farbgestaltung verzichtet. »Hier dominiert die Einrichtung zu sehr und die Farbe würde untergehen«, sagt Architekt Daniel Lischer.
Wichtig ist Farbe hingegen wieder im Untergeschoss der Häuser, wo sich neben den Keller- und Technikräumen auch die Garagen befinden. Gelborangefarbene Wände signalisieren den Weg zwischen Treppenhaus und Garage, so dass auch ortsunkundige nicht aus Versehen in der Waschküche landen. Dieselbe Signalfarbe findet sich auch in der Garage wieder, wo sie die Pfeiler akzentuiert und zusammen mit großen Zahlen die Zugänge zu den einzelnen Häusern markiert.
So ist die Siedlung Schönegg vom Keller bis unters Dach ein Vorzeigebeispiel dafür, wie gut sich Farbe und Architektur ergänzen und wie sie zusammen inmitten der Tristesse eines Vorortes ein Stück eigenständiger Identität schaffen können. Einen Ort, an dem sich die Bewohner wohlfühlen. Der Mut der Baugenossenschaft, das Grundstück zu kaufen und auf das Zusammenspiel guter Architektur und Farbe zu setzen, hat sich allemal gelohnt.


  • Bauherr: Baugenossenschaft Matt, Littau (CH)
    Architekten: Lischer Partner Architekten Planer AG, Luzern
    Tragwerksplanung: Brigger + Käch Bauingenieure AG, Reussbühl
    Bauleitung: TRIPOL Architekten AG, Littau
    Farbkonzept und -gestaltung: Truecolour Jo Finger & Anita Walker
    Farbgestaltung und Signaletik , Luzern
    Holzbauingenier: Makiol + Wiederkehr, Beinwil am See
    Landschaftsarchitekten: HUESLER + HESS AG, Luzern
    Fertigstellung: Januar 2007
    Gebäudevolumen total: 24 600 m³ (gerundet)
    Kosten Gesamtprojekt: 10, 5 Mio. Euro
  • Beteiligte Firmen: Caparol, Ober-Ramstadt; www.caparol.de
    Keimfarben AG, Diepoldsau (CH); www.caparol.de
    sto AG, Niederglatt (CH); www.caparol.de
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