Dieses Jahrzehnt ist schwer zu fassen. Reichhaltig an politischen und gesellschaftlichen Veränderungen bleibt es – will man seinen Gesamtcharakter benennen – doch seltsam vage, jeder hat dazu seine eigenen Assoziationen. Neue Medien erleichterten die Kommunikation und stellten gewohnte Muster des sozialen Umgangs in Frage, ein unschuldiges Schaf namens Dolly brachte althergebrachte Moralvorstellungen ins Wanken, in der Kunst wurde Vieles möglich, was zuvor als undenkbar galt – eine Zeit des »anything goes«. In der Architektur gab es gleich mehrere Strömungen, die ihre Anhänger fanden: Den Studenten wurde »konstruktive Ehrlichkeit« gelehrt, die Ökologie hielt Einzug, in Bayern begeisterten experimentelle Wohnmodelle, in Berlin – und anderswo – wurde der Boden für Retro-Architektur bereitet und die »Signature architecture« einzelner »Stars« schaffte es, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Für unseren neugierig-kritischen Rückblick auf die Architektur der neunziger Jahre haben wir fünf Gebäude ausgesucht, anhand derer wir stellvertretend für je ein Thema untersuchen, welche Konzepte Bestand haben. Es geht dabei nicht etwa darum, Häme über eventuell vorhersehbare Bauschäden auszugießen, interessant ist vielmehr, ob der jeweilige Bau insgesamt den gestellten Anforderungen gerecht geworden ist und wie sich die Gedankenwelt rund um die Bauaufgabe in der Zwischenzeit verändert. ~ge
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