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Der rheinturm in Düsseldorf

... in die jahre gekommen
Der rheinturm in Düsseldorf

Als der Rheinturm 19981 gebaut wurde, war der Düsseldorfer Hafen noch weit davon entfernt, einmal eine der ersten Adressen der Stadt zu werden – und von Frank O. Gehry im fernen Santa Monica hatten in Deutschland die Wenigsten je gehört. Wenn heute die Rede vom Rheinhafen ist, verbindet man damit vor allem dessen Zollhoftürme. Für Ortsunkundige lautet die Wegbeschreibung dorthin aus allen Ecken der Stadt und zu jeder Tageszeit: »Direkt hinter dem Fernsehturm«.

    • Architekt: Harald Deilmann Tragwerksplanung: Dyckerhoff & Widmann, NL München

  • Text: Klaus Englert Fotos: Ansgar M. van Treeck
Jahrelang war die Stadtsilhouette Düsseldorfs geprägt durch die Oberkasseler Brücke und den Fernsehturm. Als die Marketingstrategen und Politiker der Stadt dann 1998 die Gehry-Türme im Medienhafen als neues werbeträchtiges Stadtsignet entdeckten, schienen diese kurzfristig den Rheinturm zu verdrängen – eine unberechtigte Sorge, wie sich mittlerweile herausgestellt hat. Die privatwirtschaftlich betriebenen Türme machen am Handelshafen, im Verein mit anderen Renommierbauten der internationalen Architektenprominenz, zwar einiges her, doch der öffentlich zugängliche Rheinturm bleibt das »Muss« eines jeden Düsseldorf-Touristen. Schon vor dem »Aufstieg« positioniert man sich zum obligatorischen Gruppenfoto. Im beliebten Drehrestaurant, auf einer Höhe von 174,50 Metern, sind dann die Auswärtigen auch meist unter sich, wenngleich fast jeder Düsseldorfer mindestens schon einmal seine Heimatstdt aus dieser Perspektive betrachtet hat. Das Rondell des geräumigen Restaurants ist jedenfalls an fast jedem Wochentag nahezu bis auf den letzten Platz besetzt.
Wenn es in Düsseldorf einen Treffpunkt der Nationen gibt, dann ist es das Drehrestaurant im Rheinturm. Hier finden sich die Geschäftsleute aus der japanischen Kolonie Düsseldorfs ein, eine kleine Gruppe polnischer Touristen schaut vorbei, um sich an dem Panoramablick über die Rheinschleife zu ergötzen, und während die englische Reisegruppe mehr den leiblichen Genüssen zugeneigt ist, wählen die aufgekratzt wirkenden Spanier als erstes den passenden Wein zum Menü. Nicht nur die Gäste, auch gängige Klischees werden hier bedient.
Während eines durchschnittlich langen Diners und gemächlicher Drehgeschwindigkeit wird der Gast zweimal an Rüttgers Staatskanzlei und Gehrys Turmbauten vorbeischweben. Herr Bonkowski, Geschäftsführer des Restaurants, erklärt gerne, wo sich die Silhouette des Kölner Doms befindet, wenn sie überhaupt zu sehen ist. Angeblich ist sogar das Siebengebirge zu erkennen, aber am besten solle man den nächsten Regenschauer abwarten, denn danach sei die Luft am klarsten, meint Herr Bonkowski. Derweil schauen die Polen angestrengt bei blauem Himmel in Richtung Köln, doch der Dom will sich nicht zeigen.
Im Auftrag des oberbürgermeisters
Harald Deilmann, der heute 87-jährige Architekt des Rheinturms, erzählt, wie ihn 1978 der damalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Klaus Bungert eingeschärft hat, eine markante Stadtsilhouette am Rhein zu errichten. »Sie sind dafür verantwortlich«, soll ihm Bungert eingetrichtert haben. Der Dortmunder Universitätsprofessor Deilmann, der zuvor das Neusser ›
› Clemens-Sels-Museum, das Stadttheater Münster und das Essener Aalto-Theater errichtet hatte, gewann damals den Düsseldorfer Investorenwettbewerb. Die Ausschreibebedingungen verlangten, eine »Turmform« zu bauen, »die sich von bereits vorhandenen deutlich abhebt«. Fachleute mögen vielleicht darüber streiten, inwieweit Deilmann wirklich eine innovative Gestalt geglückt ist. Zweifellos aber ist der Rheinturm-Kelch eleganter als die Kanzel des Kölner Colonius-Fernsehturms.
Innovativ war auf jeden Fall die Konstruktionstechnik. Denn Deilmann entwickelte den Kelch, der Aussichtsplattform, Cafeteria und Restaurant beherbergt, homogen aus dem sich verjüngenden Betonschaft heraus. Beim kurz zuvor errichteten Kölner Colonius-Turm wurden Schaft und Kanzel durch eine Stahlkonstruktion miteinander verbunden, während man beim Düsseldorfer Turm auf diese herkömmliche Methode verzichtete. Harald Deilmann ist stolz darauf, als erster Architekt bei Turmbauten das Kletterschalungssystem angewendet zu haben, selbst wenn er heute eingestehen muss, dass diese Technik später, wegen des mangelnden Bedarfs an weiteren Fernmeldetürmen, aufgegeben wurde. Die komplett in Stahlbeton errichtete Hülle des Schafts wurde zusammen mit dem auskragenden Kelch sukzessive geschalt und betoniert. Anders verhält es sich mit dem inneren Erschließungsbereich, der mittels Einsatz einer Gleitschalung hochgezogen wurde. Entsprechend werden die Lasten der Kanzelgeschosse über die außen liegenden Schrägstützen sowie über die innen liegenden Vertikalstützen in den Turmschaft abgeleitet. Deilmann ist davon überzeugt, dass diese homogene Konstruktion wesentlich dazu beigetragen hat, Korrosionsprobleme zu vermeiden.
DAS ZWEITE GESICHT – DIE GRÖSSTE DEZIMALUHR DER WELT
Und noch etwas erfüllt den Architekten bis heute mit großem Stolz. Weil ihm der 218 Meter hohe Betonschaft zu »langweilig« erschien, hatte Deilmann in der Planungsphase die Idee, die Fassade mit 62 Bullaugen zu perforieren, um durch diese von außen die auf- und niederfahrenden Aufzüge sichtbar zu machen. Ihm schwebte ein Beleuchtungssystem vor, das nachts in Gestalt wandernder Lichtpunkte wahrnehmbar sein sollte.
Da die Planungen zu diesem Zeitpunkt schon weit fortgeschritten waren, die Löcher, wie das mit der Ausführung beauftragte Unternehmen ihm mitteilte, zwar realisierbar, jedoch mit erheblichen Mehrkosten (30 000 DM pro Loch) verbunden sein würden, mittlerweile auch nicht mehr die Bundespost, sondern die Stadt Bauherr war, wandte sich Deilmann persönlich an den im Urlaub weilenden Oberbürgermeister – und erhielt von diesem die Zusage.
Der Stadtrat konnte sich jedoch mit Deilmanns Beleuchtungskonzept nicht anfreunden. Das war die Stunde des Düsseldorfer Lichtkünstlers Horst H. Baumann, der kurz zuvor auf der Kasseler Documenta 6 die erste permanente Laserskulptur installiert hatte. Baumann entwickelte für die Perforierungen eine Normalzeituhr, die als »Lichtzeitpegel« funktioniert. Keine konventionelle Uhr, sondern ein Zeitmesser, der – freilich etwas umständlich – nach dem Dezimalsystem ablesbar ist. Weil es aber heute noch Düsseldorfer gibt, denen das zu hoch ist, halten sie es lieber mit dem Königsberger Immanuel Kant und sehen den Rheinturm als Objekt interesselosen Wohlgefallens. Vor hundert Jahren hätte man das Farbenspiel, das seine volle Wirkung nachts erreicht, Lichtorgel genannt.
Baumann hatte dann vor einigen Jahren, als Düsseldorf im Olympiafieber taumelte, die Idee, die in Parabolreflektoren angebrachten Glühbirnen durch farbige LEDs zu ersetzen. So konnten nicht nur knapp 90 Prozent Energie eingespart, sondern auch die Leuchtkraft erhöht werden. ›
› Außerdem sind Farbfolgen und dynamische Lichtfelder schaltbar. Diese Neuerung ermöglichte es Baumann, seinen »Olympiariegel«anzubringen, ein bewegliches Farbband, das zwischen Freitagabend und Montag früh sechs Mal pro Stunde für 90 Sekunden das Altstadtufer anstrahlt, um dann wieder in den normalen Zähltakt umzuspringen.
Seit Bestehen der Rheinuferpromenade, die vom Stadttor bis zur Oberkasseler Brücke reicht, sind Rheinturm und Lichtskulptur zunehmend ins Wahrnehmungsfeld der Düsseldorfer getreten. Wer heute nachts die Promenade entlangschlendert, bemerkt, dass beide ihre volle Präsenz zwar aus der Ferne voll entfalten, gleichzeitig aber in den letzten Jahren mehr ins Zentrum gerückt sind.
Deilmanns Rheinturm und Baumanns Lichtorgel bestehen nunmehr seit 25 Jahren. Sie markierten die Düsseldorfer Rheinsilhouette, noch bevor die extravagante Medienmeile am Hafen, bevor Stadttor, Landtag und Apollo-Theater entstanden. Sie ragten bereits in den Düsseldorfer Himmel empor, als die Altstadt durch die Verkehrsschneise noch vom Rhein getrennt und die Rheinuferpromenade von Fritschi, Stahl, Baum noch schöne Vision war. Der Rheinturm war das erste Gebäude, das Düsseldorf auf der rechtsrheinischen Seite ein wenig mehr zum Rhein geöffnet hat. •
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