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Bauherrenpreise dutzendweise

Wohnen: Kostengünstig und nachhaltig?
Bauherrenpreise dutzendweise

Unter den zahllosen mehr oder minder bedeutsamen Architekturpreisen, die in regelmäßigen Abständen durch die Medien getrieben werden, nehmen die alle zwei Jahre bundesweit ausgeschriebenen Bauherrenpreise eine Sonderstellung ein. Das Spektrum der eingeforderten Leistungen geht weit über das reine Erscheinungsbild oder räumliche Qualitäten hinaus. Bei näherer Betrachtung stellt sich aber die Frage, ob Jury und Dokumentation bei der Bewertung wirklich in die behauptete Tiefe vordringen.

Text: Gudrun Escher

Wie sich die Bilder der Auszeichnungen zum Deutschen Bauherrenpreis gleichen: In der Kategorie »Modernisierung«, die Ende 2007 auf der Baufachmesse Leipzig präsentiert wurde, dominieren die Plattenbau-Erneuerungen in Ost und West und beim »Bauherrenpreis Neubau«, verliehen Anfang 2008 auf der DEUBAU in Essen, dominieren Wohnblöcke in Zeilen, alle in fröhlichen Farben und meist mit Balkonen, Staffelgeschossen und sonstigen Architektur-Accessoires dekoriert. Sich einen genaueren Überblick über die Gründe der Auswahl zu verschaffen, ist gar nicht so einfach, denn der Auslober verzichtet auch nach zwanzig Jahren und 17 Preisdurchgängen in der Dokumentation darauf, über Grunddaten hinsichtlich Größe und Baukosten hinaus die Jurybewertungen so aufzubereiten, dass die Aussagen untereinander und mit den Wettbewerbsbedingungen vergleichbar würden. Auch fehlen die Anschriften der Objekte und in der unsortierten Liste aller Bewerber die Telefonnummern oder Internetadressen wie überhaupt ein Internetauftritt der auslobenden Arbeitsgruppe KOOPERATION, bestehend aus dem Bund Deutscher Architekten BDA, dem Deutschen Städtetag DSt sowie dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW. Das würde den anlässlich der Verleihungszeremonie wortreich beschworenen »Nachahmern« der ausgezeichneten »Vorbilder« das Nachforschen erleichtern. Wer will da über mangelnde Publizität jammern?
Die Bauherrenpreise aus zwei Jahrzehnten könnten einen Fundus an wohnwirtschaftlicher Kompetenz für ganz unterschiedliche Wohnbedürfnisse in ganz unterschiedlichen Stadtsituationen, aber unter dem immer gleichen Maßstab des kostengünstigen und nachhaltigen Bauens in besonderer Verantwortung der Bauherren darstellen; aber haben sich die ausgewählten Wohnungsbauten wirklich als nachhaltig vorbildlich erwiesen?
Insgesamt wurden bisher 220 Objekte aus 3200 Einreichungen, entsprechend etwa 230 000 Wohnungen, ausgezeichnet. Für den Bauherrenpreis 2007/2008 waren 223 realisierte Wohnungsbauten eingereicht worden, davon 91 in der Sparte »Modernisierungen«, und es wurden jeweils zehn Preise und zehn beziehungsweise elf Besondere Anerkennungen vergeben. Mit der Preisfülle sollte wohl weniger eine strenge Auswahl getroffen als ein breites Spektrum aufgefächert werden – zugelassen war alles außer dem freistehenden Einfamilienhaus. Weitere Kriterien sind: Wirtschaftlichkeit und tragbare Kosten, darunter Energieeffizienz, rationelle Bauweise und geringe Folgekosten, weiter »Stadtökologie« und die städtebauliche Einbindung, die Funktionalität einschließlich »Sozialer Brauchbarkeit« und der Förderung von Nachbarschaften sowie die Anpassung an Lebenszyklen und nicht zuletzt »experimentelle Formen der Zusammenarbeit« zwischen Bauherren und Planern. Alle dokumentierten Jurytexte im Sektor »Neubauten« loben die städtebauliche Einbindung, viele die Mischnutzung mit variablen Wohnungsgrößen, aber nur vereinzelte das ökologische Konzept. Wo die Transparenz der Bewertungen zu wünschen übrig lässt, bleibt auch unklar, welchen im Text benannten »zusätzlichen Aufwand« ein Mehrgenerationenhaus verursachte, wie bei dem Objekt der WBG Ilmenau in Ilmenau, oder welche Qualität »Wohnen pur« verspricht, wie bei den Gartenhofhäusern einer Bauherrengemeinschaft in Leipzig-Connewitz.
Wie jedoch wurde im Einzelfall der geforderte Spagat zwischen Baukosten einschließlich Aufwendungen für Niedrigenergiestandards einerseits und am Markt erzielbaren oder gesetzlich fixierten Mieten andererseits bewältigt? Auch werden zusätzliche Fördermittel nicht benannt, wie bei der Genossenschaft FrauenWohnen, deren Mitglieder auf Renditen aus ihren Einlagen bewusst verzichteten, um das prämierte Wohnquartier in München Riem zu ermöglichen (Architekten: Planungsgemeinschaft Zwischenräume, München). Zudem handelt es sich hier um ein Forschungsprojekt des experimentellen Wohnungs- und Städtebaus ExWoSt. Schließt etwa das Kriterium »kostenbewusste Handhabung von Normen und Vorschriften« auch den kreativen Umgang mit Fördermöglichkeiten ein? Wohnungsunternehmen, ob genossenschaftlich, kommunal oder privatwirtschaftlich, können wohl nur im Modellprojekt die Rentabilität unberücksichtigt lassen – normal ist das nicht.
Gerade das »nicht Normale« ist das Geschäftsfeld der »MGS, Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung, Wohnungsunternehmen, Sanierungsträger und Treuhänder der Stadt München«, die für das Wohn- und Geschäftshaus Landsberger Straße einen Preis erhielt. Die Maßnahme zur »Stadtteilsanierung Westend« beinhaltet ein ganzes Bündel von Innovationen, denn gemäß dem öffentlichen Auftrag der MGS ist dies ein sogenanntes Mehrzielprojekt: Die 23 Wohnungen unterschiedlicher Größe sind alle barrierefrei und zum Teil rollstuhlgerecht, mit Aufzügen erreichbar und verfügen über einen Gemeinschaftsraum mit Küche und Zugang zum Innenhof samt Kinderspielplatz. Das Haus besitzt drei Eingänge und im Erdgeschoss sind sieben Läden mit kostengünstigem Zuschnitt untergebracht. Besondere Doppelfensterkonstruktionen erlauben das Wohnen zur Straße, wo Lärmbelastungen bis zu 75 dB auftreten, und verbessern den Wärmeschutz, der dank integrierter Lüftung mit Wärmerückgewinnung, ›
› Fußbodenheizung mit Fernwärme und Kollektoren für die Warmwasserbereitung den Niedrigenergiestandard von 60 kWh/m²a gewährleistet. Dies alles entstand unter den Bedingungen des geförderten Wohnungsbaus bei einer Geschossflächenzahl von 3,24 und Bruttobaukosten von 1323 Euro/m². Preiswürdig macht das Ganze erst das architektonische Konzept nach Entwurf von Fink + Jocher, München. Das städtebauliche Thema geben die Ziegelbauten der traditionsreichen Augustinerbrauerei vor. Deshalb war neben dem Bauherrn auch der Denkmalschutz eng in die Planungen eingebunden. Der Neubau anstelle von fünf maroden Altbauten reagiert auf das Umfeld mit seiner abgestuften, zwischen vier und sechs Geschossen variierenden Bauhöhe, die großen Rechteckfenster in Stahlrahmen liegen wie früher im Industriebau mit Einfachverglasung auf den Mauerflächen der Straßenfassaden auf, dem rauen Spritzputz in Ziegelrot wurde Glas beigemengt. Die Hoffassaden zeigen dagegen glatten Putz und schräg eingeschnittene Fensterlaibungen beziehungsweise Loggien, die den Lichteinfall optimieren.
Der Jurytext teilt von alledem nur wenig mit. Für die MGS ist jedoch der Bauherrenpreis eine wichtige Bestätigung der eigenen Arbeit sowohl intern als auch nach außen, denn er sei, so die Einschätzung, die wichtigste Auszeichnung in der Wohnungswirtschaft.
Diese Überzeugung bestätigt die Wohn- und Stadtbau Münster, wie die MGS eine kommunale Gesellschaft. Hier allerdings gelten die mit einem Preis bedachten »Gartenstadthäuser« am Merschkamp als Leuchtturmprojekt, denn sonst errichtet und betreut man geförderten Wohnungsbau und nicht Reihenhäuser zum Verkauf. Der Entwurf entstand nach einem Wettbewerb im Rahmen der »Regionale NRW 2004«, also wieder unter Ausnahmebedingungen, wobei Ortner & Ortner zwar nur die Drittplatzierten waren, ihr Vorschlag jedoch die ökonomischsten Realisierungschancen bot und deshalb auch gebaut wurde. Auf dem Geviert eines früheren Sportplatzes entstanden Reihen von 27 ziegelverkleideten Einzelhäusern mit zweigeschossigen Garten- und dreigeschossigen Vorderfronten. Weil sie versetzt zueinander stehen, bleibt dazwischen Raum für geschützte Gärten, womit die Wohnwünsche vom Häuschen im Grünen wie die des innerstädtischen Wohnens gleichermaßen bedient werden. Der ökologische Aspekt beschränkt sich auf hohe Dämmung und Gründächer. »Auch als Bauträger kann man Baukultur machen«, so die Überzeugung des Geschäftsführers Dieter Riepe, der auch für andere Experimente offen ist. Eine der Anerkennungen erhielt das Unternehmen für bauliche Ergänzungen zum Altenzentrum Klarastift einschließlich der »Casa Mauritz« als Wohngruppe für Demenzkranke.
Wären alle 60 000 Wohneinheiten, die nach Aussage der GdW aktuell pro Jahr fehlen, nur annähernd in der Qualität realisierbar, die die Bauherrenpreise exemplarisch vorführen, wäre der Baukultur ein großer Dienst erwiesen. Gleiches gilt für den Klimaschutz insbesondere auf dem Feld der Modernisierungen, denn 35 Mio. Wohnungen in Deutschland sind älter als zehn Jahre und weisen energetische Mängel auf. Aber spiegelt der Bauherrenpreis die Realität in der Wohnungswirtschaft? Aufschlussreicher als die dokumentierte Statistik der Verteilung der Preise auf die Bundesländer wäre eine Aufschlüsselung der Bauherren: 2008 waren fast ausschließlich kommunale Gesellschaften, Genossenschaften und Einzelpersonen erfolgreich. Beteiligen sich andere nicht, bauen sie so schlecht oder warum fallen sie vorzeitig durch’s Raster? •
Die Broschüren zum Bauherrenpreis sind zum Preis von 15 Euro beim Verlag A+I in Hamburg zu beziehen oder unter www.staedtetag.de in Form von pdf-Dokumenten abzurufen.
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