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Mineralbad und Spa in Rigi-Kaltbad (CH) von Mario Botta Architetto

Mineralbad und Spa in Rigi-Kaltbad (CH)
Baden auf dem Berg

Mario Bottas Mineralbad soll zukünftig als wichtiger Anziehungspunkt auf dem wohl berühmtesten Aussichtsberg der Schweiz dienen. Der Anlage ist es aber nur bedingt gelungen, dem Ort atmosphärisch gerecht zu werden – ganz abgesehen davon, dass die Ausblicke aus dem Innern des Bads eher enttäuschen.

    • Architekten: MARIO BOTTA ARCHITETTO Tragwerksplanung: MLG Generalunternehmung

  • Kritik: Hubertus Adam Fotos: Enrico Cano
Seit dem 19. Jahrhundert zählt der Ausflug auf den Rigi zum klassischen Programm eines jeden Schweiz-Touristen. Zwischen Vierwaldstätter- und Zugersee gelegen, ist das Bergmassiv gut zu erreichen; zwei Zahnradbahnen sowie Luftseilbahnen garantieren die bequeme Erschließung. Der höchste Gipfel, Rigi-Kulm, ist lediglich 1 797,5 m hoch – doch dank der »Insellage«vor den eigentlichen Alpen eröffnet sich den Besuchern ein fantastisches Panorama, das die Alpen mit ihren Viertausendern ebenso einschließt wie die Voralpenregion. Kein Wunder, dass das Bergmassiv des Rigi, das in Teilen je dem Kanton Schwyz und dem Kanton Luzern zugehört, zum Inbegriff des Aussichtsbergs und nachgerade zu einem nationalen Mythos geworden ist.
Wandel des Tourismus‘
Kaum irgendwo so deutlich wie hier indes offenbart sich der stete Wandel der touristischen Bedürfnisse. Heute besuchen den Rigi 600 000 Besucher jährlich, eine zunächst imponierende Zahl. Der Großteil davon sind allerdings Tagestouristen, und so gibt es lediglich 300 Gästebetten hier oben – im Gegensatz zu mehr als 2 000, welche für die Zeit um 1900 belegt sind, als die Besucher noch länger auf dem Berg weilten. Begünstigt durch die Dampfschiffverbindung über den Vierwaldstätter See nach Luzern hatte im 19. Jahrhundert der Besucherverkehr begonnen, der nach der Eröffnung der Zahnradbahnen von Vitznau (1871) und Arth-Goldau (1875) in die Höhe schnellte. Die einst bescheidenen Herbergen auf dem Rigi wurden entweder großzügig erweitert oder durch luxuriöse Grand Hotels ersetzt. Der Boom des Rigi-Tourismus‘ endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs schlagartig, und ›
› aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage gelang es in den Folgejahrzehnten nicht, an die goldenen Vorkriegsjahre anzuknüpfen. So hatte der Schweizer Heimatschutz, dem die Luxushotels als deplatzierte, städtische Importarchitektur seit jeher ein Dorn im Auge waren, nach dem Zweiten Weltkrieg Erfolg mit seiner Initiative, den Rigi zu »bereinigen«; einzig das seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehrfach erweiterte Hotel Bellevue auf dem 1 450 m hohen Bergsattel in Rigi-Kaltbad blieb von der Abrisswelle verschont, fiel jedoch 1961 einer Brandstiftung zum Opfer. In der Hochkonjunkturphase der 60er Jahre begann in Kaltbad, das inzwischen zu einer bevorzugten Ferienhausdestination avanciert war, nach Plänen des Architekten Justus Dahinden der Neubau einer Anlage, die man heute als Resort bezeichnen würde: ein um eine Platzanlage gruppierter Hotelkomplex mit Hallenbad, Sportbereichen und Ferienwohnungen, realisiert als Sichtbetonkonstruktion unter expressiv geschichteten dunklen Eternitdächern. Die sogenannte Hostellerie auf dem Rigi kam jedoch nicht in Schwung und wurde zum dauerhaften Problemfall.
Nach weiteren vergeblichen Anläufen entwickelte schließlich 2004 der Bauunternehmer Peter Wüest in Absprache mit den Besitzern des schwächelnden Resorts ein ehrgeiziges Konzept, Rigi-Kaltbad wieder zu einem touristischen Hotspot auf dem Rigi werden zu lassen. Dieses basierte auf drei Bausteinen: der Sanierung der nunmehr als »Hotel Rigi-Kaltbad« firmierenden Resorts, einem Neubau mit Ferienwohnungen am früheren Standort des Bellevue – und einem der Öffentlichkeit zugänglichen Bergbad unter dem »Dorfplatz« der Anlage. Der Auftrag zu dem Bad wurde Mario Botta erteilt, der zu dieser Zeit gerade das Grand Hotel Tschuggen in Arosa durch die »Bergoase«, das mit 30 Mio. CHF (ca. 24 Mio.Euro) teuerste Spa der Schweiz, erweiterte.
Die Gemeinde Weggis, die den Dorfplatz erworben hatte, stellte zwar Mittel für dessen Neuanlage auf dem Botta-Bau zur Verfügung, doch durch den Rückzug des Generalunternehmers drohte auch dem neuen Projekt das Scheitern. Erst nach einer Redimensionierung sowie des Hinzuziehens der Badbetreiber von »Aqua-Spa-Resorts« und der MLG Generalunternehmung aus Bern sowie des Unternehmers Rolf Kasper bog das Vorhaben auf die Zielgerade ein. ›
Vom Kaltbad zum Warmbad
Baden auf Rigi-Kaltbad hat, worauf der Ortsname hindeutet, eine lange Tradition. Seit dem 16. Jahrhundert war die hinter dem Resortgebäude entspringende Quelle als heilkräftig bekannt; die erste Kapelle entstand zwischen den Felsen, die um 1800 durch einen heute noch bestehenden Neubau ersetzt wurde. Tauchten die frühen Pilger in freier Natur im kalten Wasser unter, so integrierte man im Hotelbau des frühen 19. Jahrhunderts Badezellen. An diese Tradition will das »Mineralbad & Spa Rigi-Kaltbad« anknüpfen, wobei das Quellwasser im Wellness-Zeitalter auf angenehme 35 °C erwärmt wird. Im Kern handelt es sich bei Bottas Projekt um eine boxartige, in den Hang eingelassene Stahlbeton-Struktur, die entweder vom Dorfplatz auf dem Dach über einen zylindrischen Treppenturm oder direkt vom UG des Hotels aus erschlossen wird. Von der Kasse mit Café aus gelangt man über die Garderobe und die Duschen in den Hauptraum des Bads mit einem 30 m langen Becken, das sich bergseitig in vier halbkreisförmigen Becken mit diversen Sprudelanwendungen fortsetzt. Ähnliche Raumnischen flankieren auch die östliche Stirnseite des Bads, an der das Becken knickt und sich in einem Freibereich fortsetzt. Licht erhält das Innere durch die als »Kristalle« den Dorfplatz rhythmisierenden Oberlichter sowie die vollständig verglaste und mit horizontalen Steinlamellen über einer Stahlunterkonstruktion versehene Südfassade. Eine zweite Treppenspindel führt hinunter zum Kräuterdampfbad mit Ruheraum, der – um den »Ort der Ruhe und Entspannnung« nicht zu stören – erst ab dem Alter von 16 Jahren zugänglich ist. Während sich in der Sauna der gestalterische Anspruch eher bescheiden zeigt, beeindruckt das grottenartige Kristallbad mit seinem Deckenhimmel aus blauem Stucco Lucido und dem hohen zentralen Lichtschacht.
Für Mineralbäder gibt es in der Schweiz eine unschlagbare Referenz: die Therme Vals von Peter Zumthor. Obwohl konzeptionelle Ähnlichkeiten bestehen (entlegener Ort in den Bergen, Einbettung in den Hang, Revitalisierung eines Hotekomplexes) gelingt es Botta nicht annähernd, eine vergleichbare atmosphärische Dichte zu erzielen. So wird der transitorische Bereich der Umkleiden nicht zu einem spannungsvollen Prolog, an dem man das tägliche Leben hinter sich lässt und in eine andere Welt eintaucht, sondern offenbart die Atmosphäre eines Hallenbads der 70er Jahre – wenn auch mit perfekt schweizerisch verarbeiteten Materialien. Auch die aus akustischen Gründen installierte Decke aus Ahornlamellen im Hauptgeschoss des Bads will schlicht nicht zur Monumentalität des Steins passen.
Aber auch die Verwendung des Steins selbst ist problematisch. Das neue Bad auf dem Rigi will den Stein inszenieren, so wurde das Äußere mit gespaltenen, das Innere mit polierten oder sandgestrahlten Platten bekleidet. Der Stein hat aber mit dem Ort nichts zu tun: Weil der Rigi aus dem Konglomeratgestein Nagelfluh besteht, das als Baumaterial völlig ›
› ungeeignet ist, wählte Botta einen hellgrauen Granit, der aus der Nähe von Domodossola auf der Südseite des Simplon stammt; 500 t davon wurden über die Zahnradbahn nach Rigi-Kaltbad gebracht. Das ist für ein »Felsenbad« auf dem Rigi, welches die archaische Kraft des Bergs inszenieren will, zumindest fragwürdig.
Immerhin stammt das Wasser aus der historischen Quelle – und für die Stückholzheizung wird das Holz des Bergmassivs genutzt; bei Spitzenbedarf können überdies Pellets zugeführt werden.
Und noch ein weiterer Faktor mindert den Genuss: der mangelnde Ausblick. Beeindruckende Blicke auf die Umgebung bieten sich nur vom Außenschwimmbecken oder vom Dorfplatz aus. Nach Süden wird der Ausblick ansonsten von der Rückseite des zusammen mit dem Resort entstandenen Terrassenwohnriegels verstellt, sodass man aus den Ruheräumen in einen wenig inspirierenden Zwischenbereich blickt und das Alpenpanorama mehr ahnt denn sieht.

So hinterlässt der Neubau des Bades einen ambivalenten Eindruck. Damit das Bad die Gewinnzone erreicht, werden 100 000 Besucher pro Jahr bei einem Eintrittspreis von 35 CFH (ohne Zeitbegrenzung) benötigt. Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen; ambitioniert ist es allemal.


  • Standort: Mineralbad & Spa Rigi-Kaltbad, CH-6356 Rigi Kaltbad

    Bauherr: Credit Suisse Anlagestiftung, Zürich
    Betreiber/Mieter: Aqua-Spa-Resorts, Development & Management, Bern
    Projektmanagement: MLG Generalunternehmung, Bern, Daniel Peter (Projektleitung), Andreas Keller (Bauleitung)
    Architekten: MARIO BOTTA ARCHITETTO, Mendrisio
    Projektarchitekt: Marco Strozzi
    Tragwerksplanung: MLG GU, Bern (Basler & Hofmann, Luzern)
    Badtechnik-Planung: Josef Ottiger und Partner, Luzern
    HLS-Planung: SSE Engineering, Gümligen/Bern
    Bauphysik: MBJ Bauphysik+Akustik, Kirchberg/Bern
    Brandschutzplanung: Amstein und Walthert, Zürich
    Fassadenplanung : Fachwerk F+E Engineering, Muri/Bern
    BRI: 16 200 m³
    Baukosten: 23 Mio. CHF, ohne MwSt (ca. 18,6 Mio. Euro)
    Bauzeit: Mai 2010 bis Juni 2012 (4 Monate Unterbrechung infolge Winter-Baustelle auf 1 430 m.ü.M.)
  • Beteiligte Firmen: Naturstein: Granit Duke White, Graniti Marmi Affi, Rivoli Veronese, www.testigroup.eu Profile, Pfosten-Riegel-Fassade: Raico, Pfaffenhausen, www.testigroup.eu
    Verglasungen: Saint Gobain, Aachen, www.testigroup.eu; innoverre, Forst, www.testigroup.eu Brandschutztüren: Wicona, Ulm, www.testigroup.eu
    Türantriebe: Dorma, Ennepetal, www.testigroup.eu
    Beschläge: Glutz Solothurn, www.testigroup.eu
    Aufzüge: Schindler, Ebikon, www.testigroup.eu
    Akustikdecke: n`H Akustik + Design, Lungern, www.testigroup.eu
    Umkleidekabinen, Garderobenschränke, WC Trennwände: Schäfer Trennwandsysteme, Horhausen, www.testigroup.eu
    Schichtstoffplatten, Einbauten: FunderMax, St. Veit, www.testigroup.eu
  • 1 Empfang
  • 2 Innenbecken
  • 3 Ruhebereich
  • 4 Nackenduschen
  • 5 Außenbecken
  • 6 Terrasse
  • 7 Finnische Sauna
  • 8 Dampfbad
  • 9 Relaxbad
  • 10 Massage

Rigi-Kaltbad (CH) (S. 28)

Mario Botta Architetto


1943 in Mendrisio (CH) geboren. Lehre in Lugano. Studium in Mailand und Venedig. 1969 Examen. Mitarbeit bei Le Corbusier and Louis I. Kahn. Seit 1970 eigenes Büro in Lugano. Mitbegründung der Accademia di architettura in Mendrisio und Lehrtätigkeit dort, 2002-03 und 2011-13 auch Direktor.
Hubertus Adam
1965 in Hannover geboren. Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie in Heidelberg. 1996-98 Redakteur der Bauwelt, seit 1998 Redakteur der archithese. Freier Architekturkritiker v. a. für die NZZ. Seit August 2010 Künstlerischer Leiter des S AM Schweizerisches Architekturmuseum in Basel.
 
 
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