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Architekten als Projektentwickler

Chancen dort, wo die Großen nicht einsteigen
Architekten als Projektentwickler

Architekten als Projektentwickler
Das neue Bahnhofsareal Schwerte, der denkmalgeschützte Bahnhof musste ins Konzept eingebunden werden
Als 2005 die Architektenkammer NRW das Berufsbild und die Zukunftschancen von Architekten untersuchen ließ, hielten 89 Prozent der befragten Experten es für notwendig, neue Tätigkeitsfelder zu erschließen. Dabei rangierte die Projektentwicklung direkt nach dem Bauen im Bestand, gefolgt vom Immobilienmanagement und dem Prinzip »alles aus einer Hand«.

Gudrun Escher

»Die Welt der europäischen Projektentwickler ist so undurchsichtig wie eine Black Box«, titelte ein englischsprachiges Immobilienmagazin im Juni dieses Jahres, und wagte es dennoch, eine Rangliste unter den ganz Großen in Europa aufzustellen. Danach steht die Hamburger ECE mit ihren Einkaufszentren an zweiter Stelle und an vorletzter die Bonner IVG, die aktuell für 130 Mio Euro Büroimmobilien entwickelt. Ein deutscher Vergleich des Marktforschers Bulwien Gesa nennt an erster Stelle Hochtief mit 178 000 fertiggestellten Quadratmetern vor der IVG, die jedoch die größten Einzelvolumina in Planung hätten. Derzeit seien in den sieben größten deutschen Städten 2,8 Mio Quadratmeter Bürofläche in der Realisierung, davon allein 700 000 in Berlin. Wohnungen oder öffentliche Einrichtungen spielen für die auf den internationalen Immobilienmarkt ausgerichteten professionellen Projektentwickler kaum eine Rolle. Dies ist im regionalen Kontext anders. Eine Projektentwicklung beginnt entweder dort, wo für eine aussichtsreiche Idee ein geeigneter Standort gesucht wird oder für ein brachliegendes Areal neue Perspektiven benötigt werden.
Risiken und rendite
So kam in Essen die Hopf Immobilien-Entwicklungsgesellschaft ins Spiel, als es darum ging, nördlich der Gruga ehemaliges Bahngelände zu beleben, das der Essener Messe als zusätzliche Parkplatzfläche diente. In Abstimmung mit der Stadt sollte auf 70 000 Quadratmetern der neue Stadtteil »Rüttenscheid 2« entstehen. Der Rahmen für einen internationalen Wettbewerb war abgesteckt, als die Messe Essen erklärte, nicht auf die Ausweichparkplätze verzichten zu können. Um doch noch zusätzlichen interstädtischen Wohnraum zu schaffen, fand sich als Alternative eine angrenzende Kleingartenanlage von nur 18 000 Quadratmetern Fläche. Die Umwandlung zum Wohngebiet »Veronikastraße« machte unter anderem die Änderung des Flächennutzungsplans erforderlich, ganz abgesehen von der Abstimmung mit den Kleingärtnern und deren Entschädigungsansprüchen. Dann gründete Hopf mit der Aachener Baugesellschaft Nessler die Objektgesellschaft Veronikastraße, die als Bauherrin die Realisierung von der Erschließung bis zur Übergabe an die Endnutzer übernimmt. Für Projektentwickler besteht das Risiko darin, dass die Vorlaufkosten einschließlich Marktforschungsstudie oft unvorhersehbar anwachsen, die Erträge jedoch an die Verkaufserlöse, sprich die Marktpreise für das Endprodukt gebunden sind. Die Häuser und Wohnungen in drei Typen nach Entwurf des Architekturbüros Schmitz pbs Aachen waren innerhalb von sieben Monaten statt der kalkulierten zwei Jahre verkauft. Operation gelungen, aber auch rentabel? Etwa zehn Prozent Rendite sind laut Hopf marktüblich.
Weil man hierbei erstmalig die Polizei mit ihrem noch sehr jungen Bereich der »städtebaulichen Kriminalprävention« in die Planung eingebunden hat, wurde sogar die Beleuchtung für private Erschließungsstraßen samt Strombedarf und wahrscheinlich anfallender Instandsetzung für einen Zeitraum von 15 Jahren berücksichtigt.
Für Hans-Joachim Jericke, Geschäftsführer von Hopf, ist Projektentwicklung »Kooperation + Organisation + Moderation + Geld«. Ideen gibt es genug, aber um den Entwicklungsprozess finanzieren und ein marktfähiges Ergebnis erzielen zu können, sind besondere Erfahrungen und Kenntnisse notwendig. Zwar sollen, wie man gelegentlich hört, sich verschiedentlich Architekturbüros schon mal mit Projektentwicklung beschäftigt haben, aber eigentlich vertrüge sich das ja nicht mit den Standesregeln und überhaupt, bewegt man sich da nicht auf dünnem Eis? Nachfragen bei Büros, die nicht namentlich genannt werden wollen, ergeben, dass das Thema interessant sei, aber nicht aktuell. Und Standesregeln? In Nordrhein-Westfalen schreibt die das Baugesetzbuch vor, in anderen Bundesländern sind es lediglich Empfehlungen. Aber eine Beschränkung des Aufgabengebietes auf das, was in der Honorarordnung beschrieben ist, gibt es nirgends und auch der Eintrag als GmbH in das Architektenregister ist möglich.
Wer Projekte entwickelt, arbeitet in Netzwerken, sei es, dass er bei Architekten Planungsleistungen einkauft oder als Planer seinerseits Partner benötigt, die die von den Banken geforderten Kriterien der Kreditwürdigkeit von »Basel II« erfüllen. Bestehende Bindungen machten es für Architekten oft schwer, die Seiten zu wechseln, meint Jürgen Engel von KSP, man wolle ja nicht zu bewährten Auftraggebern in Konkurrenz treten. Projektentwicklung sei zwar attraktiv, da selbstbestimmt in der Zielsetzung, ein Architekt müsse jedoch unparteiisch und verlässlich sein; er könne aber Impulse geben, etwas in Bewegung bringen. Um für Entwickler oder Eigentümer von Flächen die »due diligence«-Prüfung, die Prüfung der Rentabilität einer künftigen Immobilie, anbieten zu können, gründete KSP die Tochtergesellschaft KSP Consult. Wer sich selbst mit Projektentwicklung beschäftigt habe, kenne die Probleme der Bauherren und könne daher besser reagieren. Thomas Pink, Geschäftsführender Gesellschafter des Düsseldorfer Architekturbüros Petzinka Pink Technologische Architektur, eine GmbH & Co. KG, hält den vermeintlichen Konflikt zwischen guter Architektur und wirtschaftlichen Erwägungen für lösbar, das Büro habe hohe Kompetenz darin erreicht, professionellen großen Projektentwicklern wie Hochtief bei der Standortanalyse mit kreativen Vorschlägen zuzuarbeiten. In Einzelfällen tragen bis zu einem bestimmten Punkt im Planungsprozess beide Seiten die Risiken, abgesichert durch einen »letter of intent«, mit der Verpflichtung, die gemeinsam erarbeiteten Ziele weiter zu verfolgen. Erfahrungsgemäß resultierten aus einer gut moderierten Vorarbeit konfliktfreie Architektenverträge auf der Basis der HOAI. Dabei sei es hilfreich, einen Architekten mit Aufbaustudium zum Immobilienfachwirt im Team zu haben. Dem stimmt Roland Dieterle zu, der als Leiter der Design- und Planungsgruppe bei Siemens jahrelang auf der Auftraggeberseite saß und dann als freier Architekt die »spatial solutions GmbH« für internationale Planungsaufgaben gründete. An der TH Stuttgart richtete er einen Masterstudiengang für internationales Projektmanagement ein, denn oft vergeudeten Architekten Zeit und Geld an Ideen, die scheitern, nur weil nicht die richtigen Schritte in der richtigen Reihenfolge unternommen würden. Aber dass Projekte in der Schublade bleiben, weil letztlich der Eigentümer das Grundstück nicht hergibt, musste auch er erleben.
Jürgen Hansen und Ralf Petersen betreiben in Dortmund zwei gemeinsame Büros, die H + P Architekten GmbH und das Planungsbüro für Projektentwicklungen als GmbH & Co. KG. Ihre Erfahrung, dass der klassische Bauherr fast der Vergangenheit angehört, weil sich die Finanzierungssysteme geändert haben, führte zu einer strategischen Umorientierung und der gezielten Pflege eines inzwischen bewährten Netzwerks von Fachleuten und Investoren. Das erleichterte die Arbeit, als die Stadt Schwerte, eine beliebte Wohnstadt im grünen Ruhrtal, Anfang 2005 anfragte, was für Zukunftschancen man dem verwahrlosten Bahnhofsumfeld abgewinnen könne. Eine offene Planungswerkstatt hatte keine greifbaren Ergebnisse gebracht. Gut zwei Jahre und 16 sorgsam aufeinander abgestimmte Planungsschritte später ist die Ratsentscheidung für den Vorschlag von H + P und gegen ein wesentlich teureres Konkurrenzprojekt gefallen und der Bebauungsplan kann vorbereitet werden. Mittlerweile liegen nicht nur eine Bedarfsanalyse und das Einvernehmen von Grundeigentümern, Verwaltung, Politik und Deutscher Bahn vor, sondern auch ein städtebauliches Modell, ein Verkehrs- sowie ein Einzelhandelskonzept und eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsanalyse mit Baubudgetierung.. Bereits Mitte 2006 war mit der Arnsberger ANH Immobiliengesellschaft der potenzielle Investor gefunden und zum Jahreswechsel standen die ersten Mietvorverträge, alles unter der Regie von H + P, die dafür mit dem Investor eine Honorarvereinbarung getroffen haben. An diese Planungsphase wird sich nun die Ausführungsplanung einschließlich Bauleitung nahtlos anschließen.
Architekten als Projektentwickler sind vielleicht noch die Ausnahme, aber Projekte zu entwickeln, um daraus Architektenleistungen zu generieren, gehört zunehmend zum Tagesgeschäft. •
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