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Sanierung von Schimmelpilzschäden an Dachstühlen

Sanierung von Schimmelpilzschäden an Dachstühlen
Saubere Sache

Text und Fotos: Mario Hänseler

Was ist zu tun, wenn die hölzerne Dachkonstruktion oder Holzwerkstoffe im Dach von Schimmelpilz befallen sind? Den kompletten Dachstuhl abbrechen oder »nur« Sparren und Holzwerkstoffplatten abhobeln? Wir nennen Vor- und Nachteile und was jeweils beachtet werden muss.
Schimmel im Dach kann vielfältige Ursachen haben. Diese umfassen zu hohe Feuchtigkeit in den eingebauten Materialien, Leckstellen der Luftdichtheitsschicht, falsche Reihenfolge der Gewerke, etwa durch mangelhafte Koordination, sowie nicht bedachte Folgen aus Forderungen der EnEV – hier sei beispielhaft die immer höhere geforderte Luftdichtheit genannt, die auch mehr Feuchtigkeit in der (meist nicht mehr belüfteten) Dachkonstruktion nach sich zieht.

Was ist fachgerecht?

Je früher der Schimmelpilzbefall entdeckt wird, desto weniger aufwendig können die Sanierungsmaßnahmen ausfallen. Oft genügt es, den Schimmel von der befallenen Oberfläche zu entfernen. Auch wenn der Bundesgerichtshof 2006 urteilte: »Eine ordnungsgemäße Mangelbeseitigung eines mit Schimmelpilz befallenen Dachstuhls liegt nicht vor, wenn dessen Holzgebälk nach Vornahme der Arbeiten weiterhin mit Schimmelpilzsporen behaftet ist. Dies gilt auch dann, wenn von diesen keine Gesundheitsgefahren für die Bewohner des Gebäudes ausgehen.« [1] Hiergegen lässt sich erwidern, dass kein Baustoff frei von Schimmelpilzsporen ist, ebenso wie sie in der Umwelt in ungefährlichen Konzentrationen vorhanden sind. Also ist davon auszugehen, dass es ausreicht, den Schimmelpilzbefall zu beseitigen und die Menge der freigewordenen Schimmelpilzsporen auf die sogenannte Hintergrundbelastung zurückzuführen.
Schimmelpilzsporen sind, anders etwa als Asbestfasern, nicht per se gefährlich. Sie können allerdings beispielsweise Allergien auslösen und Asthma verschlimmern. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich darauf, viele gar nicht, andere sehr heftig. Da in Innenräumen durch die Konzentration der Sporen und die lange Aufenthaltsdauer der Menschen dort gesundheitliche Auswirkungen wahrscheinlicher werden, ist die Beseitigung des Schimmelpilzbefalls mitsamt seinen Ursachen unbedingt geboten – ganz abgesehen von baulichen und ästhetischen Aspekten.

Bewertung des Befalls

Im Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden des Umweltbundesamts von 2005 heißt es: »Oberflächlicher Befall kann in vielen Fällen – abhängig von der Schimmelpilzart – abgewaschen und wenn erforderlich abgehobelt … werden, bis das befallene Holz entfernt ist.« [2] I. d. R. handelt es sich dabei nur um ein paar Millimeter, da Schimmelpilze, anders als andere Holzschädlinge, nur dort siedeln und wachsen, wo der Baustoff feucht ist – d. h., sofern das Holz nicht in der Tiefe durchfeuchtet ist, kann man davon ausgehen, dass es sich um »oberflächlichen Befall« handelt.
Der mikrobielle Befall einer Holzkonstruktion kann auf unterschiedliche Arten analysiert werden: durch Materialuntersuchungen und durch Feuchtemessungen. Die Materialuntersuchung klärt zunächst, ob das Holz »nur« kontaminiert, d. h. mit Sporen oder Schimmelpilzbestandteilen verunreinigt ist – das kann etwa vor oder während der Herstellung des Bauteils geschehen sein –, oder ob ein Befall, d. h. eine Besiedlung mit mikrobiellem Wachstum vorliegt. Die gängigen Methoden der Materialuntersuchung sind Mikroskopie, Kultivierung sowie Untersuchungen auf Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen. Bei befallenen Holzbalken und -werkstoffen eignet sich eine sogenannte Klebefilmkontaktprobe, die anschließend mikroskopiert wird, am besten und ist überdies auch am günstigsten. Sie ist sofort durchführbar, unter dem Mikroskop lässt sich anschließend unterscheiden, ob es sich um einen Befall – hier weisen komplette Strukturen auf ein aktives Wachstum hin – handelt oder um eine Kontamination – hierbei haben sich Schimmelpilze auf dem Bauteil niedergelassen, ohne jedoch dort zu wachsen; unter dem Mikroskop sind nur Bruchstücke auf dem Klebefilm erkennbar.
Wesentlich für die Bekämpfung von Schimmelpilzbefall ist die Beseitigung der Ursache. Hier trägt u. a. die Feuchtemessung dazu bei, die Lage und das Ausmaß der Durchfeuchtung zu erkennen. Diese Messung erfolgt i. d. R. mit der Widerstandsmethode, bei der mit elektronischen Geräten die absolute Feuchte im Holzbalken festgestellt wird. Bei Holzwerkstoffen, die aus mehreren Materialien, neben Holz insbesondere Leim, bestehen, wird die absolute Feuchte mit der sogenannten Darr-Wäge-Methode gemessen, bei der der Baustoff künstlich auf ein bestimmtes Maß herunter getrocknet wird.

Sanierungsplanung

Anschließend an die Bewertung des Befalls sollte das Sanierungsziel zwischen Auftraggeber und qualifizierten Sachverständigen bzw. Sachkundigen abgestimmt werden und darauf basierend die Sanierungsplanung erfolgen. Sinnvollerweise werden auch die Nutzer des Hauses rechtzeitig und detailliert über die beschlossenen Maßnahmen informiert. Die Sanierungsmaßnahme selbst sollte durch das ausführende Unternehmen protokolliert werden [3].
Das DHBV-Merkblatt 2/12/S [4] empfiehlt für eine Schimmelpilzsanierung:
  • die Herstellung der üblichen Hintergrundbelastung, Keimfreiheit muss nicht gefordert werden
  • schriftliche Fixierung dieses Sanierungsziels
  • externe Sanierungskontrolle, i. d. R. durch den beratenden Sachverständigen, der die Sanierung auch geplant hat
  • Übernahme der Gewährleistung nur, wenn ausgeschlossen werden kann, dass erneut Feuchtigkeit auftritt ›

Ablauf der Sanierung

Die Schimmelpilzsanierung beginnt mit der Grobreinigung, d. h. aufsitzende Schimmelpilzbestandteile werden auf möglichst einfache Art und Weise entfernt, z. B. mit einem Hochleistungssauger mit einem feinen Filter (Maschenweite < 300 nm) [5], und der Abschottung der befallenen Bereiche. Hierbei muss u. a. auf die Luftführung geachtet werden. In fünffachem Luftwechsel sollte Frischluft von außen zugeführt werden, die Abluft kann direkt nach außen geblasen werden, wenn niemand beeinträchtigt wird, ansonsten ebenfalls über HEPA-Filter.
Mit Schimmelpilzsporen gefüllte Filter sind übrigens kein Sondermüll – auf jeder Mülldeponie und in jedem Heuhaufen konzentrieren sich mehr Schimmelpilze als in einem solchen Filter. Auch befallene Bauteile werden auf der Deponie nach dem Baustoff entsorgt, nicht danach, ob sie mit Schimmel befallen sind.
Nach der Grobreinigung werden die befallenen Bauteile entweder entfernt oder durch alternative Behandlungsmethoden vor Ort vom Schimmelpilzbefall befreit. Hier haben sich sogenannte abrasive Reinigungstechniken als effiziente Alternative zum kompletten Rückbau erwiesen. Die Oberflächen werden dabei zunächst abgesaugt, ggf. mit einem Sporenbinder, und die Materialoberfläche anschließend durch Abhobeln, Strahlen, Schleifen oder Abbürsten abgetragen. Nicht unumstritten sind Methoden, bei denen der Befall auf dem Holz verbleibt und nur von der Raumluft getrennt wird: Hinter der sogenannten Maskierung verbirgt sich ein diffusionsdichter Anstrich mit hochwertigen Epoxidharzlacken oder Polyurethanbeschichtungen, der die Schimmelpilzsporen bindet. Unter einer Abschottung versteht man eine luftdicht ausgeführte Dampfbremsschicht, die beispielsweise den Dachboden vom restlichen Haus abtrennt. Diese Methoden können sich als temporäre Lösung anbieten oder auch, wenn das Budget für die Sanierung extrem begrenzt ist – dass solche Vorgehensweisen nicht die zufriedenstellendsten sind, liegt auf der Hand.
Wird der Dachstuhl dagegen abgebaut, ist darauf zu achten, die Sporen zu immobilisieren, etwa mit Sporenbinder. Hier genügt ein üblicher Haftgrund, der die Sporen zu größeren Konglomeraten verbindet, die sich leichter entfernen lassen. Anschließend müssen die entfernten Bauteile sorgfältig für den Abtransport verpackt und entsorgt werden.
Die Feinreinigung schließt die Sanierung ab: Poröse Oberflächen werden (wiederum mit filterbestücktem Hochleistungssauger) abgesaugt, glatte Oberflächen feucht abgewischt. Damit werden alle Schimmelpilzbestandteile aufgenommen. Die Sanierungskontrolle wird möglichst zeitnah, d. h. innerhalb von ein bis zwei Tagen nach Ende der Arbeiten vom Sachverständigen durchgeführt, um auszuschließen, dass eine frische Fremdkontamination den Befund verfälscht.

Abrasive Reinigungsmethoden

Zum Abstrahlen der Oberflächen stehen verschiedene Techniken zur Verfügung: trocken, feucht, nass – und neuerdings auch Trockeneis. Diese Technik wird als Reinigungsmethode u. a. in der Industrie, in der Brandschadensanierung oder zur Entfernung von Graffiti eingesetzt. Rund -80 °C kalte CO2-Pellets werden mit Drücken zwischen 1 und 10 bar, von leicht bis sehr stark materialabtragend, auf die Oberfläche gestrahlt, wobei sich der feste Aggregatzustand des gefrorenen CO2 schlagartig in einen gasförmigen verwandelt und sich das Volumen um etwa das 700-Fache vergrößert. Dadurch wird der Schimmelpilz effizient entfernt, bei empfindlichen Oberflächen auch sehr schonend. Allerdings erfordert die abrasive Reinigung durch die Bewegung, in die Schimmelpilze und -sporen mit den entfernten Oberflächenteilchen versetzt werden, Schutzmaßnahmen gemäß BGI 858, Gefährdungsklasse 3 [6]: u. a. Ganzkörperschutz, Vollmaske zum Atem- und Augenschutz, technische Be- und Entlüftung im Sanierungsbereich, Zugang über eine Ein- oder Mehrkammerschleuse. Auch hier geht es darum, eine mögliche Allergieentwicklung oder Asthmaverschlimmerung der Arbeitenden und ggf. anwesender Nutzer zu verhindern. Ein weiterer Nachteil ist die ausgebreitete Kontamination. Diese Methode eignet sich also möglicherweise nicht, wenn Oberflächen eingeschränkt zugänglich und somit nach dem Abstrahlen schlecht zu reinigen sind. Von Vorteil dagegen ist die kurze Sanierungszeit, die Möglichkeit, parallel andere Bereiche weiter ausbauen oder gar nutzen zu können, Ressourcenschonung durch die Weiterverwendung der vorhandenen Konstruktion sowie die mäßig hohen Anforderungen an die Qualifikation des Ausführenden. Das hält insgesamt die Kosten der Sanierung auf einem niedrigeren Niveau. Die verhältnismäßig hohen Kosten für eine Schimmelsanierung werden übrigens nicht durch die Arbeiten an sich, sondern durch den hohen Nebenaufwand – Abschottungen, Schutzanzüge, Einpacken der befallenen Bauteile usw. – verursacht. Und ein letztes Bonbon hält das Abstrahlen bereit: Der bearbeitete Bereich wird sogar sauberer, als er vor dem Schaden war.
Den Dachstuhl rück- und wieder neu aufzubauen, hat ebenfalls einiges für und gegen sich: Der Schimmelpilz wird komplett entfernt, und das Dach befindet sich im Neubauzustand – was zugleich die Möglichkeit birgt, auch Wärme-, Feuchte- und Schallschutz auf den neuesten Stand zu bringen. Dagegen sprechen die hohen Kosten für ein komplett neues Dach, inklusive notwendiger Statik und Baugenehmigung, der lange Zeitraum, bis wieder nutzbare Räume zur Verfügung stehen und die Gefahr, dass das Gebäude durch den fehlenden Witterungsschutz neue Schäden erleidet.

Schlussbemerkung

Es kann keine allgemeingültige Empfehlung zur Sanierung von Holzkonstruktionen gegeben werden. Jeder Schadensfall ist individuell zu bewerten. Zieht man das abrasive Reinigungsverfahren zum Abtrag der mit Schimmelpilzen bewachsenen Bereiche in Betracht, muss untersucht werden, ob dies unter den gegebenen Randbedingungen möglich ist – auch hier gibt es Grenzen. •
Weitere Informationen: [1] Urteil des BGH VII ZR 274/04 vom 29. Juni 2006 [2] Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, Umweltbundesamt Dessau 2005 [3] Im Anhang der Richtlinie zum sachgerechten Umgang mit Schimmelpilzschäden in Gebäuden, Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger, 2014 [4] Schimmelpilzbefall an Holz und Holzwerkstoffen in Dachstühlen, DHBV-Merkblatt 2/12/S, 2015 [5] sogenannte HEPA-Filter: High-Efficiency Particulate Arrestance oder Air Filter [6] Handlungsanleitung Gesundheitsgefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe bei der Gebäudesanierung, BGI 858, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, 2006

Mario Hänseler
1967 geboren. Tischlermeister. 1989-92 Studium des Bauingenieurwesens. 1997-2007 Angestellter als Sachverständiger, anschließend Gründung des Sachverständigenbüros Mario Hänseler in Sprockhövel mit Schwerpunkt Schimmelpilzschäden. 2014 Mitautor der »Richtlinie zum sachgerechten Umgang mit Schimmelpilzschäden in Gebäuden, 2015 des WTA-Merkblatts »Schimmelpilzschäden – Ziele und Kontrolle von Schimmelpilzsanierungen in Innenräumen«. Lehraufträge an der TÜV Rheinland Akademie, Schulungen für Maler-Einkaufs-Genossenschaften und Industrie.
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