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Flexibel gestalten

Holzkonstruktionen statisch optimieren
Flexibel gestalten

Im Gegensatz zu Bauwerken aus Mauerwerk oder Beton lassen sich Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit vorhandener Holzkonstruktionen im Bestand einfach optimieren. Der Beitrag zeigt die prinzipiellen Möglichkeiten zur Verstärkung von Balken, Sparren und Pfetten.

Alte Holzkonstruktionen im Baubestand lassen sich häufig ohne größere Probleme statisch ertüchtigen. Die Wirtschaftlichkeit hängt dabei stark von den Bestandsgegebenheiten und den konzeptionellen Ansätzen ab. Da die Gegebenheiten vor Ort zumeist nur mit großem Aufwand zu verändern sind, kommt es wesentlich darauf an, das Verstärkungskonzept geschickt zu wählen.

Die Ertüchtigung einer intakten Holzkonstruktion wird erforderlich, wenn

  • höhere Lasten abgetragen werden sollen, zum Beispiel aufgrund eines Dachausbaus oder einem neuen Deckenaufbau mit höherem Gewicht,
  • die Gebrauchstauglichkeit verbessert werden soll, zum Beispiel das Schwingungsverhalten oder der Schallschutz bei Decken oder wenn die Durchbiegung bei Dächern infolge eines Dachausbaus verhindert werden soll.

Voraussetzung für die Verstärkungen sind intakte Holzbauteile sowie ausreichend tragfähige Unterbauteile.

Bestand und Verstärkungswerkstoffe: Verhältnisse beachten

Bevor man sich konkrete Gedanken über eine Verstärkung macht, muss natürlich der Bestand soweit erkundet sein, dass die Grundlagen für die Entwicklung eines Sanierungskonzepts vorliegen. Bei Holzkonstruktionen sollte der Zustand der Auflager der Hölzer bekannt und für die Ertüchtigung gut genug sein. Zur Verstärkung bestehender Holzstäbe werden üblicherweise verwendet:

  • gleicher Werkstoff wie vorhanden, im Allgemeinen Vollholz gleicher Art und Festigkeitsklasse;
  • höherwertigerer, hölzerner Werkstoff als vorhanden;
  • handelsüblicher Profilstahl.

Das Zusammenwirken des vorhandenen Holzstabes mit der Verstärkung hängt ab

  • vom statischen System,
  • vom Verhältnis der Steifigkeiten des vorhandenen Stabes zu dem des Verstärkungsstabes,
  • vom Verschiebungsmodul der Verbindungen.

Bei allen Verstärkungen ist der Zustand beim Einbau der Verstärkung zu berücksichtigen. Zumeist ist ein teilweise belasteter Zustand des vorhandenen Stabes gegeben. Bisweilen liegt ein baupraktisch lastfreier Zustand vor. Seltener wird der vorhandene Stab entgegen der Lastrichtung vorgespannt, zum Beispiel durch Sprießungen, um eingetretene Verformungen durch Kriechen zurückzustellen oder um gegenüber elastischen Verformungen eine Überhöhung einzuprägen.

Häufig lässt sich die Qualität des Holzes in einem Bestandsbau in der Fläche nur schwer beurteilen, wenn diese nur teilweise geöffnet werden soll. Wie es um die Steifigkeit bestellt ist, lässt sich zuverlässig ermitteln, indem man bei auf Biegung beanspruchten Bauteilen die Verformungsunterschiede vor und nach einer Entlastung misst. Mit Kenntnis der Entlastung (Wiegen), des Verformungsunterschiedes und des statischen Systems kann die vorhandene Steifigkeit ohne Kenntnis des Holzquerschnitts (häufiger: unregelmäßiger Querschnitt) zutreffend festgestellt werden. Solche einfach durchzuführenden Ermittlungen können mancherlei spekulative Einschätzungen ersparen.

Zu unterscheiden sind die statischen Systeme bei Verstärkungen. Hierbei haben die Lagerungsbedingungen maßgeblichen Einfluss (Abb. 1). Bei Althölzern mit defekten Auflagern kann die Verstärkung bis über das Auflager geführt werden, es ergeben sich dann die gleichen Systeme wie bei d), e) oder f), mit dem Unterschied, dass Alt- und Neuholz vertauscht sind.

Verstärkungen durch seitliche Beihölzer

Im Holzbau sind strenggenommen alle Verstärkungen von Holzstäben seitliche Beihölzer. Üblicherweise wird unter dem Begriff „seitlich“ die „Tragbeanspruchung des Beiholzes/der Beihölzer in Lastrichtung“ verstanden. Zu unterscheiden sind:

  • einseitige Beihölzer
  1. ohne Ausgleich der Ausmitte durch die Verstärkung,
  2. mit Ausgleich der Ausmitte durch die Verstärkung
  • beidseitig symmetrisch angeordnete Beihölzer
  • beidseitig asymmetrisch angeordnete Beihölzer
  1. ohne Ausgleich der Ausmitte durch die Verstärkung,
  2. mit Ausgleich der Ausmitte durch die Verstärkung, jeweils mit direkter oder indirekter Lagerung der Beihölzer.

Verstärkungshölzer werden im Bestand mit mechanischen Verbindungsmitteln seitlich angebracht, angeklebte Beihölzer sind grundsätzlich möglich. Bei der Anbringung ist immer ein Arbeitsraum quer zur Lastrichtung erforderlich (Abb. 2). Die Konzeption muss sich deshalb nach diesem Arbeitsraum richten. Seitliche Beihölzer bieten sich bei freiliegenden Konstruktionen an oder wenn Holzkonstruktionen aus anderen Gründen als der Ertüchtigung ausgeräumt beziehungsweise freigelegt werden.

Die Steifigkeit der Verbindungstechnik beeinflusst die Effizienz nur unwesentlich. Je nach Anordnung der Verbindungsmittel an den Beiholzenden können bei „schwimmenden Verstärkungen“ sowohl in Altholz als auch in Neuholz Querzugverstärkungen erforderlich werden (Abb. 3). Bei Beihölzern ist auch zu berücksichtigen, ob die Last in das Beiholz oder in das Altholz eingetragen wird (Abb. 4). Die Annahme, dass die Last in Alt- und Neuholz gleichmäßig verteilt eingetragen wird, ist baupraktisch kaum umsetzbar.

Holz-Holz-Verbund-Konstruktionen ermöglichen Ertüchtigung von außen

Unter Holz-Holz-Verbund-Konstruktionen versteht man zusammengesetzte Querschnitte, die aus mehreren Querschnittsteilen durch schubfeste Verbindungen gebildet werden (Abb. 5 bis 7). Im Bestand sind darunter nachträglich hergestellte Verbundquerschnitte zu verstehen, indem man die vorhandenen Querschnitte ergänzt. Sinnvoll sind solche Ertüchtigungen nur, wenn sie in Lastrichtung aufgebracht werden. Bei Verbindungen, die auf Abscheren beansprucht sind, sind solche Lösungen nur dann sinnvoll anwendbar, wenn die Teile direkt aufeinanderliegen. Mit axial beanspruchten Verbindungen, wie selbstbohrenden Holzschrauben, sind auch Strukturen möglich, bei denen die Verbundteile Abstand zueinander haben können und durch fachwerkartige Verbindungen gekoppelt sind. Holz-Holz-Verbund-Konstruktionen bieten sich an,

  • wenn die vorhandene Konstruktion nach außen hin vergrößert werden kann (bei Decken mit aus- reichender Geschosshöhe) oder soll (Erhöhung der Sparren zum Einbringen dickerer Dämmung),
  • um Bauteile in der Fläche möglichst ungestört zu erhalten, zum Beispiel zur Ersparnis des Rückbaus,
  • wenn die Verstärkung eine geringe Eigenlast haben soll.

Die an oder auf die vorhandene Konstruktion zusätzlich angebrachten Querschnittsteile können Stäbe oder Platten sein. Die Wirksamkeit der zusätzlichen Querschnittsteile hängt maßgeblich von der Steifigkeit der Verbindungen zwischen den Querschnittsteilen ab. Bei dieser Verstärkungsvariante kann bei Konstruktionen, die geschlossen bleiben sollen, die Steifigkeit der vorhandenen Konstruktion mittels Durchbiegungsmessung infolge von definiert aufgebrachten Belastungen festgestellt werden. Der innere Bauteilaufbau muss durch Sondierungen ergründet werden, die punktuell sein können.

Zur Berechnung bietet sich die in DIN 1052: 2008 beschriebene Berechnungsmethode nach der Schubanalogie an. Mit diesen Methoden lassen sich mit wenig Aufwand auch statisch unbestimmte Systeme und sogenannte schwimmende Verstärkungen berechnen. Letztere Verstärkungsvariante kann sich zum Beispiel ergeben, wenn Deckenbalken von der Unterseite her verstärkt werden sollen.

Holz-Beton-Verbund bei Decken multifunktional geeignet

Alte Holzbalkendecken sind häufig nicht ausreichend steif und zeigen ein ungünstiges Schwingungsverhalten. Auch lässt ihr Schallschutz oftmals zu wünschen übrig. Holz-Beton-Verbund kann Abhilfe schaffen. Im Bestand sind folgende Verbundvarianten gebräuchlich:

  • Verbundschrauben (selbstbohrend), für die es auf dem Markt verschiedene, bauaufsichtliche Zulassungen gibt (Abb. 8),
  • eingeklebte Lochblechstreifen (HBV-System) (Abb. 9),
  • in das Holz eingelassene Stahlverbindungskörper (System Bertsche) (Abb. 10).

Diese Verbindungssysteme sind alle geeignet, auch durch Zwischenlagen hindurch die Deckenschalung oder den Verbund zwischen Beton und Holzbalken herzustellen. Dabei gilt die erste Frage den Lasten. Das Eigengewicht der vorhandene Decke kann reduziert werden, indem die Gefachfüllung ausgebaut wird (Lehmschlag, Schüttung aus Sand, Kesselschlacke). Sind Wände und Gründung ausreichend tragfähig, kann die Decke ohne diese Maßnahme durch den Holz-Beton-Verbund verbessert werden, da die Verbundkonstruktion die zusätzliche Betonlast problemlos abtragen kann. Durch die Betonplatte kann bei entsprechenden Anschlüssen an die Wände (zum Beispiel Schubnocken) auch  deren Scheibenwirkung aktiviert werden. Da die Betonplatte zumeist vor der vorhandenen Wand endet (keine direkte Lagerung), wird die Schubanalogie-Methode zur Berechnung empfohlen.

Der Holz-Beton-Verbund führt im Allgemeinen zu einer höheren Steifigkeit der Decke und verbessert damit ihr Schwingverhalten. Durch die höhere Masse wird die Luft- und Trittschalldämmung insbesondere im niedrigen Frequenzbereich verbessert. Der Beton und seine Bewehrung sind meist einfacher in das Bauwerk einzubringen als Stäbe aus Holz, Stahl oder Holzwerkstoffplatten größeren Formats.

Bei Holz-Beton-Verbund-Lösungen sollte im Altbau auf jeden Fall ein Tragsicherheits- und Verformungsnachweis für den Einbauzustand mit Frischbeton vorliegen, aus dem die Absprießungen hervorgehen.

Holzkonstruktionen flexibel beim Umbau

Bauwerke aus Holz sind einfach zu ertüchtigen, wenn sie substanziell in Ordnung sind. Liegen keine Schäden durch Insekten oder Pilze (Fäulnis) vor, kann uneingeschränkt mit der Tragfähigkeit neuen Holzes gerechnet werden. Holz korrodiert nicht wie Stahl und karbonatisiert nicht wie Beton, noch wird es anderweitig abgebaut oder umgewandelt (ausgenommen Einbau im Wasser oder in besonderen Chemikalien). Selbstbohrende Holzschrauben sowie der Holz-Beton-Verbund haben
die Möglichkeiten für die Verstärkung von Holzkonstruktionen erweitert. Für fast jede Einbaugegebenheit gibt es ein geeignetes Verstärkungskonzept. Ein gutes Konzept bedarf der gründlichen Substanzuntersuchung und sorgfältigen Planung. Störungen im Detail sind in diesem Beitrag nicht behandelt, müssen jedoch im Zuge des Baugeschehens zusätzlich gelöst werden und erfordern eine vorausschauende Planung. Die Menschen, die die Verstärkungen ausführen, müssen in die Besonderheiten eingewiesen sein und das nötige Verständnis dafür aufbringen, um ein gelungenes Erneuerungswerk zu liefern.

Autor: Klaus Fritzen

 


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