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Johannes Manderscheid (1936-2020)

Vorreiter des Bauens im Bestand
Johannes Manderscheid (1936-2020)

In einer Zeit, als die Neubauviertel wuchsen und wuchsen, machte Johannes Manderscheid mit kleinen, feinen Umbauten von sich reden. Er darf als einer der hiesigen Pioniere des Bauens im Bestand gelten. Nun ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.

Es gibt nicht viele Architekten, die sich in der boomenden Bundesrepublik der 70er und 80er Jahre intensiv mit Altbauten beschäftigt haben. Hardt-Waltherr Hämer wäre auf der städtebaulichen Ebene zu nennen, er engagierte sich gegen die damals übliche Kahlschlag-»Sanierung« ganzer Quartiere; Karljosef Schattner fällt einem auf der architektonischen Ebene ein, er erregte Aufsehen mit seinen Projekten in Eichstätt, die Alt und Neu geschickt kombinierten. Beide starben 2012, jetzt folgte ihnen auch Johannes Manderscheid, der für seine sehr fein durchdetaillierten Umbauprojekte, die meisten in Württemberg, bekannt war.

1936 in Köln geboren, studierte er in seiner Heimatstadt und arbeite dann zunächst bei Emil Steffann, später bei Heinz Bienefeld, mit dem ihn auch Jahre danach noch eine Freundschaft verband. Für eine Tätigkeit beim Diözesanbauamt Rottenburg zog er in die schwäbische Kleinstadt, 1971 gründete er dort sein eigenes Büro. Nach neun Jahren wurde er in den BDA berufen. Das Büro hielt er bewusst klein, sodass er sich seinen Bauaufgaben intensiv widmen konnte.

Das merkt man den Ergebnissen an. Wie wenige andere verstand er es, Denkmale weiterzuentwickeln und auf subtile Weise an moderne Anforderungen anzupassen – dank einer ungewöhnlich gründlichen Auseinandersetzung mit den Materialien, Strukturen und Proportionen der vorgefundenen Substanz. Galt es Bauteile zu ergänzen, vermied er Rekonstruktionen und erarbeitete stattdessen Interpretationen – damals noch keine weit verbreitete Vorgehensweise. Bei seinem eigenen Altstadthaus etwa ersetzte er verlorene Fensterläden durch neue aus Lochblech, bei einem Kloster konstruierte er ein Treppengeländer aus Bewehrungsstahl als Ausdruck des einfachen Ordenslebens. Individualität, Handwerklichkeit und Detailreichtum seiner Lösungen korrespondieren aufs Beste mit den vorindustriell entstandenen Bestandsgebäuden. Auf diese Weise entstand so etwas wie ein eigener Stil: Wenn man im Großraum Tübingen oder im schwäbischen Oberland vor einem Denkmal steht, das dezent mit präzisen Ergänzungen in moderner Gestalt aufwartet, ist es höchstwahrscheinlich »ein Manderscheid«. Inzwischen haben seine Interventionen selbst ein Alter erreicht, bei dem es sich zu prüfen lohnt, ob sie nicht ihrerseits Denkmalwert besitzen – wenngleich er sich sicher gegen ein »Einfrieren« ausgesprochen hätte. Zu seinen bekanntesten Werken zählen der Umbau des Tübinger Kornhauses zum Stadtmuseum (1986-92) und das Kloster Heiligkreuztal, an dem er seit 1973 über Jahrzehnte immer wieder in Etappen arbeitete. Neubauten errichtete er nur wenige.

Auch im hohen Alter war er noch als Architekt tätig, ab 2002 gemeinsam mit seinem Sohn Christoph, der nach und nach das Büro übernahm und es seit 2016 alleine weiterführt. Am 12. Juli starb Johannes Manderscheid nach kurzer, schwerer Krebserkrankung.

~Christian Schönwetter

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