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Bis sich die Balken biegen. Holzbalkendecken in der Architekturgeschichte

Balkendecken aus Holz
Bis sich die Balken biegen

Architekten wie Ingenieure kommen einfach nicht um sie herum: die Holzbalkendecke. Sie findet sich über verschiedene Epochen der Architekturgeschichte bis hin sogar zu den frühesten nachweisbaren Wohnbauten. Was ist bei der Sanierung zu beachten?

Text und Fotos: Christian Kayser

Für ihre einfachste Form benötigt man nicht viel mehr als einige kräftige Holzbalken mit ausreichender Länge sowie Bretter, die, darauf gelegt oder genagelt, den Laufboden im oberen Stockwerk bilden. Diese Form der Balkendecke findet sich in Wohnbauten im ländlichen Bereich bis in das frühe 20. Jahrhundert [Bild 1] und in Nutzbauten unserer Zeit. Mit gestiegenen Anforderungen an Wohnkomfort und Funktionalität der Geschossdecke genügte diese Konstruktionsweise selbstverständlich nicht: Jeder Schritt auf der Decke ist im darunterliegenden Geschoss zu hören, die dünne Dielenlage isoliert nicht, und bietet kaum Schutz, um das Durchschlagen eines Brandes von einem Stockwerk in das nächste zu verhindern.

Um diesen Anforderungen zu genügen, entwickelte sich bereits im Mittelalter eine aufwendige Ausprägung der hölzernen Geschossdecke, die, lokal mit unterschiedlichen Varianten ausgebildete, »Bohlen-Balken-Decke« [Bild 2]. Bei dieser Konstruktionsform wurden die tragenden Deckenbalken an den Flanken mit Nuten oder Aussparungen versehen, in die flächig Bretter eingeschoben oder -gelegt wurden. Es entstand damit ein technisch nutzbarer Hohlraum zwischen der eigentliche Laufebene auf der Balkenoberseite und den zwischen den Balken eingeschobenen Bohlenbrettern. Dieser Raum konnte mit unterschiedlichen Füllungen versehen werden: Eine einfache Kiesfüllung beispielsweise brachte erhebliche Zugewinne beim baulichen Schallschutz, da die erhebliche Massenmehrung dämpfte. Ebenso konnte eine dichte Kiespackung als zusätzlicher Brandschutz dienen. Füllte man die entstehenden Zwischenräume dagegen mit Spreu oder Sägespäne auf, bot dies eine vorzügliche Verbesserung des Raumkomforts als Wärmedämmung. Dies war besonders bei der das oberste Stockwerk zum (üblicherweise dauerkalten) Dachraum hin abschließenden Decke von erheblichem Nutzen! Häufig findet sich als Deckenfüllung auch Lehm, der in den Stroh eingeknetet ist – diese Variante bot viele Vorteile, wie Isolierung, Schall- und Brandschutz. Die Unterseite der Decken konnte durch zusätzliche Profilierung der sichtbaren Balkenunterseiten reich ausgestaltet werden und bildet schließlich im Spätmittelalter eine Art »Standardlösung« für gehobene Ansprüche an den Wohnkomfort. Die Deckenform findet sich vielfach erhalten in den Stuben von Patrizierhäusern, über den Speisesälen und Mönchszellen in Klöstern oder in Wohnräumen von Burgen und Schlössern. Als Modifikation der Bauform konnten die eingeschobenen Bretter auch durch auf Latten aufgerollte und anschließend überputzte Lehmwickel ersetzt werden [Bild 3] – so ließ sich Holz sparen, und die entstandene Putzfläche zwischen den Balken konnte gestaltet werden.

Erhöhte Anforderungen

Der Wandel des Zeitgeschmacks ab dem späten 17. Jahrhundert brachte schließlich die Entwicklung des typischen Aufbaus von Holzbalkendecken, der in unseren Breiten bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ohne nennenswerte Modifikationen beibehalten wurde. Die reich gegliederten, holzsichtigen Deckenunterseiten wurden zugunsten verputzter und hell gefasster, glatter Deckenspiegel aufgegeben, die im Barock als Träger von Stuck oder Malereien dienten. Gewissermaßen als Pendant zur oberen Laufebene wurden an die Unterseiten der tragenden Deckenbalken Latten oder Schilfmatten als Putzträger angenagelt. Die verhältnismäßig aufwendigen Nuten, in die bei den mittelalterlichen Bohlen-Balkendecken die Bretter oder Lehmwickel eingeschoben wurden, waren nun nicht mehr erforderlich, es konnte nun in dem fortan nicht mehr einsehbaren Bereich zwischen den Deckenbalken einfacher umzusetzende Konstruktionsweisen zur Anwendung kommen. Üblicherweise wurde nun an den Flanken der Balken jeweils horizontale Leisten angenagelt, die wiederum als Auflager für dazwischen gelegte Bretter dienten [Bild 4]. Der so ausgebildete »Fehlboden« konnte, wie gehabt, mit Kies, Lehm oder Sägespänen verfüllt werden. Jedem der einzelnen Bauglieder der Holzbalkendecken kam damit eine Aufgabe zu. Die untere Deckenschalung bildete den künstlerisch nutzbaren Raumabschluss, die Balken das eigentliche Tragwerk, der Fehlboden im Balkenzwischenraum erfüllte verschiedene bauphysikalische Anforderungen, und die obere Dielung bildete die Laufebene.

Bei einigen besonders aufwendigen Bauprojekten des Barock wurde die funktionale Diversifikation noch weiter getrieben. Anstelle einer einzelnen Balkenlage konnten zwei separate Balkenlagen im Deckenzwischenraum ausgebildet werden [Bild 5]. Die obere Balkenlage trug die Nutzlasten des Obergeschosses ab, während die untere Balkenlage das Tragwerk der Deckenschalung bildete. Durch die Entkoppelung der Decke in zwei unabhängige Tragsysteme ließ sich der Schallschutz optimieren, denn nun konnten tatsächlich keine Schwingungen mehr physisch von der oberen Laufebene auf die untere Schalung übertragen werden. Die war gerade bei besonders aufwendigen Fassungen der unteren Decke mit Fresken von großem Vorteil. Auch eröffneten sich neue Möglichkeiten für die Ausgestaltung der bauphysikalischen »Hilfssysteme«. So konnte etwa zwischen der oberen Balkenlage ein klassischer Fehlboden mit Mörtelschicht als Brand-und Schallschutz eingebaut werden, während auf der unteren Deckenebene Bretter mit Sägemehl, Spreu oder Stroh als Wärmedämmung aufgebracht wurden. Die Entkoppelung der Decke in zwei separate Balkenlagen ermöglichte zudem, die Raumhöhen im unteren Geschoss individuell anzupassen: In einem Vorzimmer konnte etwa die untere Deckenlage niedriger angebracht werden, während in einem Hauptraum beide Balkenlagen fast verzahnt ineinandergeschoben wurden.

Instandsetzung und Umnutzung

Für die Bewertung von historischen Holzbalkendecken bei Instandsetzungsmaßnahmen sind zwei Fragen entscheidend: Wie ist der physische Zustand der Bestandskonstruktion und wie hoch ist ihre Tragfähigkeit?

Fäulnisschäden treten an Holzbalkendecken erfahrungsgemäß häufig an den Balkenenden auf, wenn diese in bewitterte Außenwände eingemauert sind [Bild 6]. Feuchte, die in das Mauerwerk eingetragen wird, kann dann über das Stirnholz am Balkenkopf in die angeschnittenen Kapillaren eintreten, durch die allseitige Ummauerung jedoch nicht mehr gut abtrocknen. Das durchfeuchtete Holz ist somit anfällig für Fäulnisschäden. Leider ist der Schädigungsgrad eingemauerter Balkenköpfe oft nur mühsam zu beurteilen. Die betroffenen Bauteile müssen freigelegt werden, und der innere Zustand der Balken lässt sich häufig nur durch eine Prüfbohrung bewerten.

Die Tragfähigkeit von Holzbalkendecken ist üblicherweise leicht zu ermitteln. Meist spannen die Deckenbalken einfach über einen Raum. Es handelt sich dann um Einfeldträger und damit um das einfachste statische System. Maßgeblich ist üblicherweise die Beanspruchung des Balkens in Feldmitte, wo die stärkste Durchbiegung auftritt. Etwas komplizierter wird es, wenn die Deckenbalken über zwei (oder mehr) Räume durchlaufen, also ein weiteres Auflager den Balken in seinem Verlauf unterstützt. In diesem Fall handelt es sich um einen »Mehrfeldträger«, bei dem die stärkste Beanspruchung bei gleichmäßiger Belastung meist nicht im Feld, also mitten im Raum, sondern über dem mittleren Auflager besteht. Im Vergleich zum Einfeldträger verfügt der Durchlaufträger im Feld dafür über eine höhere Tragfähigkeit. Da Einfeld- und Durchlaufträger somit ein deutlich unterschiedliches Tragverhalten zeigen, ist es bei der statischen Analyse einer Bestandsdecke außerordentlich wichtig, zu Beginn der Untersuchung das bestehende System zu untersuchen. Dies ist nicht immer ganz einfach, da oft nicht ohne Weiteres erkennbar ist, ob ein Balken an einer Trennwand bis in den nächsten Raum durchläuft oder ob er im Mauerquerschnitt gestoßen ist und es sich somit um zwei Einfeldträger handelt.

Ein typisches Problem bei historischen Holzbalkendecken bilden durch Treppenaufgänge oder Kaminzüge verursachte Störungen der Balkenlagen [Bild 7]: Um den notwendigen Deckendurchbruch herzustellen, wurden einzelne Deckenbalken durchtrennt und mit Querwechseln auf die benachbarten Balken abgestützt. Diese werden dadurch allerdings mit höheren Belastungen beaufschlagt und zeigen oft deutliche Verformungen oder sogar Brüche. Häufig sind, infolge von späteren Umbauten – etwa dem Abbau der Kamine – und später ergänzte Bodenaufbauten diese Störungen nicht mehr ohne Weiteres erkennbar!

Eine statische Ertüchtigung alter Holzbalkendecken ergibt sich häufig aus den Anforderungen bei einer Umwidmung der Nutzung. Wo die vorhandene Konstruktion für die Anforderungen einer ursprünglichen Wohnnutzung ausreichend dimensioniert gewesen sein mag, erzwingt etwa die Umwandlung zu einem Büro oder einem Versammlungsraum häufig eine Verstärkung, da die dafür normgerecht anzusetzenden Verkehrslasten deutlich höher ausfallen. Wo etwa für Wohnräume eine Nutzlast von 1,5 kN/m² anzusetzen ist – also rund 150 kg –, sind es bei einem Büroraum bereits 2 kN/m² und in offen nutzbaren Veranstaltungsräumen sogar 5 kN/m², also mehr als das Dreifache. Auch die heute bestehenden Verformungsbegrenzungen der Normen können Verstärkungen erforderlich machen.

Für die damit meist erforderliche Verstärkung der Deckenkonstruktion gibt es unterschiedliche Verfahren. Im einfachsten Fall können etwa zusätzliche Balken in die Zwischenräume der Bestandsbalken gelegt werden, wobei allerdings die historischen Fehlböden entfernt werden müssen. Ebenso können die Bestandsbalken durch seitlich angesetzte Brettlaschen oder U-Profile verstärkt werden [Bild 8]. Erfolgt dies nur einseitig, kann wenigstens jeder zweite Fehlboden erhalten werden. Technisch aufwendiger ist die Ertüchtigung der Bestandsdecke als Holz-Beton-Verbunddecke. Hierbei wird auf die Balkenlage oberseits Beton – entweder als Ortbeton oder als Fertigelement – aufgebracht und mit speziellen Verbindungselementen mit den Bestandsbalken schubfest gekoppelt.

Praktisch ist es schließlich, wenn einen großer Deckenzwischenraum zwischen zwei getrennten Balkenlagen zur Verfügung steht. In diesen können dann etwa stützende Stahlunterzüge eingeführt werden [Bild 9].


Zum Trittschallschutz bei der Sanierung von Bestandsdecken erfahren Sie mehr im Artikel »Wohnen auf alten Böden«


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