Nachdem in der albanischen Kleinstadt Korça ein nacktes Betonskelett rund 25 Jahre verlassen herumstand, wurde es jetzt zu einem Haus für die nationale Ikonensammlung ausgebaut. So farbenfroh wie die Kunst ist das Interieur.
Als hätte Le Corbusier Pate gestanden: Die offene Struktur aus Betonpfeilern, -decken und -treppen, die ungenutzt auf einem Grundstück in Korca stand, erinnerte ein wenig an das berühmte »Maison Dom-Ino«. Sie war als Bauruine übriggeblieben, als 1989 der albanische Staat kollabierte. Eindrucksvoll führt sie jedoch vor, dass Corbusiers Konzept der Grundrissneutralität hervorragend funktioniert. In dem Betonskelett ein Museum für religiöse Kunst einzurichten, hatte bei seiner Errichtung zu Zeiten des Kommunismus garantiert niemand vor.
Nun haben die albanischen Architekten DEA Studio die Struktur zu einem Gebäude geschlossen und BOLLES+WILSON darin die Räume für rund 300 Ikonen gestaltet. In UG und EG sind Archiv, Labor und Verwaltung untergebracht; die Ausstellung beginnt im Eingangsgeschoss, um dann das gesamte OG einzunehmen. Die Architekten haben dafür eine spannungsvolle Sequenz höchst unterschiedlicher Räume geschaffen. Sie beginnt mit einer Halle, deren 9,5 m hohe Wände goldfarben beschichtet und bis unter die Decke mit Ikonen in Petersburger Hängung bestückt sind – die Präsentation ist so opulent wie die Werke selbst. Eine skulptural ausgeformte Treppe führt hinauf zu den kleineren Kabinetten des OGs. Dort bildet das »Schwarze Labyrinth« das Herzstück des Museums. Vor den dunklen Wänden, teils matt, teils glänzend schwarz gestrichen, entfalten die Ikonen eine besondere Strahlkraft. Niedrige alkovenartige Nischen erlauben die konzentrierte Betrachtung einzelner Werke. Es folgt ein roter Salon, bevor die Ausstellung in einen komplett in Weiß gehaltenen Raum mit Lichtdecke mündet. Er steht in größtmöglichem Kontrast zum Auftakt des Rundgangs – geringe Höhe, keine Farbe und eine Fokussierung auf ganz wenige Exponate: die wertvollsten Ikonen des 14. Jahrhunderts.
~Christian Schönwetter