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In Stein gemeißelt

Steinputzflächen in der Staatsbibliothek Berlin
In Stein gemeißelt

Das Dogma der »ehrlichen Konstruktion« versetzte ihnen den Todesstoß: Oberflächen aus Steinputz, bei repräsentativen Bauten des Historismus noch weit verbreitet, sind mit dem Siegeszug der Moderne völlig aus dem Gestaltungsrepertoire von Architekten verschwunden. Bei der Sanierung der Berliner Staatsbibliothek musste das verantwortliche Team um hg merz für die steinimitierenden Putzflächen eine Rezeptur finden, die mit heutigem Material das Erscheinungsbild von einst erzielt.

~Georg J. Kolbe, Leiter Produktmarketing Putz- und Fassadensysteme bei Saint-Gobain Weber

Errichtet wurde der dem Historismus zugehörige Bau von 1903 bis 1914 durch den Architekten Ernst von Ihne. Bombeneinschläge während des Zweiten Weltkriegs führten dazu, dass ganze Gebäudeteile abgetragen werden mussten. Eine erste Sanierung fand bereits in den Nachkriegsjahren statt. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation wurde jedoch lediglich das Nötigste gerettet. Seit 2004 wurde der Komplex behutsam saniert und um Neubauten ergänzt, zu denen der allgemeine Lesesaal, der Rara-Lesesaal, Tresormagazine sowie das Freihandmagazin zählen. Die Entwürfe hierzu stammen von Hans-Günter Merz, Inhaber des Architekturbüros HG Merz. Seit 2011 wird das Projekt von Ulrich Neumann, Architekt bei BAL, betreut. Neumann war zuvor bei HG Merz tätig, sodass er sowohl den Neubau als auch die Sanierung der Staatsbibliothek von Beginn an begleitet hat.

Damit sich die Neubauten in den bestehenden Komplex einfügen, wurde die alte Kubatur des ursprünglichen Baus aufgegriffen. Doch anstatt diese zu rekonstruieren, wurden sie in die heutige Zeit übersetzt und mit modernen Details versehen. Spürbar wird dies beispielsweise an der Glasfassade des neuen Lesesaals: Bestehend aus ca. 570 Scheiben, die zweischichtig mit 90 cm Abstand eingesetzt wurden, liegt ihr ein ähnliches Raster wie der Natursteinfassade des Bestandsbaus zugrunde. Im Gegensatz zum Altbau wirkt der Innenraum durch das nachverformte Glas deutlich heller und freundlicher. Bei der Sanierung legten die Architekten Wert darauf, nicht nur die Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen, sondern auch das Raumgefühl des Bestandsbaus wiederaufleben zu lassen. Unter anderem wurden dazu Decken entfernt, die während der Nachkriegssanierung teilweise unter das Gewölbe gesetzt worden waren und so niedrige Räume gebildet haben.

Material des Historismus

Bereits der von Ernst von Ihne geplante, ursprüngliche Bau bestand zu großen Teilen aus Steinputz. Dieses Material, das Stein täuschend ähnlich sieht, kam dem Wunsch der Epoche nach Repräsentation entgegen und war damals deutlich wirtschaftlicher. Die Außenfassade wurde zwar in Naturstein (Sandstein und Granit) ausgeführt, in den Innenräumen kamen aber die kostengünstigen Alternativen zum Einsatz: Säulen, Pilaster und weitere vorfabrizierte Schmuckelemente sind aus Kunststein gefertigt. Oberflächen und Gebäudeelemente, die vor Ort entstanden, wurden mit Steinputz versehen. Damit das Gebäude auch weiterhin möglichst dem Original entspricht, wurde zur Sanierung einiger Gebäudeteile Steinputz verwendet, v. a. in den Treppenhäusern sowie im Vestibül und in der Treppenhalle.

Original-Rezeptur ist nicht gleich Original

Damit sich die neuen Steinputzflächen optisch in das Gesamtbild einfügen, wurden auf Basis des Steinputzes »weber.san 191« mehrere Rezepturen mit unterschiedlichen Mörtelfärbungen angewendet. So können die neuen Flächen an die verschiedenen Variationen des bestehenden Putzes angepasst werden. Um die neuen Rezepturen herzustellen, wurden im ersten Schritt Farbe und Körnung des Originalputzes in einem Labor analysiert. Auf dieser Grundlage wurden unterschiedliche Mörtel auf Musterplatten aufgebracht und mit dem Original abgeglichen. Da Farbabweichungen oft erst im direkten Vergleich an der Wand auffallen, kann es bis zu fünf solcher Durchgänge brauchen, ehe eine neue Rezeptur gefunden ist.

Dabei sind viele Details zu berücksichtigen: Der Denkmalschutz legt großen Wert auf die Originalrezeptur. Doch diese liefert heute nicht zwangsweise das gleiche Ergebnis wie früher: Die Rohstoffe, mit denen Putzhersteller wie Saint-Gobain Weber arbeiten, sind heute reiner, d. h. sauberer als die Putze des frühen 20. Jhds., die i. d. R. von Hand auf der Baustelle zusammengemischt wurden. Daher wirken die Putze heller als früher und die Rezeptur muss im Vergleich zum Original entsprechend angepasst werden.

Manchmal verlangt der Denkmalschutz außerdem Nachbearbeitungen an den neu verputzten Flächen: Der Fassade werden leichte Unregelmäßigkeiten zugefügt, um den Alterungsprozess nachzuempfinden. Nur wenige Handwerksspezialisten beherrschen die Verarbeitung von Steinputz noch. Einer von ihnen ist der Stuckateurbetrieb K. Rogge Spezialbau aus Berlin, der den Zuschlag für dieses Projekt erhielt. Der umfangreiche Sanierungsprozess erforderte eine besonders enge Abstimmung zwischen Planern, Fachhandwerkern, Denkmalschutzbehörde sowie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Neben der Suche nach der richtigen Rezeptur ist auch die Ausführung des Steinputzes eine Herausforderung. Besonders wichtig ist es, entsprechende Standzeiten einzuplanen, da das Material fest anzieht und daher hohen Spannungen ausgesetzt ist. Die einzelnen Schichten sollten nicht mehr schwinden, bevor die nächste aufgetragen wird. Um die Anmutung von Naturstein zu verstärken, wurden bei der sanierten Bibliothek Scheinfugen gezogen. Nachdem die Oberflächen fertiggestellt waren, schnitten die Stuckateure Fugen aus und empfanden sie anschließend mit einem andersfarbigen Mörtel nach.

Ein Ort der Geschichte

Nachdem der neue Lesesaal der Staatsbibliothek bereits seit 2014 wieder zugänglich war, zeigt sich nun das gesamte geschichtsträchtige Bauwerk in neuem Gewand und bewahrt umfangreiches Wissen auch für nachfolgende Generationen. Insgesamt stellt die Staatsbibliothek Unter den Linden auf ca. 105 000 m² BGF historische Sammlungen aller Länder und Sprachen sämtlicher Wissenschaftsgebiete sowie moderne Sammlungen mit einem Schwerpunkt auf Geisteswissenschaften bereit.

weitere Informationen:
www.de.weber


Objekt: Staatsbibliothek zu Berlin
Bauherr: Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Architekt: HG Merz, BAL Bauplanuns und Steuerung
Steinputz (Sanierung): K. Rogge Spezialbau

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