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Einzigartige Gauben dank Walzblei

Stadthaus-Sanierung im Zentrum von Münster
Einzigartige Gauben dank Walzblei

Ein besonderer Akzent mitten in der Münsteraner Altstadt: Ein ehemaliges Bankgebäude wurde von 2011 bis 2015 aufwendig saniert und in ein Geschäfts- und Bürohaus umgewandelt. Weithin sichtbar ist das neue Dach mit seinen ungewöhnlichen Fenstern in Spitzbogenform: Es bietet Platz für zwei Stockwerke, die als Büroflächen genutzt werden, und ist an den Gauben und geneigten Flächen komplett mit Walzblei bekleidet. Eine elegante und hochfunktionale Lösung – obwohl der erste Entwurf noch eine völlig andere Dachkonstruktion vorsah.

Ein EG über Bürgersteigniveau, das nur über Treppenstufen erreichbar war, dazu das typische Ambiente einer Bankfiliale – als das Gebäude an der Münsteraner Königsstraße veräußert wurde, war nicht unbedingt abzusehen, dass hier bald moderne Modegeschäfte Einzug halten würden. Ebenso wenig ließ sich das Bleidach mit seinen beiden Bürogeschossen erahnen, das heute die Stelle des bisherigen Schieferdachs einnimmt. Doch dem Münsteraner Architekturbüro Pfeiffer Ellermann Preckel ist die Verwandlung dank markanter Formsprache geglückt.

Neubau oder Sanierung?
Der Weg dorthin barg indes eine Reihe von Herausforderungen und verlief nicht ganz geradlinig. Als die Münsteraner Kaufmannsfamilie Lohmann das Grundstück zwecks Einzelhandelsnutzung vom bisherigen Eigentümer erwarb, lag ein vollständiger Rück- und Neubau durchaus nahe. Das Bankgebäude wurde in den 60er Jahren ohne Bezug zum gewachsenen Stadtbild errichtet und stand nicht unter Denkmalschutz. Doch die hochwertige Tuffstein-Fassade hatte sich über die Jahre hinweg im Straßenbild etabliert. Deshalb entschied der Bauherr, die Gebäudehülle an allen drei Seiten zu erhalten, während das Innere entkernt und ein zusätzliches, fünftes Geschoss aufgesetzt wurde. Zu den umfassenden Sanierungs- maßnahmen gehörte u. a. die Absenkung der Kellerdecke um rund 2 m, damit das EG auf Bürgersteigniveau liegt und schwellenlos erreichbar ist. Neu sind auch die bodentiefe Fensterfront sowie fast das gesamte Innenleben, von komplett neugestalteten Treppen über die LED-Beleuchtung bis zur Klimatechnik.
von schräg zu gestaffelt und wieder zurück
Der Blickfang des Gebäudes ist das Dach, dessen Konzeption sich als größte Herausforderung erwies. Von Anfang an stand fest, dass anstelle des alten Betonsteindachs eine neue Konstruktion mit zwei als Büroflächen nutzbaren Geschossen entstehen sollte. Der erste Entwurf des Architekturbüros sah dafür ein Staffelgeschoss vor, angelehnt an die benachbarten Neubauten. Die Architekten im Beirat stimmten zu, doch der Stadtrat bevorzugte ein Schrägdach, das sich stärker von der unmittelbaren Umgebung – wo bereits ein modernes Shopping-Center mit Flachdach steht – abhebt. Der federführende Architekt Jörg Preckel musste also noch einmal eine völlig neue Dachlösung entwerfen und konstruieren.
Eine entscheidende Idee zum Material brachte der Bauherr Heinz E. Lohmann von einem Besuch in Kopenhagen mit: Dort hatte ihn eine Bleiskulptur in einem Museum nachhaltig beeindruckt. Für ein Schrägdach mit Bleihülle sprachen tatsächlich mehrere Argumente: Die Architekten hatten bereits Bleidächer realisiert, u. a. das Schleppdach aus Blei und Schiefer des Dalheimer Museums für europäische Klosterkultur. Auch in Münster hat der Werkstoff Tradition, so hat z. B. die Mauritzkirche ein Bleidach. Wichtig waren aber in erster Linie die gestalterischen Möglichkeiten: »Blei lässt andere Formen zu als härtere Metalle«, erläutert Jörg Preckel. »Die manuelle Ausführung vor Ort ist aufwendig, aber diesem traditionsreichen Handwerk zuzusehen ist ein Genuss – und das Ergebnis wirkt sehr organisch.« Außergewöhnliche Formen waren hier gefragt, da es galt, hochwertige Büros und ein Schrägdach zu vereinen.
funktionale Spitzbögen
Die Büros sollten über eine hohe Aufenthaltsqualität verfügen. Ein wichtiger Faktor dafür ist Tageslicht. Für die Gauben wurde also eine Lösung gesucht, die möglichst große Fenster an dem zweigeschossigen, um 70 ° geneigten Schrägdach ermöglicht. »Der Spitzbogen erwies sich als ideale Form«, so Preckel. »Er erlaubt an dieser Stelle große Gauben, sodass in der unteren Reihe sogar raumhohe Fenster möglich sind.« Diese Fenster sorgen nicht nur für helle Büros, sondern auch für eine großzügige Aussicht auf die Innenstadt. Dank ihrer versetzten Anordnung setzen sie von außen elegante Akzente. Auch wenn die Spitzbögen entfernt an gotische Architektur erinnern: Sie zitieren keinen historischen Baustil, sondern sind aus funktionalen Überlegungen heraus und dem einhergehenden Spiel mit Form und Material entstanden.
Die Fenstergauben bestehen aus durchgefärbtem Sichtbeton und sind wie die gesamte Schrägdachfläche mit Walzblei bekleidet. Das Material hat eine große Tradition im Dachbau, es sorgt an zahllosen historischen Kirchen, Rathäusern und Schlössern für witterungsbeständige Dächer, Fassaden und Turmlaternen. Auch an modernen Objekten ist es gefragt, insbesondere bei komplexen Aufgaben und in Kombination mit Schiefer. Neben seiner Langlebigkeit ist v. a. seine Kaltformbarkeit ein entscheidendes Argument: Anders als etwa Zink können Walzbleibleche vom Dachdecker direkt am Objekt zugeschnitten, gefalzt und angeformt werden. Diese handwerkliche Verarbeitung hat sich seit Jahrhunderten bewährt und daher kaum verändert. So lassen sich Details wie Fenster- und Schornsteinanschlüsse sehr flexibel abdichten, aber auch große Flächen individuell bekleiden. Für komplexe Konstruktionen wie diese sind diese Eigenschaften ideal.
Organische Gestaltung, lange Haltbarkeit
Ein Nebeneffekt dieser Verarbeitung ist die charakteristische Erscheinung von Walzblei. Die Bleiflächen wirken sehr organisch, was gerade an modernen Gebäuden mit geradliniger Formsprache einen interessanten Kontrast schafft – und eine sterile Wirkung verhindert. Unterstützt wird dieser Effekt durch die typische gräuliche Patina, die Blei unter Witterungseinfluss herausbildet. Zum Einsatz kamen etwa 38 t Saturnblei von von Röhr + Stolberg aus Krefeld, Deutschlands führendem Bleiverarbeiter. Die Herstellung erfolgte gemäß den Kriterien der Gütegemeinschaft Saturnblei.
So ist in exponierter Lage in der Münsteraner Altstadt ein repräsentatives Objekt entstanden. •
~Jürgen Seifert
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