Mit seinen expressiv-dekonstruktivistischen Formen ist Daniel Libeskinds vor 20 Jahren eröffnetes Jüdisches Museum in Berlin nicht leicht zu bespielen. Mit dem Entwurf ihrer neuen Dauerausstellung haben die Szenografen – eine Arbeitsgemeinschaft aus chezweitz und Hella Rolfes Architekten – diese Herausforderung beispielhaft gelöst. Gleich einer Promenade führen sie die Besucher in fünf Epochen- und acht Themenräumen durch 1.700 Jahre jüdischer Geschichte in Deutschland. Die Vielfalt der Formen und Materialien, die dabei eingesetzt wurden, reicht von geschwungenen Mineralwerkstoff-Wänden, die sich bewusst gegen Libeskinds dekonstruktive Zackenästhetik stellen, über keramische Vitrinen, die gleichfarbig aus dem anthrazitfarbenen Boden wachsen, bis hin zu wunderbar organischen Klangräumen.
Das alles zeugt von einer kreativen Reibung mit Libeskinds Architektur und ist umgesetzt in hoher handwerklicher Präzision. Der ästhetische Anspruch der Ausstellungsgestaltung geht mit einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung in Zusammenarbeit mit dem Kuratorenteam des Museums einher. Besonders eindrucksvoll sind die Papierwände, auf denen anhand der Texte von »Vorschriften« und »Gesetzen« die systematische Entrechtung von Juden im »Dritten Reich« veranschaulicht wird. Am engsten an Libeskinds Ästhetik lehnt sich die Gestaltung des Raums zum Holocaust an. Zwischen den immer enger gefügten silbrigen Aluminiumwänden, in denen sich die Spiegelungen im Nichts verwischen, erwächst eine beklemmend kühle Atmosphäre. Ganz anders dagegen die eingestreuten Ruhezonen, die wie kleine Plätze in einer Stadtkomposition eingeschoben wurden. Etwa in der wundervollen »Hall of Fame«: Entstanden in Zusammenarbeit mit dem Künstler Andree Volkmann, verwandelt sie ein Treppenhaus Libeskinds in ein inspirierendes »Who is Who« jüdischer Persönlichkeiten.
~Jürgen Tietz