Hintergründe und Motive der Stadtentwicklung Wiens seit 1989. Von Reinhard Seiß. 215 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Kartoniert, 22 Euro, 39 sFr. Verlag Anton Pustet, Salzburg, 2007
~Claus Käpplinger
Mit großer Bewunderung blicken nicht Wenige nach Österreich, wo Bauherren, Politiker und Medien anders als in Deutschland viel offener gegenüber zeitgenössischer Architektur erscheinen, wo Architekten wirklich geschätzt und gefördert werden. Nach Vorarlberg, aber auch nach Graz und Wien blickt man heute, wenn man über neue Architekturen und Planungskulturen in Europa spricht.
Das Buch des jungen österreichischen Raumplaners und Publizisten Reinhard Seiß wagt nun jedoch, das allzu positive Bild über Wiens Baukultur ins Wanken zu bringen. Provokant ist sein Titel »Wer baut Wien?«, unbequem sind die Antworten auf seine Frage. Ohne Rücksichten auf das fein verwobene Wiener Interessengeflecht analysiert er die städtebaulich-architektonischen Entwicklungen der Stadt über die letzten zwanzig Jahre.
Anhand der bedeutendsten Stadtentwicklungsprojekte Wiens – nur das neue Museumsquartier fehlt –, der Donau-City, der Gasometer City, dem Wienerberg oder dem neuen Hauptbahnhof präsentiert er eine Planungskultur ohne nachhaltige Konzepte, die immer wieder allzu gefügig Investoren sehr hohe Baudichten und große Gewinnspannen zugesteht.
Seltsame Verquickungen von Unternehmen mit der regierenden SPÖ werden offengelegt, die bis in die Printmedien hineinreichen. Keine kritische Öffentlichkeit, sondern interessen- gebundene PR-Arbeit leistet Wiens Presse. Projekte werden gefeiert, deren Aufenthaltsqualitäten höchst fragwürdig sind, aber von den bewunderten Architektur-Granden Hollein, Peichl oder Prix stammen. Als Werkzeuge der Investoren lassen sie sich willfährig »gebrauchen«, an fragwürdigen Standorten Wohnbauten hoher Dichte und mediokrer Qualität durchsetzen zu helfen. Seiß´ Buch ist durchaus einseitig, doch seine Einseitigkeit lädt zur Auseinandersetzung und Diskussion ein, es bietet ein längst überfälliges Korrektiv zu den Hochglanzseiten der Wiener Presse und vieler Architektur-Magazine.
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