Architektur ist — natürlich nicht unpolitisch. Hrsg. von Ingeborg Flagge. 320 Seiten. Gebunden, 24,95 Euro. Prestel Verlag, München, 2009
~Karl Kegler
Dass Architekten einen Werkbericht ohne großformatige Fotos und Pläne veröffentlichen, ist ungewöhnlich. Volkwin Marg als Mitbegründer eines großen deutschen Architekturbüros kann sich dies erlauben; legt man einmal alle Bücher zu den Projekten von Gerkan, Marg und Partner übereinander, hat man schnell einen sehr großen Stapel. Nun gibt es auch ein Buch, das engagierte, kritische und nachdenkliche Texte aus gut drei Jahrzehnten Schaffenszeit des Hamburger Architekten zusammenstellt.
Der Großteil der Arbeiten, die in fünf Gruppen (Leitbild, Gesellschaft, Politik, Lehre, Kritik) gegliedert sind, stammt aus Reden, Fachartikeln und Ausstellungskatalogen. Ein einleitender Abschnitt widmet sich Person und Lebensweg. Schon im Titel des Buches kommt eine nachdenkliche und abwägende Haltung zum Ausdruck: »Architektur ist – natürlich nicht unpolitisch.« Die nachgedruckten Texte vertreten da mitunter schärfere Positionen: »Architektur ist immer politisch«, heißt es etwa in einem Aufsatz von 1983, der sich mit der Architektur der Postmoderne auseinandersetzt. Dies ist kein Widerspruch zum Buchtitel, aber doch eine Akzentverschiebung. Andere Themengebiete, so die zwischen 1983 und 1985 diskutierte Frage, ob der Bau von Atombunkern moralisch zu rechtfertigen sei, wirken aus heutiger Perspektive etwas entrückt. Das Thema der Elbuferbebauung in Dresden ist dagegen aktueller denn je. Es ist vielleicht dem eigenen Erfahrungsraum geschuldet, wenn sich der Eindruck einstellt, dass die Texte immer besser werden je näher sie an der Gegenwart liegen. Klug und zeitlos ist das Buch dort, wo sich Marg den grundsätzlichen Verhältnissen von Architektur, Demokratie und Geschichte zuwendet.
Wenn auch einige der vorgestellten Debatten etwas entfernt scheinen, hat das Buch einen wichtigen Effekt. Es ermuntert und ermutigt, selbst zu aktuellen Fragestellungen Position zu beziehen. Es verdeutlicht, dass nicht nur das Entwerfen, sondern auch das Schreiben zum Tätigkeitsfeld eines erfolgreichen Architekten gehören kann.
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