Wie ein »Furunkel im Gesicht eines vielgeliebten eleganten Freundes« sähe der Entwurf von Ahrends, Burton & Koralek (1983) für die Erweiterung der National Gallery in London aus. So das mittlerweile legendäre Geschmacksurteil, mit dem sich Prinz Charles 1983 gegen den in seinen Augen hässlichen Entwurf wandte. Unabhängig davon, ob man die stattdessen realisierte neoklassizistisch dekortierte Erweiterung von Venturi Scott-Brown bevorzugt, auch sie ist ganz Kind ihrer Zeit und Ästhetik und unterliegt einem Geschmacksurteil. Timothy Hyde geht es in »Ugliness and Judgment« aber gerade nicht um vordergründige, an Zeiten und ästhetische Vorlieben gebundene Antworten darauf, was und warum in der Architektur hässlich sei. Hyde, der am MIT Architekturgeschichte und -theorie lehrt, interessieren vielmehr die sozialen, politischen und juristischen Positionen und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Konsequenzen, die sich hinter vordergründigen Geschmacksurteilen verbergen. Hässlichkeit wurde schließlich selbst Christopher Wrens St. Pauls Cathedral unterstellt.
Architektur, so Hyde, beteilige sich »an der Produktion von Effekten, die sich auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens auswirken«. Anschaulich macht er das u. a. am Beispiel des von Zeitgenossen angefeindeten neugotischen House of Parliament. Befürchtungen, dessen Steine würden durch den sauren Regen der Stadt frühzeitig zerstört, mündeten in dem Bestreben, die Luftverschmutzung durch den »Public Health Act« von 1875 zu verringern. Hydes vielschichtige Studie spannt an ausgewählten Beispielen einen lesenswerten Bogen über rund 300 Jahre Londoner Baugeschichte. Dabei zeigt er auf, dass hinter der Beurteilung eines Gebäudes als »hässlich« häufig weit substantiellere gesellschaftliche Diskurse lauern, die Einblick in soziale Realitäten, Einflussnahmen oder politische Bewertungen geben. Daher stellt sich für ihn die grundsätzliche Frage, ob der ästhetischen Beurteilung von Architektur überhaupt derart viel Aufmerksamkeit beigemessen werden sollte.