Von Wilfried Dechau. Fotografisches Tagebuch 14. April–16. August 2005. 70 zum Teil farbige Fototafeln. Gebunden, 78 Euro, 131 sFr. Wasmuth Verlag, Tübingen, 2006
~Andreas Langen
Dies ist keine Dokumentation, sondern eine Reverenz zwischen Buchdeckeln. Der Stuttgarter Fotograf Wilfried Dechau erweist einem Berufsstand die Ehre, der sonst ein unscheinbares Dasein am Rande des Bauprozesses fristet – dem Ingenieur. Den Traversinersteg nahe der Viamala in Graubünden hat der international renommierte Bauingenieur Jörg Conzett aus Chur entworfen. Wenn Wilfried Dechau diesen Schweizer Perfektionisten beschreibt, charakterisiert er unwillkürlich auch sich selbst: »Der macht nur, was ihn selbst begeistert.« Conzett ist dafür bekannt, nie zweimal das Gleiche zu bauen; Dechau verbrachte auf der Baustelle ein Vielfaches der Zeit, die ein kühler Rechner aufgewendet hätte. Offensichtlich haben sich bei diesem Projekt zwei Seelenverwandte gefunden, deren Hingabe nun die allerschönsten Resultate hervorbringt: Conzett als Konstrukteur einer atemberaubenden Brücke, und Dechau als leidenschaftlicher Chronist ihrer Entstehung. Im edlen Schuber und mit ragender Rückenhöhe, die jeden Regalraum sprengt, macht Dechaus Band schon aus der Ferne klar, dass er eine bibliophile Rarität ist. Seine präzisen Bilder zeigen sehr umfassend, was in konventioneller Architektur-fotografie meist unbeachtet bleibt – der Bauprozess bis hin zur feierlichen Einweihung, außerdem ausdrucksvolle Porträts von Arbeitern und anderen Beteiligten. Umfassende Aufmerksamkeit hat Dechau noch der letzten Kleinigkeit der Buchaustattung gewidmet – genaue Betrachter finden im kühl-grauen Farbklang von Schuber, Umschlag, Vorsatz und Innenseiten einen winzigen, aber kräftigen Tupfer: das Garn der Bindung leuchtet im Rot der Schweizer Flagge.
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