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Migropolis

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Migropolis

Migropolis
Venice / Atlas of a Global Situa- tion. Von Wolfgang Scheppe, IUAV Class on Politics of Representation. Essays von Giorgio Agamben, Valeria Burgio, Wolfgang Scheppe. Englisch. 1 344 Seiten mit 2 078 überwiegend farbigen Abbildungen. 2 Bände im Schuber, 78 Euro. Hatje Cantz, Ostfildern, 2009

~Christian Holl

»Die Erkenntnis der Städte ist an die Entzifferung ihrer traumhaft hingesagten Bilder geknüpft«, schrieb Siegfried Kracauer 1931. Entzifferung, nicht Hingabe: Die Aufgabe, die Kracauer implizit stellt, ist nach wie vor eine aktuelle. »Migropolis. Venice / Atlas of a global Situation« zeigt, wie aufschlussreich die Entzifferung gerade dann ist, wenn die Verführung zur Hingabe besonders groß ist – und wer würde das im Fall von Venedig abstreiten? Ein vom deutschen Philosophen und Linguisten Wolfgang Scheppe 2006 an der Universität Venedig begonnenes Forschungsunternehmen hatte das Ziel, ein Venedig zu entdecken, das jenseits der traumhaft hingesagten Bilder existiert, das aber notwendig ist, um diese Bilder am Leben zu erhalten.
Scheppe lehrt in Venedig Philosophie und Bildtheorie; ihn interessierte das Venedig, das als Bild die Handlung gegenüber dem physischen, realen Ort bestimmt. Die Stadt ist, als Ereignis, in immer neu inszenierten und kopierten Events, durch selbstreferentielle Rückkopplungen zu einem Produkt ihrer selbst geworden. Das ist die eine Ebene, auf der Venedig untersucht wird. Wichtiger ist in diesem Fall aber eine andere, die innerhalb des Buches den größeren Umfang einnimmt: Gezeigt werden die illegalen Bewohner, die informellen Märkte, die ökonomischen Parallelwelten, die damit verbundenen Repressalien, die Schichten globaler Identitäten, die sich in Venedig entdecken lassen.
In Fallstudien, analytischen Beobachtungen, die kartiert, in Grafiken umgesetzt, durch eine Unmenge von Fotos illustriert werden, wird gezeigt, wie intensiv Venedig in ein Netz globaler Abhängigkeiten, Ströme und Bewegungen eingebunden ist – Bewegungen von Touristen, von legalen und illegalen Migranten, die am Mythos Venedig teilhaben wollen, die ihn mitproduzieren und die von ihm profitieren wollen. Gerade dieser scheinbar so einzigartige Ort ist einer, der nur als globale Situation entziffert werden kann.
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