Architektur in Oberitalien 1946-76. Von Martin und Werner Feiersinger. Broschiert, 552 S., 360 farb. Abb., 165 Pläne, 48 Euro, Park Books, Zürich 2015
~Bärbel Högner
Nach dem Erfolg von »Italomodern 1« legen die Feiersingers nun das zweite Buch zur vielfältigen Architekturszene der Wirtschaftswunderzeit in Oberitalien vor. Erneut beleuchtet ihre Auswahl – 132 Bauten zwischen Bozen und Urbino, San Remo und Triest – eine Bandbreite außergewöhnlicher Architekturen. Ob Wohnquartier, Feriensiedlung oder Kirche, Theaterfoyer, Jugendherberge oder Rathaus, Diskothek oder gar Schweinestall – stets demonstrieren die Fotografien spürbar den experimentellen Gestaltungswillen jener Ära. Dabei entlarvt die chronologische Ordnung eine typologisch weitreichende und stilistisch opulente Vielfalt, die sich einzig mit den Stichworten fantasievoll und eigenwillig zusammenfassen lässt.
Auf angenehm unprätentiöse Weise arbeitet der Künstler Werner Feiersinger die skulpturalen Qualitäten der gewählten Motive heraus. In Übersichtsaufnahmen nähert er sich ihrer expressiven Formensprache, mit Details verweist er ausschnitthaft auf gewagte Konstruktionen, materielle Verflechtungen und gelegentlich kurios wirkende Interieurs. Konträr zu den üblichen Konventionen der Architekturfotografie haftet den Bildern der Duktus eines Flaneurs an. Doch evozieren gerade die auf den ersten Blick unspektakulären Kompositionen, welche vermeintlich störende Elemente wie Abdeckungen, Fahrzeuge und Schilder geschickt in die Bildfläche integrieren, eine frappierend direkte Präsenz der Gebäude. Auf diese Weise werden die individuellen gestalterischen Ansätze hervorgehoben, die den Strömungen des Neorealismus, Brutalismus, Rationalismus und der organischen Architektur entspringen. Italomodern 2 beschränkt sich textlich auf das Wesentliche: Zu den Objekten verfasste der Architekt Martin Feiersinger informative Kurzabhandlungen; Biografien der vorgestellten Büros sind zwischen die Bildseiten eingeschoben, die Abbildungen ergänzte er um Grundrisspläne. Wer Einblick in die langjährige und passionierte Recherche der Brüder nehmen möchte, sollte auf die zeitgleich erschienene Neuauflage von »Italomodern 1« zurückgreifen, wird doch das Konvolut des ersten Bands (84 Projekte, 43 Architekten) von Essays flankiert. Gemeinsam stellen beide Publikationen ein einzigartiges Nachschlagewerk dar, das sich auch als Reiseführer in den Kosmos der vitalen Baukunst der Nachkriegsjahre Italiens eignet.
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