1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Empfehlungen » Ausstellungen »

Stadt vor Augen – Landschaft im Kopf (Aarau)

Ausstellungen
Stadt vor Augen – Landschaft im Kopf (Aarau)

~Hubertus Adam

Schneebedeckte Gipfel, saftige Alpenwiesen, pittoreske Altstadtgassen: Das ist das Bild der Schweiz, das Tourismusstrategen und Postkartenproduzenten seit jeher erfolgreich vermarkten und das auch die Identität des Landes prägt. Nicht, dass es diese Idylle nicht gäbe – nur zeigt sie sich mehr und mehr bedroht und stellt lediglich einen kleinen Ausschnitt aus der Wirklichkeit dar. »Stadt vor Augen – Landschaft im Kopf« heißt eine als Wanderausstellung konzipierte Schau im Naturama Aarau, die sich dem Widerspruch zwischen Ideal und Realität widmet. Aarau ist kein schlechter Ausgangsort, liegt es doch in zentraler Lage im Mittelland, der beinahe zu einer Bandstadt zusammengewachsenen Region zwischen Zürich, Bern und Basel. Das Phänomen ist nicht neu: Schon 1954 prangerten Max Frisch, Lucius Burckhardt und Markus Kutter in ihrem Pamphlet »Achtung: die Schweiz« die Zersiedlung an, die den Gegensatz von Stadt und Land vollends auflöse und postulierten – als Alternative zur geplanten Landesausstellung 1964 in Lausanne – eine neu zu gründende Stadt für mindestens 15 000 Einwohner. Diese blieb unrealisiert, und auch die verdichteten Großwohnsiedlungen der 60er Jahre an den Stadträndern konnten die fortschreitende Suburbanisierung nicht aufhalten.
Als Kuratoren der Ausstellung thematisieren der Berner Journalist Jürg Spichiger und der Fotograf Christof Hirtler aus Uri zunächst die Faktoren, welche die Zersiedlung fördern: eine globalisierte Wirtschaft, die mit Outlet-Zentern und Lagerhallen bisherige Landwirtschaftszonen besetzt, ein, aufgrund von Zuwanderung für europäische Verhältnisse vergleichsweise hohes Bevölkerungswachstum sowie der relativ hohe Wohlstand der zu einer heutigen Pro-Kopf-Wohnfläche von 50 m² geführt hat (gegenüber 34 m² im Jahr 1980). Ein weiterer flächenfressender Faktor ist aber auch die Mobilität: Nicht nur das Auto, auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs führt zu einer Ausweitung des Siedlungsraums an der Peripherie der Städte. Ein typisch schweizerisches Problem stellt schließlich die Autonomie der Gemeinden dar, welche mehr oder minder nach eigenem Ermessen Bauland ausweisen können und überdies häufig grotesk überdimensionierte Reserven besitzen, die noch aus der ungehemmten Boomphase der beginnenden 70er Jahre stammen; damals nahm man an, die Bevölkerungszahl werde im Jahr 2000 die 10 Mio.-Marke erreichen (während die Zahl heute gerade einmal bei 7,7 Mio. liegt).
In einem zweiten Teil werden Strategien behandelt, die das Wachstum der Agglomeration eindämmen können: der Schutz ländlicher Räume, ein »Städtebau der Zukunft«, der auf Verdichtung der bestehenden Siedlungsfläche setzt, nachhaltige Tourismusprojekte sowie die Anwendung der Raumplanung, die seit 1980 im Bundesgesetz verankert ist. Die Instrumentarien bestehen, die Problemlagen sind bekannt – tiefgreifende Änderungen sind allerdings bisher nicht zu spüren. Dies ist das bittere Resultat einer Ausstellung, die nicht denunziert, sondern Tatsachen aufzeigt – anhand von Statistiken, knappen Texten, Bildern und Videoclips, inszeniert in einem gelb, rot, grün und blau gestrichenen Bauklotzarrangement. Die Kuratoren wollen Fragen aufwerfen und ein breites Publikum zum Mitdenken anregen. Denn in dem guten halben Jahrhundert seit dem Pamphlet von Max Frisch und seinen Ko-Autoren hat sich vieles gewandelt, aber kaum zum Positiven.
Bis 24. Oktober. Naturama Aargau, Bahnhofplatz, CH-5001 Aarau , Di-So 10-17 Uhr www.naturama.ch
Tags
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de