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Das Erbe Schinkels (Berlin)

Ausstellungen
Das Erbe Schinkels (Berlin)

~Bernhard Schulz

Durch Berlins historische Mitte kann man nicht spazieren, ohne auf Bauten Schinkels zu stoßen. Altes Museum, Schlossbrücke und Neue Wache liegen dicht beieinander, wenige Schritte weiter erhebt sich nüchtern die Friedrichswerdersche Kirche, und etwas weiter dominiert das Schauspielhaus den Gendarmenmarkt. Kaum je ins Bewusstsein treten die Verluste, die Schinkels Œuvre erlitten hat, von der Bauakademie abgesehen, die seit ein paar Jahren als Fassadenmalerei das 1961 als Kriegsruine abgerissene Original markiert. Wer aber weiß noch um Packhof, den (alten) Dom am Lustgarten, um die Palais der preußischen Prinzen an der Wilhelmstraße, gar die Wohnung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. im Schloss? (s. Abb. 2: Salon der Wohnung Friedrich Wilhelms IV. im Berliner Schloss, 1824/25)
Dieser, der spätere »Romantiker auf dem Königsthron«, war der wichtigste Auftraggeber Karl Friedrich Schinkels (1781-1841), er war Antreiber, aber auch Gesprächspartner. Zwischen der dienenden Rolle als Hofarchitekt – zu dem er, wie Eva Börsch-Supan erst jüngst nachgewiesen hat, 1829 formell befördert wurde – und dem bürgerlichen Amt als Chef der Oberbaubehörde und damit ranghöchster Baubeamter Preußens oszilliert Schinkels Tätigkeit.
Seine enorme Arbeitsleistung ist bekannt, so wie er als Architekt bekannt ist; doch das ganze Leben und Werk dieses Multitalents bleibt irgendwie im Halbdunkel. So ist die Ausstellung »Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie«, die das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin jetzt in den Sonderausstellungshallen des Kulturforums zeigt, alles andere als eine Routineveranstaltung, sondern ein neuerlicher Anlauf, mit der Person und seinem Lebenswerk vertraut zu machen. Zuletzt hatten 1980/81 im geteilten Berlin die Ost-Berliner Staatlichen Museen Schinkel für sich beansprucht. Jetzt, immerhin 22 Jahre nach der Wiedervereinigung Berlins und seiner staatlichen Museen unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, gab die vollständige Erschließung und Digitalisierung der rund 5500 Zeichnungen und Druckgrafiken aus Schinkels Nachlass den Anstoß zur Ausstellung. Die wissenschaftliche Leistung ist ebendiese Aufarbeitung des, wie sich mehr und mehr zeigt, nur unvollständig bekannten und erforschten Bestands.
Ab November sollen sämtliche Zeichnungen im Netz zur Verfügung stehen und die Forschung beflügeln, die sich zumindest international noch immer nicht recht mit Schinkel befassen mag, von England vielleicht abgesehen, wo das Victoria & Albert Museum 1991 den »Universal Man« vorstellte. Der damalige Ausstellungstitel hätte auch jetzt gut gepasst, denn was unter der Federführung des Kupferstichkabinetts an Gemälden, Bühnenbildern, an Möbeln und Gebrauchsgegenständen, an Entwürfen für schier alles und jedes zusammengetragen wurde – einschließlich der dominierenden grafischen Blätter dann doch auf 273 Katalognummern begrenzt –, zeigt einen Universalkünstler, wie es ihn seit der Renaissance nicht mehr gegeben hatte.
In den Hintergrund gerät bei so viel – beinahe unvermeidlichem – Personenkult das, was Hein-Th. Schulze Altcappenberg, der Direktor des Kupferstichkabinetts, die »factory« Schinkels nennt, die zahlreichen Mitarbeiter seiner Behörde, die dem Vielbeschäftigten zuarbeiteten. Manches lief dann unter dem Namen des Chefbeamten, was in Wahrheit anderen Köpfen entsprang. So hat das Museum jetzt den berühmten Entwurf von 1827 zu einem »Kaufhaus« Unter den Linden neu zuschreiben müssen, der stets als Beleg für die Modernität Schinkels herangezogen wird. Tatsächlich stammt der Entwurf wohl von seinem Mitarbeiter Heinrich Bürde, der sich von Schinkel Unterstützung für dieses Projekt erhoffte.
Vielleicht war Schinkel weniger »modern«, als ihn sich die Architekturgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts zurechtlegte. In England, dem Hauptziel der Reise von 1826, machten die Fabrikstädte, voran Manchester mit seinen rohen Ziegelbauten, auf ihn »einen schrecklich unheimlichen Eindruck«: Ihm mangelte es an Architektur, war doch alles nur »fürs nackteste Bedürfnis allein« aufgeführt. Wenn er in einer aquarellierten Allegorie auf seinen engsten Freund, den enthusiastischen Gewerbeförderer Christian Peter Wilhelm Beuth, eine Industriestadt im Traum erscheinen lässt, so doch, weil er derlei in Preußen kaum für möglich und schon gar nicht für erstrebens- wert hielt. Dieses pastellzarte Blatt von 1837, ein Schlüsselwerke der Berliner Ausstellung, ist leicht zu übersehen. Das Publikumsinteresse jedenfalls richtet sich eher auf den Rekonstruktionsversuch des bewegten Schaubilds »Der Brand von Moskau«, das Ende 1812 mit Musik und Donnerhall regelrecht aufgeführt wurde, noch während sich Napoleon auf dem Rückzug befand. Daneben sind die Bühnenbildentwürfe ausgebreitet, mit denen Schinkel in den Jahren um 1818, als er selbst das gewaltige Schauspielhaus errichten durfte, die Zuschauer begeisterte. Schinkel und Schiller, Schinkel und Mozart, diese kongenialen Verbindungen über die Generationen hinweg sind es, die eine Ahnung geben von dem geistigen Milieu, innerhalb dessen Schinkel zu finden und allein nur zu verstehen ist. Das allerberühmteste dieser Bühnenblätter, die »Sternenhalle der Königin der Nacht« (s. Abb. 1) zu Mozarts »Zauberflöte«, ist längst zur Ikone geworden, zum Markenzeichen Schinkels. Der wird, allein durch die Suggestivkraft seiner Bühnenbilder, aber ebenso seiner Gemälde, zum Visionär und Verführer, der dem Bestehenden eine andere, bessere, ideale Welt entgegenstellt und sein Publikum anregt, gleichermaßen groß zu denken.
Stimmt das Schinkel-Bild, das die Ausstellung vermittelt? Darüber lässt sich ebenso end- wie ergebnislos streiten. Was Fontane über Adolph Menzel sagte – er sei »sehr vieles, um nicht zu sagen alles« –, gilt erst recht für Schinkel. Auf jeden Fall war er so vieles, dass es nicht immer leicht fällt, unter der Fülle seiner Auftrags- und Gelegenheitsarbeiten seine historischen Leistungen herauszuschälen. Das »Schinkel-Lebenswerk«, diese seit 1941 (!) im Erscheinen begriffene Publikation des Œuvres, ist nicht zufällig mittlerweile bei Band 24 angelangt. Da wird verständlich, dass die jetzige Ausstellung nur einen Extrakt bieten kann, wunderschön anzuschauen, aber doch dem Geniekult verhaftet, der Schinkel seit seinem Tod entrückt hat. Als Schinkel am 9. Oktober 1841 starb, schrieb sein Arzt erschüttert: »Selten, vielleicht niemals, hat wohl ein Mensch in consequenterer Ausdauer geistig schaffend gelebt, als er.«
Bis 6. Januar. Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie. Kulturforum, Kupferstichkabinett, Matthäikirchplatz 8, 10785 Berlin, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa, So ab 11 Uhr, Katalog im Hirmer Verlag, 25 Euro in der Ausstellung. www.schinkel-in-berlin.de
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