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Bogdan Bogdanovic (Wien)

Ausstellungen
Bogdan Bogdanovic (Wien)

~Reinhard Seiß

Aufgrund der Lage am einstigen Eisernen Vorhang und der historischen wie kulturellen Verbundenheit mit Mittelost- und Südosteuropa kommt Wien eine besondere Verantwortung und Bedeutung als Vermittlerin des zeitgenössischen Baugeschehens in den Reformstaaten zu. Dieser Aufgabe ist man während der letzten Jahre durchaus gerecht geworden: Zahlreiche Symposien, Vortragsreihen, Publikationen aber auch Ausstellungen – etwa über Architektur in Polen, der Slowakei, Rumänien, Kroatien oder Slowenien – vermittelten einen Überblick, der sich oft von den gemeinsamen Wurzeln in der Donaumonarchie über die sogenannte Ostmoderne bis zur heutigen Architekturszene spannte. Wenn nun das Architekturzentrum Wien eine Ausstellung einem einzelnen Baukünstler aus dieser Region widmet, noch dazu aus einem Land, das es so nicht mehr gibt, sagt das schon einiges über die Bedeutung dieses Mannes aus.
Dabei, so AzW-Direktor Dietmar Steiner, seien Leben und Werk des 1922 in Belgrad geborenen und seit 1993 in Wien lebenden Architekten Bogdan Bogdanovic´ derart vielschichtig, dass auch in dieser Ausstellung eine Fokussierung auf die wesentlichen Aspekte notwendig gewesen sei. Im Mittelpunkt stehen so die rund zwanzig großmaßstäblichen Denkmäler gegen Krieg und Vernichtung, die der Surrealist zwischen den fünfziger und achtziger Jahren im damaligen Jugoslawien realisierte. Wie furchtbar die historischen Ereignisse, auf die Bogdanovic´ mit seinen Memorialbauten Bezug nahm, auch gewesen sein mochten – er reagierte darauf stets mit einer offenen, geradezu lyrischen und versöhnlichen Formensprache: sei es an Hinrichtungstätten der Deutschen Wehrmacht oder bei Massen- gräbern von im Zweiten Weltkrieg gefallenen Partisanen, sei es auf dem Friedhof der durch den Holocaust so gut wie ausgelöschten jüdischen Gemeinde Belgrads oder am Gelände des von kroatischen Faschisten betriebenen Vernichtungslagers Jasenovac (s. Abb. oben, Blume an der Gedenkstätte).
Der Wiener Architekturhistoriker Friedrich Achleitner klassifiziert Bogdanovic´ s Monumen-te als einzigartig in der europäischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts – wegen ihres philosophischen Hintergrunds ebenso wie wegen ihrer zeitlosen, archaisch wirkenden Symbolik oder auch ihrer harmonischen Verwobenheit mit der umgebenden Landschaft. Diese hat der Architekt in vielen Fällen großräumig umformen lassen, und das auf eine Weise, die ihn unbestritten zu einem Vorläufer der land art macht. Gleichzeitig versuchte Bogdanovic´ , viele seiner Gedenkstätten nach den – surrealistisch abstrahierten – Prinzipien einer Stadt zu gestalten. Seine Bedeutung als »Urbanologe«, wie er sich selbst bezeichnet, als eigenwilliger, esoterischer Stadtdenker, ist denn auch der zweite Aspekt seines Schaffens, der in der Ausstellung thematisiert wird. Daneben verweist die Schau auf Bogdanovic´ als Autor zahlreicher Bücher sowie als Lehrer mehrerer Belgrader Architektengenerationen: nicht nur an der Universität Belgrad, sondern auch in einer alten Dorfschule in Mali Popovic, wo er an Wochenenden für seine Studenten halb legal, halb illegal einen avantgardistischen Privatunterricht organisierte.
Den Rahmen der Ausstellung gesprengt hätte vermutlich die eingehende Darstellung seines politischen Lebens, das freilich nicht minder interessant verlief als seine architektonische oder literarische Biografie: Schon als Gymnasiast ging seine Begeisterung für den französischen Surrealismus mit einer Sympathie für den Kommunismus einher, er kämpfte im Zweiten Weltkrieg bei den Partisanen und stieg in Titos Jugoslawien trotz seiner Eigenwilligkeit und Unberechenbarkeit in die politische Elite auf – was ihm paradoxerweise als einzigen bedeutenden Denkmalarchitekten des Landes ermöglichte, seine Kunst völlig frei von ideologischer Einflussnahme zu halten. 1982 wurde er, auch für ihn selbst überraschend, sogar zum Belgrader Bürgermeister gewählt – um kurz nach Ende seiner Amtszeit mit dem sich radikalisierenden Regime öffentlich zu brechen und den aufstrebenden Slobodan Miloševic´ frühzeitig als nationalistischen Kriegstreiber zu entlarven. Fortan wurde Bogdan Bogdanovic´ von den einen als führender Dissident, von den anderen als oberster serbischer Vaterlandsverräter gesehen – und sah sich selbst als ein von den Machthabern zur Untätigkeit gezwungener »verdammter Baumeister«.
Als er 1993 nach jahrelangen Drangsalierungen und sogar Morddrohungen gemeinsam mit seiner Frau nach Wien flüchtete, blieben seine umfangreiche Bibliothek, alle Manuskripte und Fotografien sowie sein gesamtes zeichnerisches Œvre zurück. Mehr als zehn Jahre später – Bogdanovic´ hatte sich derweil mit mehreren ins Deutsche übersetzten Büchern auch hierzulande etabliert – bat der inzwischen 82-Jährige das Architekturzentrum Wien darum, sein in der Belgrader Wohnung zurückgelassenes und nach wie vor von Zerstörung bedrohtes Lebenswerk in Sicherheit zu bringen. In einer abenteuerlichen Nacht-und-Nebel-Aktion gelangten 12 500 Originale – darunter unzählige Zeichnungen zu den Denkmälern – nach Wien, die Bogdan Bogdanovic´ daraufhin der Sammlung des Az W übertrug.
Dort wurde dieser gewaltige Vorlass in den letzten drei Jahren kunsthistorisch aufgearbeitet – womit auch erklärt ist, warum die Ausstellung vor allem über seine Zeichnungen versucht, die gedankliche und künstlerische Welt des verdammten Baumeisters zu erschließen. So gelingt es etwa zu veranschaulichen, dass es Bogdanovic´ , der sich selbst einen »hysterischen Zeichner« nennt, nicht bei der oft jahrelangen Entwurfsarbeit belassen hat, sondern seine Denkmäler auch nach ihrer baulichen Realisierung noch zeichnerisch weiterentwickelt, ja ganze grafische Romane darüber verfasst hat. Und so, wie die Materialisierung seiner Ideen für ihn nichts anderes war als eine Zwischenstation, so wurde von Bogdan Bogdanovic´ auch nie ein letztes Wort über seine Denkmäler gesprochen. Und davor hält sich auch die Ausstellung in seinem Sinne zurück.
Bis 2. Juni. Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, Mo–So 10–19 Uhr; Katalog zur Ausstellung 33 Euro; www.azw.at
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