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Alfred grenander (Berlin)

Ausstellungen
Alfred grenander (Berlin)

~Lars Quadejacob

Wer urbanes Fluidum schätzt, für den haben jene Städte, die schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Metropolen heranwuchsen, einen uneinholbaren Vorteil: Ihr öffentliches Nahverkehrsnetz wurde nicht erst in den betonseligen siebziger Jahren in den Stadtorganismus hineingepresst, sondern ist mit ihm gewachsen und zeigt entsprechende Zeitschichten. Wer in Berlin etwa an der Klosterstraße in die U-Bahn steigt und von dort aus der Stadt heraus nach Krumme Lanke (siehe Abb.) fährt, begibt sich auf eine Zeitreise vom Jugendstil bis zur Neuen Sachlichkeit. Trotz dieser Vielfalt stammen die meisten Berliner U-Bahnhöfe von einem einzigen Architekten: Alfred Gre- nander (1863–1931). Doch der Schöpfer von ca. 70 Stationen blieb ein eher Unbekannter, allenfalls Lokal- oder Verkehrshistorikern geläufig. Das steht in deutlichem Gegensatz zur Wertschätzung Grenanders in seiner Wirkungszeit. Erste Beachtung fand der gebürtige Schwede bereits kurz nach dem Studium an der Technischen Hochschule Charlottenburg als Architekt von Landhäusern, Verwaltungs- und Fabrikgebäuden. Ab 1898 lehrte er an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums, seit 1901 als Professor. Besonders bedeutend war Grenander aber zu dieser Zeit als Innenarchitekt und Designer; dem Schweden fiel sogar die Rolle zu, mit seinen Möbelentwürfen Deutschland auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis (USA) zu vertreten. Das folgenreichste Datum für Grenanders Leben und Werk war allerdings das Jahr 1900 mit einem erstmaligen Engagement beim gerade einsetzenden Berliner U-Bahn-Bau – zunächst mit dem bescheidenen und heute kurios anmutenden Auftrag, bestehende Viadukt-Stahlstützen mit Ornamenten zu ummanteln. Bald wurde daraus die Rolle eines Chefarchitekten, der Bahnhöfe und Bahnsteigmobiliar, Gleichrichterwerke und Wagenhallen entwarf. Mit den Stilstufen Jugendstil, Neoklassizismus und Expressionismus folgt Grenander den künstlerischen Grundströmungen seiner Zeit und wird dabei stets von zeitgenössischen Kritikern für die gelungene Melange aus Ingenieurs- und Baukunst gelobt. Außerdem setzt er von Anfang an Farbe als wichtiges Gestaltungsmittel ein, die durch sorgsam ausgewählte Keramikfliesen in die zumeist unterirdischen Bauwerke getragen wird. In der zweiten Hälfte der Zwanziger Jahre werden Grenanders Stationen zu wahren »Farbräumen« mit subtil kalkulierter Wirkung. Bei seinem abschließenden Meisterwerk, dem unterirdischen Kreuzungsbahnhof Alexanderplatz (1927–30) tritt die Inszenierung der Verkehrsströme durch Blickbeziehungen zwischen den Ebenen hinzu. Der 67-jährige zeigt sich damit auf der Höhe der Zeit; seine neusachlichen Verkehrsmonumente finden internationale Beachtung.
Zum 75. Todestag Grenanders zeigt das Deutsche Technikmuseum Berlin jetzt eine kleine, aber feine Retrospektive auf das Leben und Werk des Schweden in Berlin. Die Ausstellungsgestaltung spielt einerseits mit dem Motiv der farbigen Fliese, zum anderen dienen stilisierte U-Bahnstrecken aus dünnem Stahlrohr zugleich als Träger für Texttafeln sowie als dezente Absperrung zu den Exponaten: Fotos, Möbel, Modelle und Stützenköpfe. Sie ergeben ein stimmungsvolles Bild, zu dem im letzten Abschnitt auch zerschlagene Exemplare der hochwertigen Originalfliesen gehören. Ein notwendiger Verweis darauf, dass Grenanders epochale Bauwerke peu à peu durch Totalsanierungen zu quietschbunten Karikaturen ihrer selbst modernisiert werden. Vielleicht kann die Ausstellung ja zu einem Überdenken dieser banausenhaften Praxis anregen.
Bis 29. April. Deutsches Technikmuseum Berlin, Trebbiner Straße 9, Di–Fr 9–17.30 Uhr, Sa+So: 10–18 Uhr, lohnender Katalog: Aris Fioretos (Hg.), Berlin über und unter der Erde – Das Werk von Alfred Grenander, Nicolai-Verlag, 29,90 Euro. www.dtmb.de Die TU Berlin veranstaltet am 10./11. Februar eine Tagung zu Alfred Grenander, www.dtmb.de
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